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Foto: Marco Zschieck

Folgen des Ukraine-KriegsExplosive Spuren

Die Ukraine ist mittlerweile das verminteste Land der Welt. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch teuer. Unterwegs mit einem Minenaufräumdienst.

Von Marco Zschieck aus Charkiw

E in lauter Pfiff hallt durch den Kiefernwald 60 Kilometer östlich von Charkiw. Er ist das Signal, dass die Mi­nen­su­che­r:in­nen in dem ehemals von Russland besetzten Gebiet ihre Arbeit unterbrechen. Zehn Minuten Pause. Zwischen den Baumstämmen nähert sich Viktoria Sheleshei. Man kann sie schon von weitem sehen, nicht nur weil sie rund 1,80 Meter groß ist, sondern auch weil sich ihre hellblaue Schutzweste deutlich von den Grün- und Brauntönen der Umgebung abhebt. Sheleshei atmet tief durch und wischt sich Schweißtropfen von der Stirn. Über ihre Aufgabe erzählt sie gern, aber fotografieren lassen will sie sich nicht. Andere möchten ihre Namen nicht nennen, weil sie Verwandte in den von Russland besetzten Gebieten haben.

Die Arbeit ist körperlich anstrengend. Meist knien die Minensucher:innen. Außerdem tragen sie Schutzausrüstung: Eine mit Kevlar gefüllte Weste schützt die Vorderseite des Oberkörpers, eine Verlängerung auch die Leistengegend. Die Schichten aus reißfesten Kunstfaser sollen die Energie von Projektilen oder Splittern aufnehmen und auf eine größere Fläche verteilen. Dazu kommt ein Visier aus Plexiglas, das etwa einen halben Zentimeter dick ist, für Gesicht und Hals.

Die Ukraine gilt inzwischen als das am meisten verminte Land der Welt. Beide Kriegsparteien nutzen Antipanzerminen, Russland auch Antipersonenminen. Letztere können Menschen, die sie berühren, durch die Detonationsenergie und Splitter töten oder verletzen. Antipanzerminen lösen erst bei einem höheren Gewicht aus und enthalten mehrere Kilogramm Sprengstoff, genug, um einen Kampfpanzer durch die Zerstörung seiner Kette zumindest fahrunfähig zu machen.

All diese Minen können nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden. Die überwiegende Menge der Minen hat allerdings die russische Armee gelegt. Sie baut seit ihren Rückzügen im Herbst auf dem linken Ufer des Dnipro und in der Region Charkiw systematisch Verteidigungsstellungen mit Betonhindernissen, Gräben und Minenfeldern aus und versucht sich so an dem eroberten Land festzukrallen. Doch auch schon vor den Rückzügen haben die Invasoren ihre Stellungen vermint. So war es auch in diesem Teil der Region Charkiw.

Wie viele Minen und Sprengfallen auf ukrainischem Boden lauern, ist unbekannt. Schätzungen zufolge sind Gebiete von 175.000 bis zu 300.000 Quadratkilometern betroffen. Das wäre etwa viermal so groß wie Österreich. Antifahrzeugminen gehören zur Kategorie der konventionellen Waffen. Antipersonenminen sind nach internationalem Recht verboten und durch das Ottawa-Übereinkommen von 1997 geächtet, das die Ukraine, nicht aber Russland unterzeichnet hat. Die UNO hat die bevorstehende Minenräumung in der Ukraine mit der Räumung von Sprengstoffen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg verglichen. Der Leiter des UN-Programms für Minenräumung, Paul Heslop, schätzte kürzlich, dass für die kommenden fünf Jahre bis zu 300 Millionen Dollar (275 Millionen Euro) pro Jahr für die Räumung nötig sind.

Je nachdem, wo die Minen und Sprengfallen liegen, haben sie unterschiedliche Folgen. In betroffene Siedlungen können auch dann keine Menschen zurückkehren, wenn die Front längst woanders verläuft. Die Räumung hat Vorrang. Auch landwirtschaftliche Flächen können nicht bestellt werden, solange Minengefahr besteht. Das ist wirtschaftlich ein großer Schaden: Die fruchtbaren Böden haben die Ukraine zu einem der größten Exporteure von Getreide und Mais gemacht. Wenn 30 Prozent davon nicht bestellt werden können, verliert das Land viel Geld und Nahrungsmittelpreise steigen weltweit.

