Forschungsfabrik für Autobatterien: Ohne Konzept und Kunden

Die Industrie ist mit der Forschungsfabrik für Autobatterien von Ministerin Karliczek unzufrieden. Sie kritisiert: Die Anlage kommt viel zu spät.

Schnittmodell einer Lithium-Ion-Batterie bei einer Automobilausstellung

Darum gehts: Schnittmodell einer Lithium-Ion-Batterie bei einer Autoausstellung 2020 in Brüssel Foto: Sebastian Geisler/imago-images

BERLIN taz | Der Streit um die Forschungsfabrik für Batteriezellenfertigung (FFB) in Münster nimmt kein Ende. Es ist eines der größten Anwendungsprojekte, das Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in ihrer Amtszeit angeschoben hat: Mit 700 Millionen Euro soll die Antriebsproduktion für Elektroautos wissenschaftlich vorbereitet werden. Anfangs sorgte die geografische Nähe des Vorhabens zu Karliczeks Wahlkreis für politischen Stress.

Jetzt sind die Industrievertreter mit den Forschern überkreuz, und die Fraunhofer-Gesellschaft errichtet die Fabrik allein. Zudem hat sich mit dem eingesetzten Boom der Elektromobilität das Umfeld radikal gewandelt: Für die deutschen Autobauer im harten Konkurrenzkampf kommt der staatliche Forschungsvorlauf viel zu spät.

Der Frust auf Industrieseite über den schleppenden FFB-Beginn wurde Anfang Dezember bei einem internen Workshop des Projekts offen ausgesprochen. Die Forschungsfabrik sei zu weit weg vom Marktgeschehen, und es drohe die Gefahr, „Forschung als Selbstzweck“ zu betreiben, heißt es in einem Protokoll der Sitzung, das dem Tagesspiegel zugespielt wurde. Die Anlage komme zwei Jahre zu spät. Zudem habe Fraunhofer das Projekt „gekapert“ und mache nun damit, was es wolle, an den potenziellen Anwendern vorbei, ohne Konzept und ohne Kunden. „Dem Ding gehört der Stecker gezogen“, war eine prägnante Kritik aus der Branche.

Die Folge war, dass das BMBF noch im Dezember den mit Industrievertretern besetzte „Betreuungskreis“ der Forschungsfabrik auflöste und durch einen Beirat ersetzte, der aus Experten der Fraunhofer-Gesellschaft gebildet wurde – ebenjener Forschungsorganisation, die auch mit dem Aufbau der Fabrik beteiligt war.

Wenige Wochen später, Mitte Januar, musste der Geschäftsführende Leiter der FFB, der Fraunhofer-Mann Fritz Klocke, bekennen, dass die Industriekritik nicht aus der Luft gegriffen war. Um „mindestens drei Jahre“ werde sich der Betriebsbeginn der Fabrik verschieben, teilte Klocke in einem Schreiben an die Forschungsministerien in Berlin und Düsseldorf mit, aus dem der Blog des Wissenschaftsjournalisten Jan-Martin Wiarda jetzt zitierte. Die industrienahe Forschungsfertigung, heißt es dort, werde „kaum vor dem Jahr 2027 möglich“ sein.

Bis dahin wird sich die Welt der Batterietechnik komplett gedreht haben. Die Autobranche investiert derzeit Riesensummen, Allein der VW-Konzern will in Europa bis 2030 sechs Zell­fa­bri­ken mit einer Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden (GWh) errichten. Kosten pro Fabrik: rund 3 Milliarden Euro.

Auch andere Autobauer wie Tesla und Daimler planen eine eigene Fertigung von Batteriezellen, ebenso Akteure aus der Energiebranche. So baut die chinesische Firma SVolt eine 24-GWh-Fabrik in Saarbrücken. Wer wird die Ergebnisse der Münsteraner Batteriefabrik dann noch haben wollen, wenn sie dereinst vorliegen? Langsame Forschung für eine schnelle Technik, das passt nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.