Krieg gegen die Ukraine: Raketen treffen Wohnhaus in Lwiw

Beim bislang schwersten Angriff auf die westukrainische Großstadt sterben mindestens fünf Menschen. Dutzende weitere werden verletzt.

Zwei Sanitäter transportieren eine Person auf einer Liege

Diesmal hat Russland in der Westukraine zivile Ziele beschossen: Lwiw am Donnerstag Foto: Mykola Tys/ap

LUZK taz | Die westukrainische Stadt Lwiw ist in der Nacht zu Donnerstag zum Ziel eines groß angelegten russischen Angriffs geworden. Dabei wurden mindestens fünf Menschen getötet und 36 verletzt. Das jüngste Opfer war 21, das älteste 95 Jahre alt. Es war der bislang schwerste Beschuss der Stadt seit Kriegsbeginn vor mehr als 16 Monaten. Die russische Armee hatte zehn Raketen vom Schwarzen Meer aus abgeschossen. Diese flogen über den Fluss Dnipro in Richtung Kyjiw, änderten dann aber abrupt die Richtung und steuerten auf Lwiw zu. Laut offiziellen Angaben konnte die ukrainische Luftverteidigung sieben von zehn Raketen unschädlich machen.

Lwiw hat knapp eine Million Einwohner*innen, rund 200.000 davon sind laut Angaben der Stadtverwaltung Binnenflüchtlinge. Die Stadt war bereits vorher Ziel von Angriffen gewesen, bei denen Zi­vi­lis­t*in­nen getötet wurden. Bislang hatte Russland dabei Energieanlagen oder die Eisenbahn ins Visier genommen. Dieses Mal jedoch schlugen die Marschflugkörper in ein vierstöckiges Wohnhaus in der Stryiska-Straße ein. Diese befindet sich im historischen Zentrum von Lwiw. Das Haus, das aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammt, wurde komplett zerstört.

In Lwiw und Umgebung wurden viele Fragmente von Raketen gefunden, die vom ukrainischen Militär abgeschossen wurden. Der Sprecher der Luftwaffe, Juri Ignat, sagte, dass Kampfflugzeuge aufgestiegen seien, um die russischen Raketen zu neutralisieren, es ihnen aber nicht gelungen sei, alle abzuschießen. Ignat verwies in diesem Zusammenhang auf die Kampfflugzeuge F-16, auf deren Lieferung die ukrainische Regierung weiter wartet.

Bei der Gegend um Lwiw handelt es sich um eine stark besiedelte Region. Es gibt eine dichte Bebauung, viele Wohnheime von Bildungseinrichtungen, eine Kinderschule, ein Büro und den Campus der Ukrainischen Katholischen Universität, eine Militärakademie sowie mehrere Gebäude mit vielen Büros. Insgesamt wurden zehn Wohnheime, ein Waisenhaus, zwei Universitäten, eine Schule sowie ein Umspannwerk teilweise zerstört. Getroffen wurde auch ein Objekt der Infrastruktur, das die Behörden aus kriegstaktischen Gründen nicht genauer benannten.

Den historischen Stadtkern getroffen

Lwiws Bürgermeister Andrei Sadovy hat unterdessen zugesagt, alle Menschen, die ihre Wohnungen verloren haben, umzusiedeln. „Die Kalibr-Marschflugkörper haben den historischen Stadtkern getroffen – eine Pufferzone auf dem Gebiet des Unesco-Weltkulturerbes“, sagte Kulturminister Alexander Tkatschenko.

Auch der ukrainische Abgeordnete Nikolai Knjaschitzki meldete sich zu Wort. „Lwiw hat in den beiden Weltkriegen fast nicht gelitten. Im Zweiten Weltkrieg haben weder die deutsche noch die sowjetische Armee Häuser zerstört. Heute ist das den russischen Barbaren egal. Wird sich dieser Bombenanschlag auf den Nato-Gipfel in Vilnius auswirken? Wohl kaum“, schrieb er. Und weiter: „Aber einige Teil­neh­me­r*in­nen werden sich für sich selbst und die Länder, die sie vertreten, schämen. Sicherheitsgarantien für die Ukraine hätten das Leben friedlicher Ukrai­ne­r*in­nen gerettet.“

Die Behörden vor Ort teilten mit, dass es in der Nähe des getroffenen Wohnhauses einen Schutzraum gebe. Er sei in gutem Zustand und zum Zeitpunkt des Luftalarms offen gewesen. Aber dort hätten sich nur fünf Menschen aufgehalten. Der Schutzraum habe zwei Jour­na­lis­t*in­nen und ihren Sohn gerettet, deren Wohnhaus zerstört worden sei. Die Familie sei erst vor einem Jahr von Kyjiw nach Lwiw gezogen. Die Eltern hatten nachts in den sozialen Medien von dem massiven Angriff gelesen und beschlossen, in den Schutzraum zu fliehen. Zwei Minuten später gab es ihr Haus nicht mehr

Auch Anwohnerin Dina Volynets konnte sich vor den russischen Raketen in Sicherheit bringen: „Nachts saßen wir mit den Kindern im Auto in der Tiefgarage und sogar der Kofferraum erzitterte von den Explosionen“, erzählt sie. Sie sieht die Attacke auch als Signal, „dass es zu früh ist, sich zu entspannen und der Krieg nicht so bald enden wird“, sagt sie.

Aus dem Russischen: Barbara Oertel

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