Sheleshei will gegen diese Probleme kämpfen. „Kinder sollten sicher spielen können“, sagt sie. Sie denke dabei vor allem an ihre zwei Neffen. Wenn man die Minen nicht unschädlich mache, können sie noch viele Jahre Menschen töten oder verstümmeln. Die 25-Jährige gehört zu einer Gruppe Minensucher:innen, die in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine arbeiten. Vor Kriegsbeginn hat sie im Einzelhandel gearbeitet.

Nun sucht sie seit Herbst vergangenen Jahres Minen, inzwischen ist sie Teamleiterin. „Ich kann mich hier entwickeln“, sagt sie. Auch wenn die Arbeit anstrengend und gefährlich sei. „Wahrscheinlich werden wir noch viele Jahre damit zu tun haben.“ Sie kommt ursprünglich aus Kyjiw. Zuletzt habe sie am östlichen Stadtrand gewohnt. In der Vorstadt ist auch die Zentrale von Halo Trust, der NGO, für die sie nun arbeitet. Dann schallt wieder ein Pfiff durch den Wald. Die Pause ist vorbei. Viktoria Sheleshei geht zurück an die Arbeit.

Halo Trust ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die seit mehr als drei Jahrzehnten weltweit nach Minen sucht. Die Zentrale ist im schottischen Thornhill. Halo steht für Hazardous Area Life-support Organization. Finanziert wird Halo über Zuwendungen aus einer Reihe von Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, sowie aus privaten Spenden. Große Einsatzgebiete in den vergangenen Jahrzehnten waren Angola, Kambodscha und Afghanistan. In Europa ist Halo Trust beispielsweise im Kosovo und in Georgien tätig gewesen.

Laut Schätzungen sind bis zu 300.000 Quadrat­kilometer betroffen. Das ist etwa viermal so groß wie Österreich

In der Ukraine ist Halo Trust seit 2016 aktiv, um Minen und Munition im Donbass zu suchen. Seit Beginn der russischen Invasion 2022 hat die NGO ihre Arbeit enorm ausgeweitet. Nach eigenen Angaben sind derzeit rund 800 Mit­ar­bei­te­r:in­nen in der Ukraine tätig, davon 30 Prozent Frauen. Weitere werden ausgebildet. Das Basistraining dauert einen Monat. Stellen sind für Gehälter ab 30.000 Hrywnja (derzeit rund 750 Euro) ausgeschrieben, kein schlechter Verdienst in der Ukraine. Neben der Minensuche werden auch Zivilisten über Minengefahren aufgeklärt. Allein von Mitte April bis Mitte Juni habe man 5.000 Landminen gefunden.

Dort wo Viktoria arbeitet, war mal eine Art Ferienresort. Einfache Holzhütten und größere Ferienhäuser ducken sich unter den Bäumen. Am Waldweg sind Sitzbänke um eine Feuerstelle aufgebaut. Es riecht nach dem Harz der Nadelbäume. Am Ufer des Sees gibt es einen Sandstrand.

Es könnte eine Idylle sein, doch die russische Armee hat sie in eine tödliche Falle verwandelt. Hier auf der östlichen Seeseite hatte sie von März bis September 2022 ihre Stellungen, der See schirmte sie von den ukrainischen Soldaten im Nachbarort Petschenihy ab. Als sie abzogen, ließen sie die Minen zurück. „Wir finden hier praktisch alle Arten von Minen in diesem Areal“, erklärt Besart ­Aliçkaj. Er ist der Regionalleiter von Halo Trust. Am häufigsten seien aber Antipersonenminen und vor allem Sprengfallen.

Er zeigt ein Foto. Darauf sieht man eine Splitterhandgranate, die mit einem Plastikriemen an einem Baumstamm etwa einen Meter über dem Boden befestigt ist. Den Stolperdraht kann man auf dem Foto nicht erkennen. „Auch in der Realität so gut wie nicht“, sagt Aliçkaj. Der Draht zündet die Granate, die bei der Explosion tausende Metallsplitter in alle Richtungen verstreut. Je nach Modell können die Splitter aus bis zu 20 Metern Entfernung tödlich sein.

Das sei auch der Grund, warum in diesem Areal immer nur eine Mi­nen­su­che­r:in sich in einem Umkreis von 50 Metern aufhalte. Bisher sei aber alles gut gegangen. Es habe in der Ukraine unter den Mit­ar­bei­te­r:in­nen noch keinen einzigen Verletzten durch Detonationen gegeben. „Sicherheit geht immer vor.“ In der Feriensiedlung bedeutet das, dass gesicherte Wege mit farbigen Holzstöcken markiert sind. Abseits davon darf man sich nicht bewegen. Zwischen ausgebrannten Ferienhäusern breitet er einen Übersichtplan aus. Auf Aliçkajs Karte und im Wald selbst ist alles in Quadrate aufgeteilt, die nun systematisch untersucht werden. An den noch nicht untersuchen Gebieten warnen rote Schilder mit einem Totenschädel und dem Wort „Minen“.

