Fränkische Esskultur: Hier geht es immer um die Woorschd
Ob dick oder dünn, ob grob gewolft oder fein gekuttert: Gebratene Wurst ist in Franken ein Grundnahrungsmittel. Doch woran erkennt man eine gute?

D ie Spezialitäten der hiesigen Gegend sind der gebackene Karpfen und Schäuferla, Schweineschulter aus dem Ofen. Aber noch wichtiger ist zwischen Nürnberg und Würzburg die Bratwurst oder wie man hier sagt: die Bradwoorschd. Selbst an einem windigen Würstlstand auf irgendeinem Supermarktparkplatz findet man sie von einer Qualität, die anderswo ihresgleichen sucht. In Franken freilich ist die Güteskala nach oben noch weit offen.
Und genauso verhält es sich mit der Diversität. Ob kurz oder lang, ob dick oder dünn, ob grob gewolft oder fein gekuttert, die Vielfalt ist enorm. Grundlage ist selbstverständlich Schweinefleisch, aber auch Rind, Schaf oder Wild können mit ins Brät wandern. Nur was die Würzung angeht, ist man in Franken konservativ: Ohne Majoran geht hier kaum eine Fülle in den Wurstdarm.
Zur Kultur gehört auch, dass der Bratwurst hier unablässig Denkmäler gesetzt werden. Nicht weit von hier in Geiselwind steht auf dem Marktplatz die Statue eines schwedischen Generals aus dem Dreißigjährigen Krieg mit einer Wurst in der Hand. Es geht die Sage, weil ihm dieselbe von einer schwarzen Katze weggeschnappt worden sei, habe er den Ort verschont.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
In die andere Richtung, in Iphofen, kann man an einer Tankstelle 24 Stunden Bratwürste eines der angesehensten Metzger der Region aus einem Automaten neben den Benzinsäulen ziehen. Und klar: Wer etwas auf die Bratwurst hält, hat auch ein Reinheitsgebot parat. Ansbach etwa ist stolz, auf eines der ältesten zurückzublicken. 1481, noch vor dem Bierreinheitsgebot, legte der Rat der Stadt die Menge der Gewürze fest, die dem Wurstbrät beigemengt werden dürfen.
Kaum verwunderlich also, dass in der Küche meines Gasthauses eine stattliche Wurstspritze steht. Aus einem Zylinder mit 10 Kilo Fassungsvermögen presst man das Brät mittels einer schweren Kurbel durch eine Tülle in den Schafsaitling. Ich mache meine Bratwürste aus Wildschwein, statt Majoran verwende ich Fenchel und Chili als Würze, nach Art italienischer Salsicce. Das Kurbeln sollte man zu einer meditativen Angelegenheit werden lassen, habe ich gelernt. Dann werden die Würste am gleichmäßigsten und laufen auch keine Gefahr, in der Pfanne zu platzen.
Und woran erkennt man nun eine gute Wurst? Meiner Ansicht nach am mäßigen Salzgehalt, die meisten Bratwürste sind aus Haltbarkeitsgründen viel zu salzig. Untrüglich ist aber der Senf-Beweis. Bedeutet, dass die Wurst gegen die eigentliche Absicht kein einziges Mal in den Klecks Senf auf dem Teller gedippt worden ist. Passiert mir das, habe ich eben eine wirklich gute Bradwoorschd vertilgt.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza