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Folgen der Mueller-Anhörung in den USAErwischt werden macht nichts

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Gelogen wurde in der Politik schon immer – auch in den USA. Neu ist dank Trump, dass aus dem Aufdecken der Lüge nichts mehr folgt.

Zum Verzweifeln: Trump wird beim Lügen erwischt, wiederholt die Lügen, und nichts passiert Foto: reuters

J a, der Auftritt des ehemaligen US-Sonderermittlers Robert S. Mueller vor zwei Ausschüssen des Repräsentantenhauses war als Show angelegt. Nicht von Mueller, sondern von den oppositionellen Demokraten, die sich erhofften, durch die im Fernsehen übertragenen Anhörungen spielverändernde Soundbites zu produzieren. Dazu hat Mueller schon bei seinem ersten öffentlichen Auftritt kurz nach der Veröffentlichung des Berichts im März nicht getaugt. Am Mittwoch war es kaum besser.

Und dennoch: Wäre die politische und institutionelle Kultur in Washington nicht so verkommen, dann hätte auch dieser Auftritt allemal für ein politisches Erdbeben gereicht. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten würde überparteilich aus Gründen der politischen Hygiene eingeleitet, die Öffentlichkeit würde sich empört von diesem Lügner abwenden, dessen kriminelle Energie ihn schon zeit seines Lebens mit dem Gesetz in Konflikt gebracht hat.

Aber das ist geträumt. Die Wirklichkeit ist: Trumps Kommunikationssystem aus Leugnen, Lügen, Verleumden und Herumjammern funktioniert für seine Wähler*innenbasis bestens. Und das zählt für die Republikanische Partei und ihre Kongressabgeordneten und Senator*innen inzwischen so viel, dass sie längst zu MittäterInnen geworden sind.

Gelogen wurde in der Politik schon immer, nicht nur, aber eben auch in den USA. Neu ist, dass auch das hieb- und stichfeste Aufdecken der Lüge nicht mehr genügt. George W. Bush und seine Vize Dick Cheney logen die USA in den Irakkrieg hinein. Das kostete Hunderttausenden das Leben – aber wenigstens behauptet heute niemand mehr, es sei um Saddams Massenvernichtungswaffen gegangen. Trump hingegen wird erwischt, wiederholt die Lügen, und nichts passiert. Wie aber auf der Grundlage einer solche Dreistigkeit so bereitwillig akzeptierenden Öffentlichkeit je wieder eine leidlich funktionierende demokratische Streitkultur entstehen sollte, ist kaum vorstellbar. Der Schaden, den Trump anrichtet, reicht weit über seine Amtszeit hinaus.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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10 Kommentare

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  • Lying in Politics

    Zitat: „Gelogen wurde in der Politik schon immer – auch in den USA.“

    Das sah Hannah Arendt auch so. „Geheimhaltung nämlich und Täuschung - was die Diplomaten Diskretion oder auch „arcana imperii“, die Staatsgeheimnisse, nennen -, gezielte Irreführungen und blanke Lügen als legitime Mittel zur Erreichung politischer Zwecke, kennen wir seit den Anfängen der überlieferten Geschichte. Wahrhaftigkeit zählte niemals zu den politischen Tugenden, und die Lüge galt immer als ein erlaubtes Mittel in der Politik.“ (Hannah Arendt, „Lying in Politics“, in: The New York Review Of Books, 18. 11. 1971) In ihrem berühmten Essay analysierte sie die geheimen „Pentagon-Papers“, die den gigantischen Schwindel der US-amerikanischen Vietnam-Politik offenlegten. Die berühmte Glaubwürdigkeitslücke (credibility gap) habe sich durch die Enthüllungen Daniel Ellsbergs, des Vaters aller Whistleblowers, „plötzlich in einen Abgrund verwandelt“. Die gesamte „Infrastruktur der amerikanischen Außen- und Innenpolitik“ beruhe auf einem „Flugsand unwahrer Behauptungen aller Art, von Täuschungen und Selbsttäuschungen“.

    Trump darf sich mithin in bester amerikanischer Tradition wähnen. Wieso nun plötzlich alle Welt aus allen Wolken fällt, bleibt schleierhaft. An dessen eigentümlichem Verhältnis zur Wahrheit kann es Hannah Arendt zufolge offensichtlich nicht liegen...

  • Zitat: „Der Schaden, den Trump anrichtet, reicht weit über seine Amtszeit hinaus.“

    Schon wieder viel zu viel der Ehre, das. Der Kerl ist das Symptom einer Krankheit, nicht deren Ursache.

    Es wird zu viel gelogen. Sehr lange schon. Nicht nur in den USA, da aber auch. In der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur – überall. Die Lüge wurde zur Kulturtechnik erklärt, die aus einem Zweibeiner erst einen Menschen macht. Auch das: eine Lüge. Schließlich lügen selbst Krähen.

    Wäre die politische und institutionelle Kultur nicht überall „verkommen“, läge das „politisches Erdbeben“ Jahrzehnte zurück. Dann wäre Trump gar nicht „passiert“, ein Amtsenthebungsverfahren wäre überflüssig. Aber wir wissen: Mit der Hygiene hat man es nicht so in Gesellschaften, in denen immer mehr Macht in immer weniger Händen konzentriert ist. Auch die barocken Fürsten haben sich nicht gewaschen sondern gepudert und parfümiert.

    Kriminelle Energie ist nichts, was nur Trump und Co. auszeichnet. Kriminelle Energie macht reich, mächtig und beliebt – wenn man genügend davon hat. Stümper sind auch an dieser Stelle den Profis unterlegen. (Was ist der Überfall auf eine Bank…?) „Zeit seines Lebens“ ist Trump „mit dem Gesetz in Konflikt“. Es hat ihn nie gestört. Er hat ja schließlich Geld. Und das Gesetz hat seine Macken. Es ist nicht (nur) für Trump gemacht worden.

    Trumps „Kommunikationssystem“ aus „Leugnen, Lügen, Verleumden und Herumjammern“ funktioniert. Auch, weil seine „Wähler*innenbasis“ es leid ist, dass bloß sie sich schämen soll. Nicht nur die „Kongressabgeordneten und Senator*innen“ der Republikanischen Partei sind längst zu MittäterInnen geworden, sondern alle, die mit zweierlei Maß messen: Die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen. In einer Demokratie, in der der Kunde König ist, kann so etws nicht lange gut gehen.

    Wie auf dieser Grundlage wieder eine leidlich funktionierende demokratische Streitkultur entstehen sollte? Keine Ahnung. Vielleicht hört man ja erst mal mit den Lügen auf?

  • Als Mensch mit Gedächtnis über den Tag hinaus und ohne festgemauerte Anti-Trump-Haltung fallen mir spontan die Lügenpaläste eines Präsidenten Clinton (Demokraten) ein. Und wie seine progressive Partei gemauert hat und alles getan hat, um die Wahrheit zu verschleiern.

  • Sollte US Präsident Donald Trump die Wahl 2020 als Wahlkampfmaschine für die Reps gewinnen, könnte er zumindest danach Versuch starten, es Nixon gleichzutun, durch einen Deal mit seinem Vize Mike Pence. Das könnte sogar einen Monat vor regulärem Ende seiner Amtszeit im Dezember 2020 vor seiner Inauguration 20. Januar 2021 passieren, weil es ihn aus gewichtigem Grund zurück an die Hebel seines Konzerns samt TV Trash Format zieht?

  • Mit der Präsidentschaft Trumps wird deutlich, warum Tycoons an die Hebel politischer Macht streben, damit sie zumindest während ihrer Amtszeit Immunität, Freistellung von Strafverfolgung erlangen. Dass scheint ohnehin die einzige Agenda zu sein, warum sich Trump 2016 als US Präsidentschaftskandidat der Republikaner bewarb, drohender Strafverfolgung wg. Anfangsverdacht Steuer- . Insolvenzbetrug, sexuelle Nötigung zu entgehen.