In Petschenihy nahe Charkiw werden häufig Antipersonenminen gefunden. Diese können tödlich sein Foto: Marco Zschieck

Nach dem Abzug der Russen war zuerst die staatliche Katastrophenschutzbehörde DSNS in die Feriensiedlung gekommen. „Das ist der übliche Ablauf.“ Die Behörde entferne auch Minen, allerdings nicht sehr systematisch. „Es geht darum, festzustellen ob für ein Gebiet überhaupt Minengefahr besteht.“ Sichtbare Minen werden dann sofort vor Ort entschärft oder gesprengt. In der Feriensiedlung habe der DSNS allein mehr als 100 Sprengfallen gefunden. Bevor nun wieder Zivilisten in das Gebiet dürfen, müsse aber systematisch gesucht werden. „Auch wir haben seit dem Frühjahr schon mehr als 100 Minen und Sprengfallen entdeckt.“ Und man sei noch längst nicht durch. Die Prozedur sei langwierig. „Wir haben eine Gefahr auf mehreren Ebenen.“ Erst kontrolliere man die Baumstämme, dann den Waldboden, der mit dichtem hohen Gras bewachsen ist. Danach erst könne man nach den Minen im Boden suchen.

Auf dem Gebiet der Ferienanlage sieht man Mi­nen­su­che­r:in­nen in allen Phasen arbeiten. Ein junger Mann kniet auf einem abgemähten Stück Waldboden. Eine etwa einen halben Meter lange Plastiknadel bewegt er langsam vorwärts durch das Gras vor sich und dann langsam nach oben. „Den Stolperdraht kann man nicht sehen, man muss ihn fühlen“, erklärt Aliçkaj. In einem anderen Planquadrat schneidet ein anderer Minensucher das Gras vor sich mit einer Gartenschere kurz. Anschließend kann man die Fläche mit einem Metalldetektor untersuchen. Doch nicht alle Minen bestehen aus Metall. Es gibt welche aus Holz oder Plastik. Manchmal ist nur ein kleiner Draht im Zünder aus Metall. Deshalb müssen die Suchgeräte sehr empfindlich sein.

Gibt es einen Verdacht, muss horizontal gegraben werden. Mit einem Werkzeug, das in der Form einem Eiskratzer für Autoscheiben ähnelt, werden die obersten fünf Zentimeter Erde abgetragen. Findet man nichts, ist die nächste Schicht fünf Zentimeter tiefer dran. „Tiefer als 15 Zentimeter ist in der Ukraine noch keine Mine gefunden wurden“, erklärt Aliçkaj. Es mache keinen Sinn diese tiefer zu vergraben, weil sie dann wahrscheinlich nicht zünden.

Besart Aliçkaj ähnelt in seiner Statur dem ukrainischen Präsidenten Selenski: nicht sehr groß, aber stabil. Khakifarbene Hose, dunkelblaues Polo-Shirt, Sonnenbrille. Er kommt nicht aus der Ukraine, sondern aus dem Kosovo. Vor dem Besuch auf dem Minenfeld sei er am Morgen noch im Fitnessstudio gewesen. „Ich muss in Form bleiben“, sagt er. Vor acht Jahren habe er bei Halo Trust angefangen, als Fahrer. „Ich musste mir mein Psychologiestudium finanzieren.“ Inzwischen hat er einen Masterabschluss und ist bei Halo Trust aufgestiegen.

Antipersonenminen sind nach internationalem Recht verboten. Trotzdem werden sie von Russland in der Ukraine gelegt

Nun mit 27 Jahren hat er den Überblick über eines der größten Einsatzgebiete der NGO. „In der Region Charkiw sind 42 Gemeinden von Minen betroffen.“ Die Arbeit gefällt ihm. „Viel Verantwortung, aber es hilft den Leuten hier.“ Halo Trust ist in der Region nicht die einzige NGO, die Minen sucht, aber die größte. Er spreche absichtlich vom Suchen der Minen, denn selbst unschädlich machen dürfe man die Sprengsätze nicht. Dafür fehlen noch Genehmigungen. „Wenn wir etwas finden, rufen wir den DSNS.“

