Frankreichs Militäreinsatz in Mali: Mali wirft Frankreichs Truppen hinaus

Die Militärregierung in Bamako kündigt die Militärabkommen, die Frankreichs Antiterroreinsätze gegen islamistische Gruppen erlauben.

Ein Konvoy von Militärfahrzeugen in karger Landschaft

!8. April, Abzug des französischen Militärs aus Gossi Foto: Paul Lorgerie/reuters

BERLIN taz | Die rund 2.500 französischen Soldaten, die in Mali islamistische Untergrundgruppen bekämpfen, sind ab sofort illegal im Land. Dies jedenfalls ist die Haltung der vom Militär dominierten Regierung Malis. Sie kündigte am Montagabend das geltende Verteidigungsabkommen mit der ehemaligen Kolonialmacht von 2014 auf und dazu auch gleich das Truppenstationierungsabkommen von 2013, das den Einsatz französischer Truppen in Mali regelt, samt seinem Zusatzprotokoll von 2020 über europäische Spezialkräfte.

„Flagrante Verletzungen der nationalen Souveränität Malis“ nannte Regierungssprecher Oberst Abdoulaye Maiga in einer im Staatsfernsehen verlesenen Ansprache als Grund. Im Einzelnen wirft Malis Regierung Frankreich Verletzungen des malischen Luftraums vor sowie den „einseitigen“ Beschluss Frankreichs zum Abzug seiner Antiterrormission Barkhane.

Das Verteidigungsabkommen von 2014 wird ordnungsgemäß mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt. Das Truppenstationierungsabkommen von 2013 mit Zusatzprotokoll hingegen kündigt Mali mit sofortiger Wirkung.

Damit entfällt ab sofort die rechtliche Grundlage sowohl für die Antiterroroperation Bar­khane, mit der Frankreich seit 2013 – damals noch unter dem Namen Serval – mit Tausenden Soldaten in Mali einen Kampfeinsatz gegen islamistische Gruppen führt, als auch für den europäischen Spezialkräfteeinsatz Takuba, der Barkhane perspektivisch ersetzen soll. Nicht betroffen sind die UN- und EU-Missionen, an denen die Bundeswehr beteiligt ist.

Grundlage des Stationierungsabkommens ist zweifelhaft

Da Frankreich ohnehin im Begriff ist, aus Mali abzuziehen, verwundert der malische Schritt zunächst. Von 5.300 Soldaten zum Höhepunkt von Bar­khane Ende 2019 sind noch etwa 2.500 übrig. Im gesamten Norden Malis hat Frankreich seine Militärbasen bereits an Malis Armee übergeben. „Mali versucht, Frankreich aus der Tür zu schubsen, während es gerade geht – derweil beklagt es, dass Frankreich sich zum Gehen entschlossen hat, ohne Mali zu konsultieren“, kommentiert der US-amerikanische Sahelexperte Andrew Lebovich.

Der Vorstoß aus Bamako dürfte für Streit mit Paris sorgen. Zur sofortigen Aufkündigung der Truppenstationierungsabkommen beruft sich Mali auf die Wiener Konvention, die die fristlose Kündigung eines internationalen Vertrages im Falle einer „manifesten Verletzung“ durch die andere Partei erlaubt. Der französische Militärexperte Julien Antouly weist darauf hin, dass Frankreich diese Konvention nicht unterzeichnet habe – es wende sie aber selbst an.

Außerdem, analysiert er, entstand das Truppenstationierungsabkommen von 2013 erst zwei Monate nach Beginn des Einsatzes französischer Truppen in Mali, seine Grundlage sei also fragwürdig. Frankreich berief sich damals auf ein Beistandsgesuch der malischen Regierung – das kann Mali jederzeit fristlos zurückziehen. Ein separates Mandat des UN-Sicherheitsrates für die Operation Barkhane gibt es nicht.

Bleibt es bei der Aufkündigung, schreibt Antouly, „könnten die Kontingente von Bar­khane und Takuba das Recht zur Einreise auf das malische Staatsgebiet und die Bewegungsfreiheit verlieren“. Auch entfalle dann die Straffreiheit für französische Soldaten in Mali und ihr Recht, Malier festzunehmen. Damit werden robuste Anti­terroreinsätze unmöglich.

Das Misstrauen zwischen Bamako und Paris ist riesig

Noch 2013 hatte Frankreich mit Tausenden Soldaten verhindert, dass islamistische Terrorgruppen in Mali die Macht ergreifen. Aber 2020 und 2021 putschte Malis Armee zweimal. Frankreich kündigte die gemeinsamen Antiterroreinsätze auf, Mali holte russische Kämpfer ins Land, Frankreich konterte mit dem schrittweisen Abzug seiner Antiterrormission, verkündet auf einem Gipfel in Paris am 17. Februar 2022 ohne malische Beteiligung, und Malis Regierung verlangte Frankreichs sofortigen Abzug.

Wie groß das Misstrauen ist, erwies sich nach der Übergabe der französischen Militärbasis Gossi an die malischen Streitkräfte am 19. April. Zwei Tage später warf Frankreich auf der Grundlage von Drohnen­aufnahmen russischen Söldnern vor, in Gossi Leichen im Sand zu vergraben, die die malische Seite dann finden und als Opfer französischer Massaker präsentieren werde.

Prompt verkündeten Malis Behörden am 22. April, eine Patrouille habe nahe Gossi ein „Massengrab“ voller „verrottender Leichen“ entdeckt, und regierungsnahe Medien machten Frankreich verantwortlich. Frankreich protestierte. Am 26. April warf Malis Regierung schließlich Frankreichs Streitkräften „Spionage, Einschüchterung und Subversion“ vor.

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