    Gibt es auch in Deutschland überhaupt und sonders in der Wirtschaft Streben nach Befreiung von Strafverfolgung? Wer sich des Contergan Skandals 1962, Parteispendenskandals 1982, Diesellabgasgate 2015 erinnert, wird fündig. Nur mit dem Unterschied zu den USA, dass die Freistellung von Strrafverfolgung für Unternehmen, Verbände in Deutschland von vornherein als Rechtsgrundsatz gegeben ist seit Aussetzen des Unternehmensstrafrechts, Verbandsklagerechts durch die Adenauer Regierung auf Anraten Deutschen Juristentages 1953. Da muss kein deutscher Tycoon nach Immunität in politischen Regierungsämtern streben.



    Eine weitere Befreiung von Strafvrefolgung gibt es für Bundeswehrangehörige im Auslandsseinsatz gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof Den Haag trotz dessen Anerkennung durch Deutschland 1997.



    Zurück in die USA. Solange Trump die Mehrheit im Senat sicher scheint, wird ein Impeachmentverfahren verhindert, ein Gerichtsverfahren gegen ihn zu eröffnen. Trump kann erst nach Ausscheiden aus dem Amt vor Gericht gestellt werden, wenn er seine Immunität verliert.

    Selbst nach Ende seiner Amtszeit könnte Trump Anklagen entkommen mit der Richard-Nixon-Masche. Nixon trat 1974 zurück, übergab die Amtsgeschäfte an seinen Vize Gerald Ford. Dessen erste Amtshandlung als Präsident, war die Begnadigung Nixons, der sonst wg. des Watergate-Skandals 1972 angeklagt worden wäre.

    Da aber Trump sich nahezu jeden bei den Republikanern zum Feind zu machen weiß, steht diese Option in den Sternen.

  • Das eigentliche Problem ist ja nicht die Akzeptanz des Lügens selbst, sondern die unvermeidlichen Kollateralschäden.

    Wer Lügen akzeptiert, entfernt sich von der Wahrheit, der Ehrlichkeit (logisch :-(), verachtet Fairness, Haltung, Anstand und gemeinschaftliche zivilisatorische Regeln.

    In dieser Zeitung wurde im Zusammenhang mit dem Brexit darauf hingewiesen, das immer gößere Massen begonnen habebn, die politische Klasse zu verachten und damit auch das ganze System und - ohne es für sich zu akzeptieren auch die zivilisatorischen Grundlagen, wie den Kant'schen Imperativ.

    Ohne diese Zusammenhänge zu berücksichtigen diskutiert man am Thema vorbei.

  • "aber wenigstens behauptet heute niemand mehr, es sei um Saddams Massenvernichtungswaffen gegangen"

    Und das soll als Konsequenz besser sein als bei Trump? Für diese Herren hatte ihre Lügen genau gar keine Konsequenzen, genauso wenig wie bei unseren Politikern.



    Interessant ist ja auch noch, dass die e-mails um die es geht ja gar nicht falsch waren, sondern die Tatsachen richtig dargestellt haben. Also gab es einen Untersuchungsausschuss mit Herrn Müller gegen Hern Trump, weil die Warheit über die demokratischen Aktivitäten während des Wahlkampfes ans Licht gekommen ist. Das sollte zu denken geben!

    • @Martin_25:

      Sie haben den Autor nicht verstanden.



      Er findet auch beides Scheiße.

      Das von Ihnen verwendete Wort "besser" ist hier nur insofern angebracht, als dass bis zum Hals im Schlamm stecken "besser" ist, als bis zur Nase.

      Zum Artikel:



      Dass heute nicht einmal die Wahrheit selbst irgendeine Bedeutung mehr hat, ist schon noch ein großes Stück schlimmer, als dass man es nicht schafft, überführte Lügner zu sanktionieren.

      Darauf müsste man sich doch einigen können, oder?

  • Tja, aber warum macht das erwischt werden nichts mehr aus? Merkt Trumps Publikum überhaupt wenn er erwischt wird und will es nicht ohnehin einfach nur die Lügen hören, die ihm gefallen? Trump erfüllt Bedürfnisse, sein Erfolg ist eine logische Konsequenz aus unserer Konsum- Welt, die Unverschämtheit ist vielleicht verblüffend vielleicht aber auch gar nicht so schlecht.