Forstwissenschaftler über Waldbrände: „Reine Zahl der Brände sagt wenig“
Wichtiger als die Anzahl sei die Art der Brände und der betroffenen Wälder, sagt Forstwissenschaftler Rock. Gegeneinander aufwiegen solle man sie aber nicht.
taz: Herr Rock, brennt es in diesem Jahr häufiger als sonst?
Joachim Rock: Das kann man zwar noch nicht abschließend beurteilen, aber mein Eindruck ist schon eine Zunahme. Allerdings sagt die reine Zahl der Brände wenig aus. Wichtiger ist, welcher Wald wie intensiv brennt und welche Fläche betroffen ist. Es ist ein Unterschied, ob sehr dichter und biomassehaltiger Wald brennt oder ein offener, savannenartiger. Während ein Vollfeuer den ganzen Wald umfasst, also vom Boden bis zum Baumwipfel, brennen bei einem leichten Bodenfeuer nur die Krautschicht, Gräser und Streu aus dem letzten Jahr. Das überlebt ein Baum, es entsteht weniger Hitze, es wird weniger Kohlenstoff freigesetzt.
Ein leichtes Bodenfeuer ist nicht so schlimm?
Bei entsprechend angepassten Ökosystemen nicht. Zum Beispiel gibt es Kiefernwälder im Süden der USA oder Eukalyptuswälder in Australien, in denen leichte Waldbrände normal sind. Sie sind sogar vorteilhaft, weil sie die in der Streuauflage festgesetzten Nährstoffe wieder freisetzen. Sie wirken wie Dünger. Andere Wälder vertragen solche Feuer nicht, Eukalyptus- oder Kiefernplantagen in Portugal etwa. Dabei sterben die Bäume ab, der größte Teil der Biomasse bleibt oft als Holzkohle und Totholz liegen. Und wenn in Malaysia der Regenwald samt Torfboden brennt, wie vor einigen Jahren, dann haben wir ganz andere Probleme.
Dann werden Waldbrände klimarelevant?
Wenn Torfböden brennen, werden große Mengen Treibhausgas freigesetzt. In den nördlichen Wäldern kommt hinzu, dass der Permafrostboden auftauen kann, dann ändert sich der Wasserhaushalt, das sehr klimaschädliche Methan wird freigesetzt. Das kann größere Auswirkungen haben, als wenn Biomasse, also Stämme, Äste und Blätter, in Wäldern abbrennt.
Welche Waldbrände sind für den Arten- und Klimaschutz besonders schädlich?
ist promovierter Forstwissenschaftler und arbeitet am Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde
Man sollte verschiedene Wälder nicht gegeneinander stellen. Egal, ob die borealen Nadelwälder in Sibirien brennen oder der Regenwald im Amazonas – beides sind an den jeweiligen Ort angepasste Ökosysteme. Abgesehen davon sind die Wälder am Amazonas auch nicht einheitlich, sie unterscheiden sich in Struktur und Biomasse.
Wie wichtig ist es, nach einem Brand aufzuforsten?
Abgebrannte Flächen sollten wieder aufgeforstet werden. Das Klima lässt sich damit allerdings nicht retten. Um die Klimaziele zu erreichen, bräuchten wir in kürzester Zeit einen enormen Zuwachs an Biomasse. Dazu haben wir weder die Fläche, noch das Pflanzgut, noch kann das System Wald das leisten. So schnell wachsen Bäume nicht.
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