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Frankfurter AWO-SkandalRausschmiss zum Einstand

Die krisengeschüttelte Frankfurter Arbeiterwohlfahrt wählt sich eine neue Führung. Die greift nach nur einer Stunde hart durch.

Noch lange nicht alles im Lot: Das AWO-Gebäude in Frankfurt am Main Foto: dpa

Frankfurt am Main taz | Am Samstag wählte der krisengeschüttelte AWO-Kreisverband Frankfurt ein neues Aufsichtsgremium. Nur eine Stunde später setzte das neue Präsidium ein erstes Zeichen: Die beiden noch verbliebenen KreisgeschäftsführerInnen des Sozialverbands wurden mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern abgesetzt. Zudem erhielten alle sechs amtierenden und ehemaligen AWO-Führungskräfte, gegen die die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs- und Untreueverdacht ermittelt, ein Hausverbot.

Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen, versprach die neue Vorsitzende des Präsidiums, die 60-jährige Juristin Petra Rossbrey. Einige Wenige hätten ihre Ämter für persönliche Zwecke benutzt und das Vertrauen „egoistisch zerstört und verplempert,“ sagte sie und versicherte, in Zukunft würden die Werte „Solidarität und Gerechtigkeit“ auch wieder in den Führungsgremien der AWO gelebt werden.

Die Liste der Vorwürfe gegen die inzwischen geschassten Führungskräfte, die in den letzten Monaten für Schlagzeilen sorgten, ist lang: drastisch überhöhte Gehälter, Manipulationen bei Abrechnungen, Luxusreisen und teure Dienstwagen, persönliche Bereicherung.

Die Vorfälle haben den Sozialverband, der allein in Frankfurt mehr als 1.000 hauptamtliche MitarbeiterInnen beschäftigt, in eine tiefe Krise gestürzt. Die neue Vorsitzende, bis vor kurzem Geschäftsführerin einer Tochtergesellschaft des Flughafenbetreibers Fraport, nannte die Einsetzung einer neuen Geschäftsführung einen „ersten Schritt“ und räumte ein: „Wir haben noch einen großen Berg vor uns.“

Empörung und Ratlosigkeit

Vier Stunden dauerte die Krisenkonferenz des Kreisverbands. Wer immer das Wort ergriff, gab seine Empörung zu Protokoll. Immer wieder klang Ratlosigkeit an, weil die Machenschaften weder den Aufsichtsgremien, noch den internen oder externen Prüfern aufgefallen waren. Auch er habe „lange gebraucht“, bekannte das langjährige Präsidiumsmitglied Rudi Kraus selbstkritisch.

„Wer nachgefragt hat, fiel in Ungnade“, berichtete ein anderes ehemaliges Vorstandsmitglied der taz. „Es war immer schon alles entschieden, wir sollten das nur abnicken“, so habe er den Führungsstil der Geschäftsführung erlebt und sich deshalb zurückgezogen. Noch als die Medien über die Unregelmäßigkeiten berichtet hätten, habe er das nicht glauben können, sagte ein Delegierter: „Der Unglaube wich dem Entsetzen.“

Der Geschäftsführer des AWO-Bundesverbands, Wolfgang Stadler, der zeitweise den vom Skandal betroffenen Untergliederungen die Weiterleitung von Fördermitteln verweigert hatte, zeigte sich nach der Neuwahl des Präsidiums optimistisch. Alle KandidatInnen hatten sich zu den Grundsätzen des „AWO Corporate Gevernance Kodex“ bekannt. Danach müssen Interessenkonflikte sofort offengelegt werden. Gehälter, Vergütungen und die Nutzung von Dienstwagen werden sich künftig an den strengen Regeln des Verbandes orientieren.

Gleichwohl steht der Sozialverband noch vor großen Herausforderungen. Die Oberfinanzdirektion hat eine Prüfung der Gemeinnützigkeit eingeleitet. Verliert die AWO diesen Status, hat das erhebliche steuerrechtliche Folgen. Das Revisionsamt der Stadt Frankfurt geht davon aus, dass der Kommune durch falsche oder überhöhte Abrechnungen ein erheblicher Schaden entstanden ist, dessen Ausgleich sie einfordern wird. Noch immer gibt es ungeklärte Fragen zu einem AWO-Job, den der SPD-Politiker Peter Feldmann vor seiner Wahl zum Frankfurter Oberbürgermeister bekommen hatte und zur angeblich überhöhten Vergütung, die seine Ehefrau als AWO-Kita-Leiterin erhalten hatte.

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