Frachtschiff vor Gibraltar: Umweltkatastrophe droht
Die seit August vor Gibraltar festliegende "New Flame" ist gesunken. Zwei Ölteppiche haben schon den Küstenstreifen erreicht. Und die Schwermetallfracht droht das Meer zu vergiften.
MADRID taz Der Küste rund um die südspanische Hafenstadt Algeciras droht eine Umweltkatastrophe. Der Frachter "New Flame" versank am Montag fast vollständig im Meer. Das panamesische Schiff war bereits im August schwer beschädigt worden, als es nach der Ausfahrt aus dem Hafen der britischen Kronkolonie Gibraltar mit einem Tanker zusammenstieß. Seither lag es vor der Küste fest. Jetzt verlor es während eines Unwetters endgültig den Kampf gegen das Meer. Nur noch der obere Teil des Schornsteins ragt aus den Wogen.
Zwei große Ölteppiche haben bereits die Küste erreicht und verseuchen dort mehr als einen Kilometer Strand. Es ist das siebte Mal, dass Öl und Diesel aus dem Frachter anschwemmen. Spezialkräfte kämpfen gegen die Verschmutzung an.
Doch schlimmer als der Treibstoff ist die Gefahr, die von der Fracht ausgeht. Die "New Flame" hat 42.000 Tonnen Schrott geladen. "Das kann eine Umweltkatastrophe ersten Ranges provozieren", befürchtet der örtliche Sprecher der spanischen Umweltorganisation Ecologistas en Acción, Antonio Muñoz: Es handelt sich um alte Auspuffrohre, die mit Schwermetall verseucht sind. Die Meeresströmung könnte die Ladung über die gesamte Meerenge von Gibraltar und bis weit hinein ins Mittelmeer verteilen. Die Schwermetalle würden von Meerestieren und Fischen aufgenommen und so in die Nahrungskette gelangen.
"Wir wissen nicht genau, was sich außer den Auspuffrohren noch an Bord befindet", erklärt Muñoz. Er befürchte aber, dass es in der Ladung auch radioaktives Material gibt. Die Behörden in Gibraltar halten sich bedeckt. Zuerst war nur von 26.000 Tonnen Schrott die Rede, erst nach und nach kam die aktuell genannte Menge von 42.000 Tonnen heraus. Das spanische Umweltministerium bestreitet den Verdacht, dass sich auch radioaktive Abfälle an Bord des Unglücksschiffs befinden könnten. Allerdings stehen die Ergebnisse genauerer Untersuchungen noch aus.
Gibraltar hatte sich trotz aller Kritik bis zuletzt geweigert, spanische Techniker zu den jetzt endgültig gescheiterten Bergungsarbeiten hinzuzuziehen. Die Spezialisten aus der britischen Kronkolonie hatten versucht, den lecken Frachter zu demontieren. Spanien hatte allerdings auch nichts unternommen, um eine gemeinsame Kommission einzurichten. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Kronkolonie und Madrid sind seit je angespannt, denn Spanien erkennt Gibraltar international nicht an.
Auch am Montag bestritten die Behörden in Gibraltar das Offensichtliche. Nur ein Teil des Schiffes sei untergegangen, hieß es. Die Ölteppiche könnten nicht von der "New Flame" stammen, deren Tanks seien längst leer.
REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt