Frankreich verlängert den Notstand: Tausche Freiheit gegen Sicherheit
Verdächtige sollen leichter unter Hausarrest gestellt werden können. Zudem soll es möglich sein, als gefährlich eingestufte Gruppen aufzulösen.
Im Wesentlichen plant die französische Regierung, das Notstandsrecht in drei Punkten zu verschärfen. So besagt ein Artikel, dass eine Person vorsorglich einem strikten Hausarrest unterstellt werden kann, „wenn ernsthafte Gründe zur Annahme vorliegen, dass sie aufgrund ihres Verhaltens eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt“.
Die Definition der Gefährlichkeit wird ausgedehnt: Es reichen beispielsweise Hinweise auf Kontakte mit terroristischen Kreisen via Internet dafür aus. Menschen, für die ein Hausarrest angeordnet wird, müssen sich bis zu dreimal pro Tag bei der Polizei melden oder eine elektronische Fußfessel tragen.
Außerdem soll es künftig möglich sein, ohne richterliche Anordnung Wohnungen, Büros oder Fahrzeuge zu durchsuchen und dabei auf Speicherträgern oder auf Clouds gespeicherte Daten zu kopieren. Die Staatsanwaltschaft muss darüber nur informiert werden. Ausgenommen davon sind Büros von Parlamentariern, Anwälten und Journalisten. Gestrichen soll immerhin die vorher bestehende Möglichkeit werden, in Krisen eine Medienzensur einzuführen. Unverändert bleibt eine Passage, die dem Präsidenten eine umfassende Machtfülle einräumt.
Drittens soll es möglich werden, Gruppen aufzulösen, die den Terrorismus unterstützen oder für ihn werben. Eine geeignete Kontrolle soll dafür sorgen, dass sie sich nicht in anderer Form neu bilden.
Nach drei Monaten ist noch nicht Schluss
Diese neu eingeführte Überwachung der Vereinigungen kann nach den drei Monaten Ausnahmezustand sogar weitergehen. Dafür sorgt eine explizite Verschränkung mit einem kürzlich verabschiedeten Gesetz, das den Nachrichtendiensten weitgehende Freiheiten einräumt.
Schon dieses Gesetz hatten Internetaktivisten stark kritisiert. In wenigen Ländern wird die Kommunikation über das Netz bereits so intensiv erfasst und überwacht wie in Frankreich. Auch die Verlängerung des Notstands ruft Kritik hervor: „Ausnahmemaßnahmen müssen die Öffentlichkeit schützen, ohne auf Menschenrechten herumzutrampeln“, erklärte etwa die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI). Die Sondergesetze dürften nicht zum Dauerzustand werden, hieß es.
Frankreichs Präsident François Hollande möchte außerdem eine Art Visumspflicht für heimkehrende Dschihadisten einführen. Auch droht er Bürgern mit doppelter Staatsbürgerschaft, die wegen Terrorismus verurteilt wurden, mit der Aberkennung der französischen Nationalität und Ausweisung – was auch dann möglich werden soll, wenn sie in Frankreich geboren wurden. Beides ist nur mit einer Verfassungsänderung möglich, zu der auch die Opposition zustimmen müsste.
Manuel Valls warnt vor Chemiewaffen
Um die Notstandsgesetze anzupassen, wird ein unheimliches Tempo an den Tag gelegt. Was sonst monatelange Debatten erfordert hätte, wird nun unter dem Schock der Attentate in wenigen Tagen verabschiedet. Frankreichs Premierminister Manuel Valls warnte in der Nationalversammlung vor Anschlägen mit chemischen und biologischen Waffen. „Wir dürften heute nichts ausschließen“, sagte er. „Es kann auch das Risiko chemischer und bakteriologischer Waffen geben.“ Angaben über mögliche Anschlagspläne mit solchen Waffen machte er nicht.
Aber auch unabhängig von Notstandsgesetzen ändert sich einiges. So wird den Polizeibeamten Frankreichs erlaubt, ihre Waffe auch in ihrer Freizeit zu tragen. Präsident Hollande hat zudem angekündigt, dass nun auch die unbewaffneten kommunalen Polizeieinheiten Pistolen aus dem Arsenal der nationalen Polizei erhalten sollen. Die Logik und Devise der französischen Staatsführung ist klar: Aus Notwehr wird ab sofort zurückgeschossen.
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