Forderung der Grünen: „Kretschmer muss sich entschuldigen“
Nach einem Treffen mit dem ZDF-Team entschuldigte sich der Dresdener Polizeipräsident. Grünen fordern dasselbe vom sächsichen Ministerpräsidenten Kretschmer.
Ein Mann hatte sich vor einer Woche in Dresden an einer Demonstration der AfD und der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung beteiligt und sich lautstark gegen Filmaufnahmen für das ZDF gewehrt. Daraufhin kontrollierte die Polizei das ZDF-Team.
Nach Angaben des Senders stellte dann ein weiterer Pegida-Sympathisant eine Anzeige. Erst nach 45 Minuten konnte das Team wieder seiner Arbeit nachgehen. Ein Videoausschnitt von dem Geschehen löste eine bundesweite Debatte über eine Einschränkung der Pressefreiheit durch die sächsische Polizei aus. Später stellte sich heraus, dass der Mann, der zuerst das ZDF-Team verbal angriff, Mitarbeiter des Landeskriminalamtes ist.
Ministerpräsident Kretschmer hatte in einer ersten Reaktion auf den Vorfall pauschale Anschuldigungen gegen die Polizei zurückgewiesen und mit Blick auf die vom ZDF veröffentlichten Bilder getwittert: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“ Nach ZDF-Angaben entschuldigte sich der Dresdner Polizeipräsident Horst Kretzschmar am Freitag für das Vorgehen der Polizisten.
Polizei will aus Vorfall lernen
Die Dresdener Polizeiführung hatte sich am Freitag mit den betroffenen Journalisten für ein klärendes Gespräch getroffen. Es sollte eine Art vertrauensbildende Maßnahme sein und wurde am Ende Selbstkritik. Polizeipräsident Kretschmar äußerte nach dem Treffen sein Unverständnis darüber, dass die Journalisten so lange nicht ihrer Arbeit hätten nachgehen können. „Ich bedaure diesen Umstand als Polizeiführung außerordentlich und habe zugesichert, dass wir dieses in der Polizei aufarbeiten werden – auch um daraus zu lernen.“
Das ZDF teilte nach dem Gespräch mit, die Polizei habe eingeräumt, dass das ZDF-Team am 16. August viel zu lange festgehalten wurde. Man habe zugesagt, die bisherige Darstellung zu korrigieren. „Wir haben deutlich gemacht, dass der Ablauf falsch dargestellt wurde“, sagte die Moderatorin des Magazins „Frontal 21“, Ilka Brecht.
Grünen-Fraktionschef Hofreiter verlangt eine intensive Aufarbeitung der Vorkommnisse: „Das ist nicht nur ein Fall für die sächsische Landesregierung, sondern auch ein Fall für das Bundesinnenministerium.“ Es gebe Probleme in Teilen der sächsischen Sicherheitsbehörden. „Da wissen manche offenbar auch nicht, wie man bei Demonstrationen mit Journalisten umzugehen hat, hier braucht es eine bessere Fort- und Ausbildung. Auch die Nähe einzelner aus dem Sicherheitsapparat zu Pegida sollte untersucht werden“, forderte Hofreiter.
Politiker fordern Konsequenzen
Der Demo-Vorfall sorgte in der schwarz-roten Koalition in Sachsen für Konflikte. Sachsens SPD-Chef und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig gab der Union indirekt eine Mitverantwortung. Jahrelang habe es eine Verharmlosung rechter Tendenzen in Sachsen gegeben. Nun werde man konfrontiert mit den Auswirkungen „auch der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Bis 2004 hatte die CDU in Sachsen allein die Macht. Der sächsische SPD-Politiker Albrecht Pallas möchte die betroffenen ZDF-Journalisten im Innenausschuss des Landtages anhören, damit sich die Parlamentarier ein komplettes Bild machen können.
Auch auf Bundesebene ist der Fall ein Thema. In Berlin sagte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, die Behörden in Sachsen sollten zügig Klarheit schaffen und mögliche Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen. Sie sprach von einem „Signal für das Land“. Weiter sagte sie: „Wir dürfen nicht wegschauen, wenn sich Mitarbeiter der Landes- und Sicherheitsbehörden von den Grundrechten unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft abwenden.“
Nach Darstellung von Ernst Fricke aus Landshut, Medienrechtler an der Katholischen Universität Eichstätt, ist die Polizei grundsätzlich dazu angehalten, Journalisten bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Das geht etwa aus einer Vereinbarung der Innenministerkonferenz mit dem Presserat hervor. Darin heißt es: „Die Polizei unterstützt bei ihren Einsätzen, auch bei Geiselnahmen und Demonstrationen, die Medien bei ihrer Informationsgewinnung.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau