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Forderung nach PartizipationsgesetzMehr Vielfalt in der Verwaltung

Linkspartei, SPD und Grüne fordern ein Partizipationsgesetz nach der Wahl – und müssen auf die FDP hoffen.

Gökay Akbulut hofft ausnahmsweise auf die FDP Foto: imago

Berlin taz | Vor zehn Jahren hat sich die Bundesregierung in ihrem Nationalen Aktionsplan Integration zum Ziel gesetzt, den Anteil von „Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst“ zu erhöhen. Viel passiert ist seither nicht. Aktuell haben nur rund 12 Prozent der Beschäftigten in der Bundesverwaltung eine Einwanderungsgeschichte. In den Kommunen waren es laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zuletzt gerade mal 6 Prozent.

„Schöne Worte allein reichen nicht“, sagt die integrationspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Gökay Akbulut. Sie fordert ein Partizipationsgesetz, das der Bundesverwaltung verbindliche Vorgaben macht. Ein entsprechendes Positionspapier hat Akbulut soeben vorgelegt. Nach der Bundestagswahl soll daraus ein Gesetzesentwurf erarbeitet und in den neuen Bundestag eingebracht werden.

Laut dem Papier, das der taz vorliegt, sollen bei ausgeschriebenen Stellen so viele Menschen mit Migrationsgeschichte eingeladen werden, wie es dem Anteil der Bevölkerung entspricht – aktuell 26 Prozent. Außerdem sollten Bewerbungsverfahren anonymisiert werden und Partizipationsbeauftragte über die Gleichbehandlung aller Be­wer­be­r:in­nen und Mit­ar­bei­te­r:in­nen wachen. Zudem müsse ein Partizipationsgesetz auch jene von Diskriminierung Betroffenen berücksichtigen, auf die das Label „Migrationshintergrund“ nicht zutreffe.

Die Forderung nach einer festen Quote, wie sie die Parteikollegin und Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach Anfang des Jahres ins Spiel brachte, stellt Akbulut in dem Positionspapier nicht auf. Sie schließt die Quote aber auch nicht aus: „Das Entscheidende ist, dass wir verbindliche und überprüfbare Maßnahmen ergreifen, damit die Verwaltung die Vielfalt der Bevölkerung endlich besser widerspiegelt“, sagte Akbulut der taz. Das müsse aber keine Quote sein.

Mehrheit für Quote unsicher

Ob sich dafür eine politische Mehrheit finden ließe, darf jedoch bezweifelt werden. Die Union ist dagegen. Mit den Grünen, die in ihrem Wahlprogramm ein Partizipations- und Teilhabegesetz versprechen, wäre eine Quote zu machen. Die integrationspolitische Sprecherin im Bundestag, Filiz Polat, bezeichnete sie gegenüber der taz gar als „Herzstück“ eines entsprechenden Gesetzes.

Auch die SPD hat laut der Linken-Abgeordneten Akbulut Zustimmung signalisiert. In ihrem Wahlprogramm verspricht die Partei ein „Partizipations- und Integrationsgesetz, das staatliche Institutionen zu einem Prozess der interkulturellen Öffnung verpflichtet“. Allerdings ist die Quote in der SPD umstritten. In Berlin hat der rot-rot-grüne Senat das Partizipationsgesetz letztlich ohne fixe Quote verabschiedet, weil die SPD verfassungsrechtliche Bedenken hegte. Trotzdem lobt es Gökay Akbulut als „Modell“ für ein Bundesgesetz.

Bleibt die Frage, wie Grüne, SPD und Linke bei der Bundestagswahl abschneiden. In Umfragen kommen die drei zusammen nur knapp über 40 Prozent. Gökay Akbulut hofft auf die FDP. „Ich bin zuversichtlich, dass die Liberalen einem Partizipationsgesetz zustimmen“. Das Wahlprogramm gibt dazu wenig Anlass. Beim Thema Diversität heißt es: „Statt starrer Quoten setzen wir uns für Selbstverpflichtungen ein.“

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5 Kommentare

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  • Die Analyse ist Unsinn.