Aus Charkiw verläuft die Fernstraße M03 Richtung Südosten, teilweise wie eine Autobahn. Sie führt in den Donbass nach Slowjansk, dann weiter nach Bachmut. Je weiter man aus Charkiw auf der Straße fährt, umso häufiger sieht man Zerstörung. Mal sind die Löcher in den Dächern der Dorfhäuser mit Folie abgedeckt, mal sind nur noch verkohlte Außenmauern übrig. Daneben stehen auch völlig intakte Gebäude. Es wirkt zufällig. Teile des Rajons Tschuhujiw waren 2022 rund sechs Monate besetzt. An den Ein- und Ausfahrten der Stadt gibt es Checkpoints der Armee. Neben Betonbarrieren kontrollieren die Soldaten stoisch die Ausweise. Der Wagen mit dem Halo Trust Logo wird oft durchgewunken. Man kennt sich schon.

Besetzt war auch das Dörfchen Mykolajiwka. Es liegt inmitten großer Felder in der sanft welligen Landschaft. Im Hochsommer würde es hier normalerweise aussehen, wie in einer ukrainischen Bilderbuchlandschaft: unten gelbe Getreidefelder, oben blauer Himmel. Wie die Flagge des Landes. Doch in diesem Jahr stehen auf vielen Feldern noch die vertrockneten Sonnenblumen vom Vorjahr, die nie geerntet wurden.

Auf einem Feld neben der schmalen Zufahrtsstraße nach Mykolajiwka steht ein riesiger, rot und schwarz lackierter Mähdrescher. Etwas windschief sieht er aus der Entfernung aus. Die Geschichte zum Fahrzeug erzählt Serhii Kotenko, er ist der Leiter der Militäradministration für die Gemeinde Tschkalowska, zu der auch Mykolajiwka gehört. Er wurde von der Regierung eingesetzt. Der Posten war vakant: Sein Vorgänger habe sich nach Russland abgesetzt, als die ukrainischen Truppen die Gegend befreit haben. „Ein Kollaborateur“, sagt Kotenko.

Der 21-jährige Makysm Moseikin ist acht Stunden am Tag unterwegs, um Minen zu suchen Foto: Marco Zschieck

Der Mann sei auch Chef der örtlichen Agrarfirma gewesen, die auf den Feldern Getreide und Gemüse angebaut und Schweine gezüchtet hat. Im Sommer 2022 habe der versucht, den Winterweizen zu ernten. „Die Russen haben ihm gesagt, er soll 100 Meter von der Straße Abstand halten, haben Dorfbewohner erzählt. Aber er hat sich nicht daran gehalten.“ Zwei Antipanzerminen sind unter der mächtigen Maschine detoniert. Das mannshohe Vorderrad hat es komplett zerfetzt. Die Windschutzscheibe der Fahrerkabine ist eingedrückt und hat Sprünge wie das Muster eines Spinnennetzes. Die Kabine ist rund zwei Meter über dem Boden. Das habe den Mann wohl gerettet, meint Kotenko. Der habe nicht mal einen Kratzer gehabt.

Nun ist der Mähdrescher eine weithin sichtbare Warnung vor einem Minenfeld. Geht man an der Straße entlang, sieht man auch die kleinen roten Schilder mit dem Totenkopf. Halo Regionalleiter Aliçkaj packt an einer Kreuzung am Ortseingang seine Karte aus. Rechts und links der Straße sieht man darauf rote Punkte in einer Doppelreihe im rechten Winkel zur Straße. „Das sind die Minen, die wir hier schon gefunden haben“, erklärt er. Ausnahmslos Antipanzerminen. Alle 1,5 Meter eine Mine, fünf Meter Abstand zwischen den beiden Reihen. Man nehme an, die Minensperre sollte eine russische Stellung auf der anderen Dorfseite absichern.

Auf dem Feld repräsentieren gelbe Holzstöcke die roten Punkte auf der Karte. „Ein übliches Muster.“ Sicher sein könne man aber trotzdem nicht. Deshalb werde auch die Umgebung abgesucht. Auf den gelben Stöcken ist in schwarzer Schrift der Typ der Mine vermerkt. TM62P steht auch auf dem Pflock neben dem Mähdrescher. Das ist eine Version der sowjetischen Standardantipanzermine mit Kunststoffgehäuse. Zuerst habe man mit einer Drohne nach Auffälligkeiten auf dem Feld gesucht. Das sei das Standardverfahren. Dann komme das Gras dran. Hinweise auf Sprengfallen gebe es hier nicht. Dennoch ist man ganz froh, dass man sozusagen einen ferngesteuerten Rasenmäher hat.

