Forschung zu Asteroiden-Einschlägen: Unvorstellbare Kraft
Wenn Asteroiden auf die Erde treffen, verwandeln sie Stein in Glas. Ein Forschungsteam hat am Hamburger Desy untersucht, wie das funktioniert.
Ab und zu kracht einer dieser Asteroiden auf die Erde. Vor 66 Millionen Jahren vernichtete einer von ihnen 75 Prozent der auf der Erde lebenden Arten, inklusive der Dinosaurier. Am 15. 2. 2013 durchschlug ein 12.000 Tonnen schwerer Asteroid die Oberfläche eines gefrorenen Sees nahe der russischen Stadt Tscheljabinsk. Die entstandene Druckwelle zerstörte Fensterfronten und brachte ein Fabrikdach zum Einsturz.
Und obwohl die Größe und Kraft dieser Asteroiden unvorstellbar sind, haben es Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (Desy) in Hamburg jetzt geschafft, das Verhalten von Asteroiden auf winziger Ebene zu untersuchen – anhand von nur 0,1 Millimeter großen Proben.
Damit lösen die Forschenden ein „60 Jahre altes Rätsel“, wie es in der Pressemitteilung zur Studie heißt. So lange schon ist bekannt, dass Asteroiden das Gestein der Erde verändern, wenn sie dort einschlagen. Der hohe Druck bewirkt, dass sich im Erdgestein Glas bildet. Deshalb können Forscher*innen auf der ganzen Welt alte Asteroidenkrater erkennen.
300.000 Kilometer pro Sekunde
Es ist also schon länger klar, was das Ergebnis eines Asteroideneinschlags ist. Bisher fehlten jedoch Untersuchungen darüber, wie sich das Glas in dem Gestein bildet. Das Forschungsteam aus Hamburg und Jena hat diesen Prozess nun schrittweise in Experimenten begleitet.
Asteroiden und Meteoriten unterscheiden sich vor allem durch ihre Größe. Meteoriten sind nicht groß genug, um auf der Erde Schaden anzurichten. Beide bestehen aber aus Gestein. Kometen wiederum bestehen vor allem aus Eisen, sind aber ebenfalls extrem schnell.
Seit 2016 haben die Forschenden an der Studie gearbeitet. Die Experimente wurden im Desy in Hamburg durchgeführt. Ein Synchrotron ist ein riesiger Teilchenbeschleuniger, im Fall des Desy eine 300 Meter lange luftleere Betonröhre, in der Röntgenteilchen durch die Gegend geschleudert werden, mit 300.000 Kilometern pro Sekunde. Die Teilchen werden mithilfe von Radiowellen angeschubst und dann mit Magneten auf ihrer Bahn gehalten. Die Röntgenstrahlung ist dadurch viel stärker als die im Krankenhaus und kann zum Beispiel für Experimente zu Asteroideneinschlägen genutzt werden. Je stärker die Strahlung ist, desto mehr Details kann sie zeigen – auch winzige Veränderungen in Mineralien.
„Letztendlich haben wir zehn bis 15 perfekte Messungen gemacht“, sagt Falko Langenhorst, „aber dafür waren vorher viele Tests notwendig.“ Langenhorst ist Professor für Mineralogie in Jena und einer der Autoren der Studie neben Doktorand Christoph Otzen und Hanns-Peter Liermann vom Desy.
0,1 Millimeter Durchmesser
Die „perfekten Messungen“ liefen folgendermaßen ab: Zunächst frästen die Forscher winzige Stücke aus Quarz heraus – mit einem Durchmesser von etwa 0,1 Millimetern. Das Stück passt nun in das Loch in einer Metallfolie. Dann trifft von oben ein Röntgenstrahl auf den Quarz. Unten befindet sich ein Detektor, der den Röntgenstrahl etwa einmal pro Sekunde aufzeichnet, wenn er auf der anderen Seite wieder herauskommt. Rechts und links an dem Stückchen werden Diamanten befestigt. Druckluft presst die Diamanten gegen den Quarz – diesen Aufbau nennt man Diamantenstempelzelle.
Die Forscher erhöhen dann nach und nach den Druck auf den Quarz. Dadurch verändert sich im Inneren des Quarzes die Struktur, sodass der Röntgenstrahl jeweils anders abgeleitet wird. Eine Messung dauert ein bis zwei Minuten, jede Sekunde davon zeichnet der Detektor auf.
Das Ergebnis: Wenn Quarz unter großen Druck gerät wie bei einem Asteroideneinschlag, dann kollabiert die atomare Struktur des Gesteins, und es wird zu Glas. Dabei verliert es nie seine feste Gestalt. Zwischen Glas und Gestein gibt es aber eine bisher unbekannte Zwischenstufe. Lockert sich nämlich der Druck auf das Gestein, kehrt es zu seiner ursprünglichen Form zurück.
Metastabile Phase
Diese Zwischenphase nennen die Forscher metastabile Phase. „Das kann auch für technische Anwendungsgebiete interessant sein“, sagt Langenhorst. Die Stoffe könnten vielleicht andere Eigenschaften aufweisen, wenn sie in diesem Zustand seien – bessere elektronische Leitkraft zum Beispiel. Und die Ergebnisse lassen sich möglicherweise auf andere Materialien übertragen, denn verschiedenste Stoffe können so eine Zwischenstufe ausbilden – auch Eis.
Das Fachgebiet von Langenhorst, die Geowissenschaft, könnte ebenfalls von den Entdeckungen profitieren. Bisher war es so, dass Glas im Quarz geholfen hat, alte Asteroidenkrater zu finden. Wenn jetzt andere Mineralien auf die gleiche Art getestet werden, könnten auch bisher unbekannte Krater gefunden werden. Damit ließe sich die Geschichte der Erde noch besser rekonstruieren.
Aber das alles stehe nicht im Vordergrund, sagt Langenhorst. „Unsere Entdeckung war vollkommen unerwartet, und deshalb kann ich über den zukünftigen Nutzen nur spekulieren. Für uns stand erst einmal der Erkenntnisgewinn im Vordergrund.“
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