    Die meisten MA sind alt und lange da.



    Logischerweise spiegelt das die Struktur vor 30-40 Jahren wieder.



    Relevant zur Feststellung einer Benachteiligung wäre die Verteilung bei aktuell Eingestellten.



    Im allgemeinen fehlen in Verwaltungen Leute, weil sie schlecht zu kriegen sind. Da braucht es v.a. die Motivation für die qualifizierten Migranten, sich zu bewerben…

  • Das Prinzip, Stellen nach irgendwelchen Quoten zu besetzen und ein anonymisierter Bewerbungsverfahren schließen sich eigentlich aus. Um das zu umschiffen dann noch zusätzliche Beauftragtenstellen zu schaffen, scheint mir ein bisschen absurd.



    Ein grundlegendes Problem mit Quoten ist ja auch, dass man dafür klar definierbare Gruppen braucht. Das ist schon bei Geschlechterquoten nur mit einer eigentlich veralteten Vorstellung von eindeutigen, binären Geschlechtern möglich, wo Migrant, behindert, queer oder für was man sonst noch alles Quoten will, anfängt oder aufhört, ist doch überhaupt nicht definierbar.



    Die Idee, nach bestimmten Quoten zu Vorstellungsgesprächen einzuladen, scheint mir nicht sehr realitätsnah. Man muss ja erstmal Bewerber haben, die die passende Qualifikation, Erfahrung etc. haben. Am Ende führt es wahrscheinlich dazu, dass Gespräche mit Bewerbern geführt werden, bei denen schon vorher klar war, dass sie nicht geeignet sind. Das ist auch für die Bewerber Zeitverschwendung

  • Wenn jemand mit einer "Quote" in ein Amt glangt, dann gibt es zwei Möglichkeiten:



    1.) Die Person wäre auch ohne Quote ausgewählt worden. Dann braucht man die Quote nicht.



    2.) Ohne Quote wäre jemand anderes ausgewählt worden.



    Da stellt sich die Frage, warum das so passiert wäre ?



    Wurde die andere Person gewählt obwohl die betreffende Person besser qualifiziert war ? Dann sollte man keine Quote einführen sondern den Auswahlprozess und das Feststellen der Qualifizierung verbessern

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    "Laut dem Papier, das der taz vorliegt, sollen bei ausgeschriebenen Stellen so viele Menschen mit Migrationsgeschichte eingeladen werden, wie es dem Anteil der Bevölkerung entspricht – aktuell 26 Prozent."

    Diese Information sollte noch einmal überprüft werden, weil sie zumindest so, wie sie im Artikel steht, keinen Sinn ergibt: 26% beträgt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Zur Gesamtbevölkerung Deutschlands zählen alle Einwohner Deutschlands unabhängig von der Frage, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Genau die ist aber Voraussetzung für die Einstellung im Öffentlichen Dienst, wenige Ausnahmen gelten nur für Bewerber mit EU-Staatsbürgerschaft.



    Wenn man also einen aussagekräftigen Vergleich erstellen will, muß man sehen, wie hoch der Anteil von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund ist, um diesen dann mit dem Anteil von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes mit Migrationshintergrund an der Gesamtheit des Öffentlichen Dienstes zu vergleichen.

    Kleiner Hinweis: 2019 lag der Anteil von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund bei 13,6%. Die 12% der Angehörigen der Bundesverwaltung, die einen Migrationshintergrund haben, spiegeln diese Anteil also relativ exakt wieder.

    Und damit bleibt die Frage, worüber sich eigentlich aufgeregt wird.

  • Wie wär`s wenn Grüne, SPD und Linke erstmal in ihren Parteien für alle Listen Quoten vorschreiben? Nicht nur alternierend F und M. Sondern auch für Migrant*, Divers*, Leute mit Einschränkungen*, Altersgruppen und mehr. Wird halt etwas unübersichtlich, aber machbar.