Frankreichs neuer Premier: Der Deutschlehrer

Der langjährige Bürgermeister von Nantes, Jean-Marc Ayrault, tritt sein Amt als neuer Premier von Frankreich an. Er versteht sich als Freund Deutschlands.

Der neue französische Premierminister Jean-Marc Ayrault mit Ehefrau auf den Stufen des Matignon in Paris Bild: reuters

PARIS taz | Am Mittwoch um Punkt 10 Uhr hat Jean-Marc Ayrault im Matignon das Amt des Premierministers von seinem Vorgänger Francois Fillon übernommen. Ayrault galt seit Tagen schon als Favorit.

Was am Vormittag ein enger Freund von François Hollande bereits am Radio mit einer unbedachten Äußerung verraten hatte, bestätigte am Nachmittag der neue Staatspräsident in einem einfachen Communiqué: "Monsieur Jean-Marc Ayrault wird mit der Bildung einer Regierung beauftragt."

Der Staatschef, der ein ganz "normaler" Präsident sein möchte, hat sich auch als Premierminister einen ebenso gewöhnlichen Politiker ausgesucht, der wie er selber nichts von "Blingbling" und "Glamour" hält und dem bisher jedes Charisma abgehen zu scheint.

Im Unterschied zu anderen Anwärtern auf diesen Spitzenposten, namentlich Parteichefin Martine Aubry oder Ex-Regierungschef Laurent Fabius, ist Ayrault (62) kein ehemaliger Rivale, sondern ein langjähriger Weggefährte. Wie Hollande war auch er nie Minister, er war seit 1997 Vorsitzender der sozialistischen Fraktion in der Nationalversammlung, und auch er hat seine Parteikarriere parallel zu einer langen Laufbahn in der Provinz gemacht.

Ayrault ist seit 1989 Bürgermeister und Abgeordneter der westfranzösischen Küstenstadt Nantes. Politisch sind die beiden mit einem "komplexfreien Reformismus" völlig auf derselben Wellenlänge. Ayrault, der 1950 als Sohn eines Textilarbeiters zur Welt kam, hatte sich zuerst in der katholischen Landjugend engagiert. Im Parti Socialiste schloss er sich zuerst dem klassenkämpferischen linken Flügel an, bald aber kam er zum Schluss, "radikalen Ideen hinterher rennen bringt nichts".

Studienaufenthalt in Würzburg

Eine klare Trumpfkarte hatte er vorzuweisen: Als früherer Deutschlehrer verfügt er über Sprachkenntnisse, die vor allem im Dialog mit Berlin äußerst nützlich sein werden. Nach Meinung vieler Parteifreunde und Gegner sehe der große Blonde mit der stets perfekten Scheitel auch aus wie ein Deutscher – was nicht immer als Kompliment gemeint ist.

Auch die Süddeutsche meint, er habe von einem Studienaufenthalt in Würzburg (1969-70) den "diskreten Charme" und die Standfestigkeit der Leute dieser mitteldeutschen Stadt mitgenommen. Ayrault gilt als außerordentlich arbeitsam und methodisch. Eine minutengenaue Organisation war schon darum notwendig, um seine parallelen Aktivitäten in Nantes und Paris zu vereinbaren.

Ayrault wird als eher schüchterner Mensch beschrieben, dem es in Sitzungen wohler ist als an der Rednertribüne. Er ist ein großer Musikliebhaber und soll, wie Le Monde verriet, auch ein ausgezeichneter Tangotänzer sein. Ayrault vertritt zwar die Linie, dass es in den deutsch-französischen Beziehungen gleichgewichtiger zugehen müsse und dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das Duo zu lange dominiert habe. Doch er ist alles andere als ein patriotischer Sturkopf.

Die Forderung der französischen Sozialisten nach einem Umsteuern in Europa soll im Dialog mit Berlin ausgehandelt werden. "Wir machen eine konstruktive Politik", sagt Ayrault, der als Pragmatiker gilt. Auch die deutsch-französische Zusammenarbeit in Kultur und Wissenschaft will der verheiratete Vater von zwei Töchtern, der aus Nostalgie manchmal noch mit seinem alten VW-Bus in Kurzurlaub fährt, vertiefen.

Aus seiner Zuneigung für Deutschland macht Ayrault keinen Hehl. Auf seiner Homepage steht: "Ich habe mich diesem Land immer verbunden gefühlt."

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