: Folterprozess: „Lebenslang“ für syrischen Arzt
Alaa M. folterte für das Assad-Regime und lebte in Deutschland. Nun wurde er verurteilt
Wegen tödlicher Folter und Kriegsverbrechen in seiner syrischen Heimat ist ein Arzt in Frankfurt zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zugleich stellte das Oberlandesgericht die besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausschließt.
Verurteilt wurde der Angeklagte, weil er nach Überzeugung des Gerichts zwei Menschen getötet und neun Menschen schwer verletzt hat. Begangen wurden die Taten 2011 und 2012 in Syrien. Für den heute 40-jährigen Angeklagten wurde die Unterbringung in Sicherungsverwahrung verhängt.
Der Vorsitzende Richter Christoph Koller schilderte in der Urteilsbegründung die Taten des Angeklagten Alaa M. im Militärkrankenhaus in der Stadt Homs. Dort habe er zu einer Gruppe Ärzte gehört, die als die „Beseitigungsgruppe“ bekannt gewesen sei. Opfer waren inhaftierte Zivilisten, die der Opposition gegen den damaligen Machthaber Baschar al-Assad zugerechnet wurden.
Der Arzt habe sadistische Neigungen und habe diese bei der Folter ausgelebt. „Der Angeklagte genoss es vor allem, ihm minderwertig und unterlegen erscheinenden Menschen körperliche Schmerzen zu bereiten“, sagte Koller. Der Prozess dauerte knapp dreieinhalb Jahre. Opfer hatten in den Verhandlungen schwerste Misshandlungen geschildert, unter anderem wurde von Schlägen, Tritten und dem Anzünden von Wunden und Körperteilen berichtet.
Koller betonte, ohne den Mut von Zeugen hätte der Tatverhalt nicht aufgeklärt werden können. Das Assad-Regime habe bis zu seinem Sturz versucht, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Trotz Bedrohungen hätten die Zeugen öffentlich von den Geschehnissen berichtet. Die sei sehr bewegend gewesen.
Alaa M. lebt seit zehn Jahren in Deutschland und hatte in mehreren Kliniken als Orthopäde gearbeitet, zuletzt im nordhessischen Bad Wildungen. Im Sommer 2020 wurde er festgenommen – Opfer hatten ihn in einer TV-Dokumentation über die syrische Stadt Homs wiedererkannt. Seitdem saß er in Untersuchungshaft.
Dass sich der Mann wegen Verbrechen in seiner Heimat vor einem deutschen Gericht verantworten muss, liegt am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Es erlaubt, mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen.
Die Anwälte von Alaa M. hatten für den Anklagevorwurf der Tötungen einen Freispruch gefordert. Ihr Mandant sei in dem fraglichen Zeitraum nicht in Homs tätig gewesen. Alaa M. bezeichnete sich als Opfer eines Komplotts. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (dpa)
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