„Die Arbeit ist hart“

Hinter einer kleinen Betonbarriere sitzt ein Minensucher und steuert den gelben „Robocut“. In mehr als einem Dutzend Meter Entfernung frisst er sich mit Motorengetöse auf vier Rädern durch das wiederaufgekeimte Getreide vom Vorjahr. Das sei sicherer, aber vor allem schneller. Eine Antipanzermine würde auch ein Rasenmäher im Handbetrieb nicht auslösen. Wenn Robocut einen Streifen abgegrast hat, können die Minensucher mit den Detektoren arbeiten. „Je näher am Boden, desto besser. Das Gras stört dabei.“ Gibt es ein Signal, wird die Stelle markiert und dann vorsichtig ausgegraben.

Makysm Moseikin gehört zu denen, die diesen Teil der Arbeit koordinieren. Mit Funkgerät und dunkelblauer Schirmmütze steht er in einer Pause am Straßenrand. Gut 1,80 Meter groß, schlank und braungebrannt. Schatten gibt es hier nicht. Die Mitarbeiter haben sich einen kleinen Sonnenschutz aus Holzlatten und Tüchern gebastelt. Moseikin ist erst 21 Jahre alt und schon Teamleiter. Er ist für die Sicherheit verantwortlich und muss seine Leute auch bei Laune halten.

„Die Arbeit ist hart“, sagt er. Man verbringe viel Zeit miteinander. Acht Stunden auf dem Feld und dann in der Unterkunft. Die Teams rotieren wöchentlich. Wenn er nicht nach Minen sucht, studiert er Wirtschaftswissenschaft. Er wisse, wie wichtig es für die Dorfbewohner sei, dass die Minen von den Feldern wieder verschwinden. An anderen Orten hätten die Bauern versucht die Minen selbst unschädlich zu machen. „Sie brennen die Felder ab oder basteln selbstgebaute Vorrichtungen an Traktoren.“ Das könne aber gefährlich sein und es könne etwas übersehen werden.

Verwaltungsschef Kotenko hofft, dass man die Felder im nächsten Jahr wieder bestellen kann. „Die Menschen hier brauchen eine Perspektive.“ Fast alle haben vor der Invasion von der Landwirtschaft gelebt. Mindestens die Hälfte der rund 300 Einwohner sind geflohen. Einige seien nach der Befreiung wieder zurückgekehrt, weil sie in ihren Fluchtorten in der Ukraine keine Arbeit gefunden haben oder die Miete nicht zahlen konnten. „Hier haben sie immerhin ein zu Hause.“

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6 Kommentare

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  • Schlimm, wie vermient die Ukraine inzwischen ist. Das untermauert eigentlich nur nochmal wie wichtig eine schnelle diplomatische Lösung wäre. Jedoch finde ich die Kosten für die Mienenräumung gering, gerade wenn man bedenkt, dass der Westen die Ukraine in den ersten 12 Monaten des russischen Angriffskrieges mit 140 Milliarden € unterstützt hat.

    Das sind gewaltige Summen! Ich würde mir wünschen, dass man den Krieg in der Ukraine mehr unter moralischen Gesichtspunkten im Westen betrachten würde.

    So könnte man 140 € Milliarden auch dafür ausgeben für 10 Jahre den Welthunger zu verhindern und Millionen von Toten zu verhindern.



    Oder man könnte "anstatt" zusätzlich 140 € Milliarden Euro in den Hungerbekämpfung investieren.

    Auch finde ich es unter moralischen Aspekten höchstfragwürdig die Entwicklungshilfen zu Gunsten der Ukraine zu kürzen.

    www.nzz.ch/interna...lkosten-ld.1733790

    Vermutlich wird der Umgang des Westens mit dem russischen Angriffskrieg noch viele Jahre für ein schlechtes Ansehen von uns in der nichtwestlichen Welt sorgen. Was dann wiederum der Nährboden für den nächsten Konflikt sein könnte...

    • @Alexander Schulz:

      Der Krieg in der Ukraine wird doch nahezu ausschließlich unter moralischen Gesichtspunkten betrachtet.

      (Die moralfreie "Die Ukraine soll endlich kapitulieren, ist schließlich nicht unser Krieg und ich will meine Ruhe haben"-Perspektive lasse ich mal weg.)

      Es ist nur nicht die Perspektive, die Sie teilen.

