Franco-Verehrung in Spanien: Die Faschistenleiche im Keller stinkt
Eine konservative Stiftung feiert den Sieg der Faschisten mit einem Video. Der dreiste Umgang mit Verbrechen aus der Franco-Zeit sorgt für hitzige Debatten.
Ein Video sorgt für Aufregung in Spanien. Die Nationale Stiftung Francisco Franco (FNFF) feiert darin den 79. Jahrestag des Endes „des Kreuzzugs für die Befreiung“. Im Video erklingt zu den Tönen der Nationalhymne einmal mehr die Ansprache des „Generalísimo“ zum Ende des Bürgerkriegs am 1. April 1939. „Heute, mit der Armee der Roten in Gefangenschaft und entwaffnet, haben die Truppen der Nationalen ihre letzten militärischen Ziele erreicht. Der Krieg ist vorbei.“
Die FNFF gedenkt damit dem „Tag des Sieges“, als die faschistischen Truppen unter General Francisco Franco nach knapp drei Jahren Bürgerkrieg in Madrid einrückten. Republik und Demokratie waren endgültig Geschichte. Es sollte eine der blutigsten Etappen in der spanischen Geschichte folgen. Rund 200.000 Demokraten, Linke und Gewerkschafter wurden gejagt, ohne Gerichtsverfahren erschossen und irgendwo verscharrt. Die Diktatur dauerte fast 40 Jahre.
Die Empörung über das Video ist groß. Sozialisten, die linksalternative Podemos sowie Parteien aus dem Baskenland und Katalonien fordern nun das Verbot der Stiftung. Sie stelle „ein Attentat auf die Würde der Opfer“ dar und „verbreite Hass“. „In Deutschland oder Italien wäre eine ‚Hitler-Stiftung‘ oder eine ‚Mussolini-Stiftung‘ undenkbar“, heißt es in einer Onlinepetition gegen die FNFF, die bisher über 230.000 Menschen unterzeichnet haben.
Das Ziel der 1976 gegründeten FNFF ist ganz offiziell „die Projektierung der Ideen“ des Diktators „auf die Zukunft des Lebens in Spanien“, „die Figur Franco zu loben“ und „sein Erbe zu wahren“. Der spanische Staat unterstützt die Stiftung, der mit Juan Chicharro ein General im Ruhestand und ehemaliges Mitglied des königlichen Stabs von Juan Carlos I. vorsteht, dabei. Spenden können von den Steuern abgesetzt werden. Die Franco-Stiftung ist als gemeinnützig anerkannt. „Die Leute können denken, was sie wollen, aber der Staat kann nicht die Finanzierung einer Organisation ermöglichen, deren Arbeit darin besteht, einen Diktator zu verherrlichen“, beschwert sich Emilio Silva, Gründer der Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH). „Es ist unverständlich, dass eine solche Organisation als gemeinnützig eingestuft wird“, sagt er. Seine ARMH, die die Interessen der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur verteidigt, hat hingegen zweimal die Gemeinnützigkeit beantragt – erfolglos.
Bis heute ziert ein Triumphbogen zu Ehren jenes 1. April 1939 eine der Zufahrten zur spanischen Hauptstadt Madrid. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt die Universität Complutense, an der Juan Carlos Monedero Politikprofessor ist. „Die Stiftung Francisco Franco verherrlicht den größten Mörder, den Spanien je gesehen hat“, schreibt der Mitbegründer der linksalternativen Podemos in seinem Blog „Comiendo Tierra“ (Deutsch: „In den Dreck beißen“). „Im neuen Haushalt der PP, der von Ciudadanos unterstützt wird, finden sich null Euro für die Exhumierung der Opfer“, kritisiert er. Rajoy streicht im achten Jahr in Folge alle Zuwendungen für die Suche nach den mehr als 100.000 noch immer Verschwundenen , die seit dem Bürgerkrieg und den ersten Jahren der Diktatur in Massengräbern und Straßengräben liegen. Während die Opfer leer ausgehen, finanziert der Staat auch die Renovierung des Grabmals des Diktators, eine in Fels gehauenen Kathedrale bei Madrid, mit 1,8 Millionen Euro.
