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Frankreichs Nein zu Nordstream 2Macrons Ambitionen

Kommentar von Christine Longin

Macron fordert den Stopp von Nordstream 2. Dabei geht es ihm nicht nur um das Wohl der russischen Opposition, sondern auch um seine Rolle in Europa.

Nein zu Nord Stream 2: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron Foto: Gonzalo Fuentes/reuters

D ass Emmanuel Macron Vorbehalte gegen die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 hat, war lange bekannt. Von „Reserven“ war bisher diplomatisch verbrämt die Rede. Doch am Montag formulierte Europastaatssekretär Clément Beaune erstmals eine klare französische Ablehnung des Milliardenprojekts. Der Vertraute des Präsidenten zitierte dafür den „Kontext“ in Russland – also die Festnahmen Tausender Gegner des Präsidenten Wladimir Putin nach der Inhaftierung von Kreml-Kritiker Alexei Nawalny. Das französische Nein zu Nord Stream 2 ist völlig nachvollziehbar. Wer allerdings glaubt, dass es Staatschef Emmanuel Macron dabei ausschließlich um die russische Opposition geht, der irrt.

Macrons Russlandpolitik gleicht einem Zickzackkurs, der zwischen Annäherung und Kritik hin und her schwankt. Vor anderthalb Jahren etwa empfing der Präsident seinen russischen Kollegen mit großer Geste in seiner südfranzösischen Ferienresidenz. Dass vor allem die Osteuropäer seine im Alleingang gestartete Charme­initiative skeptisch sahen, war Macron damals egal. Er schwärmte lieber von einem Europa, das von Lissabon bis Wladiwostok reicht. „Wir müssen mit Russland arbeiten“, warb er noch nach Nawalnys Vergiftung im September bei einem Besuch in Litauen.

Vor der Kulisse des Mittelmeers diente Putin Macron auch für die eigene Inszenierung – als großer Außenpolitiker, wenige Tage vor dem G7-Gipfel im südfranzösischen Biarritz. Nun will sich der französische Präsident wieder in Szene setzen. Diesmal als Anführer eines Europa, das sich gegen Russland positioniert. Die Osteuropäer – vor anderthalb Jahren noch ignoriert – kann Macron dabei bereits als Verbündete verbuchen. Dass er den Partner Deutschland, der mit seinem blinden Festhalten an der Pipeline zunehmend isoliert ist, vor den Kopf stößt, nimmt er in Kauf.

Nach dem Brexit ist der Moment gekommen, die Machtverhältnisse in der EU neu festzulegen. Macron hat sich mit seinem Nein zu Nord Stream 2 klar positioniert – als Anwärter auf die ­Führungsposition.

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6 Kommentare

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  • Macrons opportunistische Rußlandpolitik -ist die glaubwürdig wg. des angeblich von Putin inszenierten Anschlags auf Navalny und brutalen Polizeiangriffen auf dessen angebliche Anhänger?



    Sitzen in Macrons Empire nicht schon über 1000 widerständige Angehörige der Gilets jaunes in Gefängnissen? Macht die faschistisch durchsetzte Macron-Polizei nicht immer wieder durch rassisstische Übergriffe von sich reden?



    Und wenn schon Macrons "Außenpolitik"?Gehört Afrika nicht dazu,der neokoloniale Würgegriff des CFA , des Francs für die früheren französischen Kolonialgebiete, der dort direkt und indirekt für üble Massen-Verarmung sorgt?



    Wird nicht der Nato-devote marokkanische König bei seiner brutalen Unterdrückungspolitik in der Westsahara von Frankreich unterstützt?



    Und führen nicht Macrons und seiner französischen Konzern-Kolonialarmee in Mali (auch mit Hilfe der Merkel-BRD) einen immer mehr neokolonialen Krieg (Bounti)???

    Wunderlich, davon in einem hauptsächlich gegen Rußland orientierten Artikel zur französischen A u ß e n politik von all diesen Macronuntaten nichts zu lesen-statt dessen ihn durchaus als passablen EU-King und Antirussenbarbarossa ins Bild bringen !!

  • Macrons "Menschenrechts"-Kurs ausgerechnet Hand-in-Hand mit Polens und Ungarns Autokraten. Putziger Versuch.



    Nordstream II ist indes schon fast fertig. Und pacta sunt servanda.

  • Die Menschenrechtsverletzungen in Russland wären schon alleine ein Grund, um jede Zusammenarbeit mit solch übelsten Autokraten zu beenden!

    Aber es gibt schon seit langem noch wichtigere Gründe, um den Möchte-Gern-Zaren zu boykottieren. Da sind zunächst die faktischen Annexionen in Georgien, Moldawien und der Ukraine. Auch die faktische Stützung seiner Spießgesellen und Gesinnungsgenossen in Belarus und Syrien gehört zu diesen Gründen. Putin verhält sich wie die schlimmsten kommunistischen Machthaber in der CCCP.

    Seine bisherige aggressive und besitzergreifende Politik verheißt nicht nur für Deutschland Übles. Mit der von uns aus eigenem Antrieb geförderten Anbindung an die Energielieferungen von Russland machen wir uns von einem solchen System erpressbar. Putin hat gezeigt, was er von Verträgen und Versprechungen hält: Nichts! Wenn er es für richtig hält, wird er Gaslieferungen (wie auch für Öl) stoppen. Sein Charakter ist so, dass er immer nur zum eigenen Vorteil handeln wird.

    Auch Ländern wie Ukraine und Polen tut Merkel und ihr falscher Glaube an das Rest-Gute bei P. keinen Gefallen. Die sowieso schon in Not steckende Ukraine wird Gebühren für die Durchleitung von Gas verlieren. Dabei ist unsere Versorgung durch die bestehenden Pipelines mehr als ausreichend.

    Andersdenkende Russen empfinden es als Horrorherrschaft, ebenso wie Bürger aus den von ihm angegriffenen und oben genannten Staaten. Ein Ende von Putin ist leider nicht absehbar, ebenso wenig wie ein Umdenken von Deutschlands Politikern.

  • Das Ziel ist ja nett, und klare Entscheidungen auch - nur Ostasien das falsche Projekt!



    Es ist seit Jahren vertraglich durch, sogar der Bau ist fast abgeschlossen.



    Jetzt zu stoppen, wäre einfach Quatsch.



    Verträge sind einzuhalten - das haben wir lange den USA gepredigt, sollte man auch selbst beherzigen.



    Und fertig mag die Pipeline ja gerne ungenutzt bleiben.



    Das weiß auch Makron.



    Also, was will er wirklich???

    • @mensch meier:

      Ich denke, nachdem Macron bei den "Corona-Hilfen" die südeuropäischen Länder um sich gesammelt hat, möchte er jetzt im osteuropäischen Raum fischen. Damit entsteht ein Block, der innerhalb von Europa nicht überstimmt werden kann und die Achse Paris-Berlin ist ohne Bedeutung. Wahrscheinlich ein Vorgeschmack, wie nach dem Brexit die Karten in Europa neu verteilt werden.

  • Wo verdammt noch Mal ist eigentlich Deutschland,? Es wird Zeit Macron den Rücken zu stärken damit es endlich Mal weitergeht in der EU.Wenn die 2 Länder nicht endlich Mal Tacheles mit den anderen EU Ländern reden und Sie auf eine Linie bringen wird die EU zerbrechen.