Fotograf über Kolonialismus-Ausstellung: „Lange ein blinder Fleck“
Das Gestrige im Heutigen: Kai Löffelbeins Ausstellung „Echo Echo – Hannover kolonial“ setzt sich mit dem kolonialen Erbe der Stadt auseinander.
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taz: Herr Löffelbein, Sie setzen sich mit dem Erbe Hannovers aus der Kolonialzeit auseinander. War es schwer, da fündig zu werden?
Kai Löffelbein: Die kolonialen Spuren sind in Hannover nicht ganz so rasch sichtbar wie in Berlin oder Hamburg. Aber genau das war zugleich spannend – denn natürlich gibt es sie.
Dinge wie den Gedenkstein für den Kolonialisten Carl Peters, heute zum Mahnmal umgewidmet?
Der stand ursprünglich auf dem Carl-Peters-Platz, der seit den späten 1980ern Bertha-von-Suttner-Platz heißt, durch eine Bürgerinitiative. Das zeigt: Der Fokus auf dieses Thema ist nicht ganz neu.
Sie sind für Ihre Ausstellung zum Detektiv geworden?
Es war eine intensive Recherche. Natürlich war ich auch im ethnologischen Depot des Landesmuseums. Das Museum hat eine eigene Personalstelle für Provenienzforschung.
Derzeit ist im Historischen Museum die Ausstellung „Von goldenen Kutschen und kolonialer Vergangenheit. Hannover, England und die Sklaverei“ zu sehen. Liegt das Thema in Hannover im Trend?
Der Eindruck stimmt. Eine Bewegung wie Black Lives Matter hat da wirklich Vorschub geleistet. Gerade Menschen jüngeren Alters beschäftigt das Thema stark. „Von goldenen Kutschen“ beleuchtet die vorkoloniale Zeit und endet, wo mein Thema anfängt: der deutsche Kolonialismus ab dem späten 19. Jahrhundert.
Was ist Ihre Motivation für „Echo Echo“?
Dass der Kolonialismus lange ein blinder Fleck war, selbst im Akademischen. Viele Hannoveraner verkennen bis heute, dass es auch in ihrer Stadt Persönlichkeiten gab, die eine bedeutende Rolle im deutschen Kolonialismus gespielt haben. Rudolf von Bennigsen zum Beispiel, der als Gouverneur in der Südsee sehr sadistisch geherrscht hat.
In Hannover gibt es einen Savannenweg, eine Windhukstraße. Was sagt es über die Stadtgesellschaft, dass diese Straßennamen noch immer existieren?
Das „Afrikaviertel“, das sie prägen, entstand in der NS-Zeit, in romantisierendem Kolonialrevisionismus, in Bezug auf den Gedanken von Volk und Raum. Vielen bedeuten diese Namen heute nichts mehr, sie werden nicht mit etwas Negativem verknüpft. Aber ich verstehe das als mental mapping. Da findet Heroisierung statt. Man sollte sich fragen, ob man Straßen wie diese nicht besser umbenennt.
Sie waren auch im Zoo, in der Themenwelt „Sambesi“. Was hat Sie da besonders interessiert? Der klischeehafte Strohhütten-Kraal?
Das sind ausgedachte, pittoreske, stark exotisierende, simplifizierende Szenerien, wie man sich das „wilde Afrika“ vorstellt. Ich finde das problematisch. Nicht zuletzt deshalb, weil auch der Zoo Hannover früher „Völkerschauen“ ausgerichtet hat.
Auch in Afrika waren Sie unterwegs – auf den Spuren des deutschen Kolonialismus?
Vergangenes Jahr war ich zweieinhalb Monate in Namibia. Das war ein Versuch, dem Gestern im Heute nachzuspüren, den Auswirkungen der deutschen Gewaltherrschaft.
Wie steht es in Hannover um die Aufarbeitung des Kolonialismus?
Ausstellung „Echo Echo – Hannover Kolonial“: bis 30. 4., Hannover, Galerie für Fotografie
Führung mit Kai Löffelbein: Do, 13. 4., 19 Uhr
Gespräch mit Kai Löffelbein, Claudia Andratschke (Landesmuseum Hannover, Netzwerk Provenienzforschung), Tchadarou Abdoul (Generation Postmigration e. V.), Jens Binner (Zeitzentrum Zivilcourage); Moderation: Hanna Legatis: Do, 20. 4., 19 Uhr
Ich bin immer wieder erstaunt, wie stark Menschen darauf beharren, dass man Straßen nicht umbenennt. Sieben Jahre lang hat ein Ehepaar vor Gericht darum gestritten, dass die Lettow-Vorbeck-Allee in Hannover-Badenstedt nicht umgetauft wird, benannt nach einem Generalmajor der Ostafrikafeldzüge. Total verrückt. Heute heißt sie Namibia-Allee.
Was die Sache nicht besser macht.
Nein, nicht wirklich.
Was war das am wenigsten zu Erwartende während Ihrer Recherchen?
Spannend war, dass ich auf dem Rittergut Bennigsen fotografieren durfte. Die heutigen Besitzer, nach wie vor die Familie von Bennigsen, haben mir sehr bereitwillig die Türen geöffnet. Die Frage ist ja immer auch: Wie viele Generationen überdauert Schuld in einer Gesellschaft? Auch für mich selbst ist „Echo Echo“ eine Beschäftigung mit eigener Verantwortung.
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