Amnestie aufheben
Spaniens Konservative wollen von Vergangenheitsbewältigung nichts wissen. Doch auch die Sozialisten gingen bisher zaghaft mit dem traurigen Erbe Spaniens um. Erst vor wenigen Wochen stimmte die PSOE gegen die Zulassung einer Parlamentsdebatte auf Antrag von Podemos, die zum Ziele hatte, die Amnestiegesetzgebung aus dem Jahr 1977 für die Schergen des Franco-Regimes außer Kraft zu setzen. Die Amnestie sei „eine der Stützpfeiler des Übergangs zur Demokratie“ und deshalb unantastbar, begründeten die Sozialisten ihre Haltung.
Der größte Beitrag der Sozialisten zur Vergangenheitsbewältigung ist das Gesetz zum historischen Gedenken aus dem Jahr 2007 des damaligen Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Auch wenn es den Staatsstreich von 1936 und das Franco-Regime nicht ausdrücklich als rechtswidrig bezeichnet, wurde endlich der Opfer gedacht. Es flossen – bis Rajoy an die Regierung kam – öffentliche Gelder, um nach Massengräbern zu suchen. Und viele nach Franco und seinen Anhängern benannte Straßen wurden seither umbenannt.
Doch PP und Ciudadanos stimmen auch immer wieder gegen solche Namensänderungen. Sie würden die Bevölkerung entzweien, heißt es. Die FNFF bemüht gern Gerichte. Nicht immer mit Erfolg, wie der Fall der Hauptstadt Madrid zeigt. Die Richter gaben Bürgermeisterin Manuela Carmena recht. 52 Straßen werden dieser Tage umbenannt.
„Beim Übergang zur Demokratie gab es keinen Konsens, sondern der moderate Teil des Franco-Regimes zwang der demokratischen Opposition bestimmte Grenzen auf“, schreibt Cándido Marquesán Millán, Autor der gewerkschaftsnahen Onlinezeitung Nueva Tribuna. Diktator Francisco Franco starb am 20. November 1975 im Alter von 82 Jahren friedlich im Bett – ein Privileg, das vielen Hunderttausenden seiner Gegner nicht zu Teil wurde.
Ein Bruch blieb aus
„Festgezurrt und gut festgezurrt“, hinterließ Franco sein Land. König Juan Carlos I. der fortan Staatschef war, hatte noch unter dem „Generalísimo“ Treue auf die Werte der Diktatur geschworen. Ein radikaler Bruch blieb aus. Stattdessen kam die „Transición“, der langsame Übergang zur Demokratie. Wer einflussreich war, blieb es auch danach. Viele Anhänger und hohe Funktionäre der Diktatur fanden ihre neue politische Heimat in der Alianza Popular von Francos Informationsminister Manuel Fraga Iribarne, aus der später die Partido Popular (PP) des heutigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy hervorging. Das biografische Lexikon der Königlichen Akademie für Geschichte hält Franco und sein Regime bis heute für „autoritär, aber nicht totalitär“. Franco sei „schnell berühmt“ geworden, „dank seines kalten Mutes auf dem Schlachtfeld“, steht da. Massenmord und Repression werden ausgespart.
„Franco wurde immer als genügsamer Mann, der sich nichts aus Geld machte, dargestellt“, beschreibt der Historiker Ángel Viñas einen anderen Mythos, der sich an vielen Geschichtsfakultäten hält. Viñas widerspricht dem in seinem Buch „Das andere Gesicht des Caudillo“. Tatsächlich wurde der Diktator in kurzer Zeit vom Habenichts zum Multimillionär. Der „Caudillo“ (Führer) und sein Umfeld bereicherten sich, wo es ging, ließen sich großzügige „Geschenke“ machen.
Wie etwa ein historisches Landgut in seiner Heimat Galicien, den Pazo de Meirás. Die Immobilie gehört bis heute der Franco-Familie. Einmal die Woche führt die FNFF dort ihre revanchistischen Führungen durch. Forderungen, man möge den Pazo enteignen, liefen bislang ins Leere. Ebenso wie jene, der Familie Franco den Herzogtitel wieder abzuerkennen. Der wurde ihr erst 1975, sechs Tage nach dem Tod des Diktators, von König Juan Carlos I. verliehen.
„Der Titel führt zu keinerlei Privilegien“, erklärt Justizminister Rafael Catalá anlässlich einer parlamentarischen Fragestunde. Es sei ein „reiner Ehrentitel“.
„Ehrung der Straffreiheit in einer entführten Demokratie“, urteilt daraufhin ARMH-Chef Emilio Silva erbost.
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