      Den Welthunger könnte man spannenderweise auch so verhindern.

      Es gibt ja nicht grundsätzlich zu wenig Lebensmittel.

      Hundersnöte entstehen derzeit doch hauptsächlich in Kriegen, wo eine Seite der feindlichen Bevölkerung die Nahrungslieferungen verweigert.

      Und weil Russland die Ukraine nicht Korn produzieren und vermarkten lässt.

      Beides können Sie ohne Geld lösen.

      Schreiben Sie an den Genossen Wladimir Wladimirowitsch, an Mohammed bin Salman und die verschiedenen Herrscher Zentralafrikas und überzeugen Sie sie von Ihrem moralischen Standpunkt.

      Das sind sowieso alles Leute, denen ich keine Entwicklungshilfe zahlen würde.

      Weshalb das Ansehen des "Westens" leiden soll, habe ich nicht verstanden.

      Ich würde persönlich sogar annehmen, das Ansehen sinkt, sobald der Westen die Ukraine fallen lässt.

      Ein neuer Beweis der westlichen Dekadenz und so ...

      • @rero:

        Gerne erklären ich Ihnen warum dadurch das Ansehen im Westen weiter sinken wird.



        Aber ersteinmal möchte ich darauf hinweisen, dass wir keinen Einfluss darauf haben wie Putin, Salman usw. Geld ausgeben bzw investieren.



        Jedoch haben wir sehr wohl darauf Einfluss wie wir im Westen unser Geld ausgeben.



        Letztendlich ist der Vorwurf in den meisten nichtswestlichen Ländern, dass wir unsere Interessen in der Ukraine auf Kosten der ärmsten Länder durchsetzen wollen aus folgenden Gründen:



        - Wir kürzen Entwicklungshilfe



        (Siehe obiger verlinkter Artikel)



        - bei den Sanktionen werden hohe Schäden für unbeteiligte Länder in Kauf genommen



        www.zlv.lu/db/1/1441187040660/0

        Ich nehme Ihnen sofort Ihre gute Intention ab, aber vielleicht können Sie jetzt auch ein wenig besser die Perspektive von Menschen aus nichtwestlichen Ländern nachvollziehen.

        • @Alexander Schulz:

          Wenn Sie einräumen, dass "wir" keinen Einfluss auf Putin etc. haben, wie sie ihr Geld ausgeben, erschließt sich mir nicht, weshalb "wir" einen Einfluss haben sollten, wie die Schweiz ihr Geld ausgibt.

          Die Schweiz lässt sich von deutschen Politikern niemals vorschreiben, was sie mit ihren Finanzen machen.

          Warum Sie ein Schuldkollektiv mit der Schweiz aufmachen wollen, habe ich nicht verstanden.

          Gemeinhin gelten als "der Westen" beispielsweise die NAT-Staaten. Manchmal auch die EU. Nirgends gehört die Schweiz dazu.

          Sie schreiben: "Wir kürzen Entwicklungshilfe."

          Dabei ist das sachlich falsch, "wir" stocken nämlich auf.

          Der nachträgliche von Ihnen verlinkte Artikel hat nichts mehr mit Entwicklungshilfe zu tun, sondern mit den Sanktionen.

          Das heißt, Ihnen fällt auch nicht ein, wo die Entwicklungshilfe Deutschlands, die gerade aufgestockt wird, für ein schlechtes Ansehen in der "nichtwestlichen Welt" sorgen könnte?

    • @Alexander Schulz:

      Sind Sie sich sicher, dass Sie den von Ihnen verlinkten Artikel in Gänze gelesen haben?

      "Anders machte es Deutschland: Auch hier stiegen 2022 die Asylkosten massiv an. Zugleich erhöhte Berlin aber auch seine Ausgaben für die klassische Entwicklungszusammenarbeit und steigerte etwa seine Zuwendungen für die humanitären Hilfswerke der Uno."

      Was Sie fragwürdig finden, praktiziert also lediglich die Schweiz.

      • @rero:

        Lesen Sie sich bitte den ganzen Artikel durch! Ja, die Entwickllungshilfe steigt global, jedoch sinkt der Anteil signifikant den Länder erhalten, ausser der Ukraine. Die Schweiz ist dafür ein gutes Beispiel was in den meisten Ländern passiert. Gerne bin ich Ihnen bei Verständnisfragen behilflich.



        Aber vielleicht merken Sie auch selber, dass es unter moralischen Aspekten schwer zu rechtfertigen ist.