piwik no script img

Flut von Leihrädern in BerlinFläche machen mit Mobike und Co.

Eine Kreuzberger Initiative sammelt Leihräder von den Gehwegen und stellt sie auf Autoparkplätzen ab: Für mehr #Flächengerechtigkeit im Kiez.

Orange und grün und in gelb und blau gibt's sie auch: Leihfahrräder vor dem Berliner Bahnhof Zoo Foto: Khang Nguyen/dpa/picture alliance

Überall diese bunten Leihräder, man kommt gar da nicht mehr mit: „Hast du schon die quietschgelben gesehen?“ – „Nee, ich kenne nur die limettengrünen.“ Auch die Namen der Anbieter merkt man sich nur noch mit Mühe. Oft ist es etwas mit „o“, so viel erkennt man, auch wenn sie in wilden Haufen herumliegen.

Jetzt hatte eine Kreuzberger Initiative die zündende Idee, wie sich gesamtgesellschaftlicher Nutzen aus dem Überangebot ziehen lässt: Man platziert sie quer und durchaus aufrecht auf Autoparkplätzen am Straßenrand, gerne nach Farben sortiert, aber nicht zwingend. Das macht die Gehwege wieder frei für mobilitätseingeschränkte Menschen, senkt den motorisierten Verkehr im Viertel und sieht auch noch schick aus.

Auf einem Twitter-Foto sind drei „Mobikes“ geparkt, wo sonst Twingos oder SUVs stehen. Richtig offiziell sieht das aus, ein Privatrad hat sich auch schon hinzugesellt. „Wir haben in der Wrangelstraße Leihräder vom Gehweg auf einen sinnvolleren Platz spontan umgeparkt. Macht mit bei der Aktion für mehr #Flächengerechtigkeit und weniger Autoverkehr im Kiez!“, schreibt @AutofreierWK, wobei WK nicht „Weltkrieg“, sondern „Wrangelkiez“ heißt.

Nach ein paar Sekunden melden sich natürlich die blöden alten Zweifel. Nicht im Sinne eines „Dürfen die das?“, denn tatsächlich gibt es am Straßenrand gar keine Autoparkplätze, wie wir eben salopp formulierten: Laut StVO dürfen dort – wenn es nicht verboten ist – Fahrzeuge abgestellt werden. Und Fahrräder gehören zweifelsfrei in diese Kategorie. Man dürfte sie sogar längs parken, jedoch nur mit „ausreichender Beleuchtung“ oder einer großen reflektierenden Warntafel.

Alle suchen nach der Lücke

Aber bringen solche Aktionen nicht noch mehr Unfrieden in eine Stadt, wo ein Stinkefinger zwischen Verkehrsteilnehmern noch als Appeasement durchgeht? Werden nicht wütende AutofahrerInnen die Dinger, die doch eh nur irgendeiner Datenkrake aus Fernost gehören (so hört man), auf den Gehweg schmeißen, wo sie noch mehr Menschen im Weg liegen? Und nimmt nicht nur der berüchtigte Parksuchverkehr weiter zu, also das für alle Beteiligten nervige Durch-den-Kiez-Kurven auf der Suche nach einer Lücke?

Andererseits. Man muss ja auch mal anfangen, gewisse Selbstverständlichkeiten aufzubrechen – wie die, dass ein Riesenteil des Straßenraums nicht dafür zur Verfügung steht, dass Menschen sich dort bewegen oder sonst wie Spaß haben können, weil dort tonnenweise privates Blech gelagert wird. Nur – immer auch an die anderen denken ist ein netter Zug, und warum nicht auch an die Leute jenseits des eigenen Backyards? Das fällt einem ein, wenn man auf der Seite von @AutofreierWK liest: „Ein autofreier Kiez würde nur Wenige zwingen ihren PKW 2 Straßen außerhalb des Kiezes zu parken, aber ein Gewinn für alle bedeuten.“

Disclaimer: Außerhalb des Kiezes sind auch Kieze.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die Verkehrssenatorin muss klarstellt, dass die wo auch immer herumstehenden Leihbikes eine genehmigungspflichtige Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes sind. Dafür Gebühren und Obergrenze festlegt. Und die Senatsförderung für Nextbike stoppt.

  • Hier mal ein paar Fotos aus China (Quelle: The Guardian. London):

    https://www.theguardian.com/cities/gallery/2018/may/01/unexpected-beauty-china-bicycle-graveyards-share-bikes-in-pictures

     

    __________________________________

    Diese Fahrräder werden von den chin. Behörden einkassiert, wenn sie unzulässig abgestellt sind. Werden sie nach 3(?) Monaten nicht abgeholt, landen sie in der Schrottpresse.

  • Das Abstellen von Fahrrädern ist auf der Fahrbahn schlichtweg unzulässig und auch durch das Demonstrationsrecht nicht gedeckt. Alles was falsch parkt sollte rigeros und ausnahmslos verschrottet werden. Räumt den Schrott von der Straße. Eine Straße ist übrigens nicht zum Spaß haben da (außer man befährt diese zum Spaß mit einem dafür zulässigen Gefährt).

    • @DiMa:

      Hey, das ist ne super Idee! Wenn wir "alles was falsch parkt ... rigeros und ausnahmslos verschrotten", dann gibt's bald keine Probleme mit Autos mehr.

       

      Auch eine Lösung, um mehr Raum in den Straßen zu schaffen!

    • @DiMa:

      Sie meinen die Autos? Falls sie es nicht Wissen, Fahrräder (Fahrzeuge) dürfen ganz regulär dort abgestellt werden (sie müssen nur für Nachts entweder beleuchtet sein, oder eine rot-weißen reflektierenden Wimpel haben. Also erst informieren, dann schreiben.

      • @MarBel78:

        Seit wann informieren sich "Autofahrer" bei solchen Diskussionen?

        Das wäre doch zu viel verlangt.

      • @MarBel78:

        Danke für den Hinweis! Da werde ich am Montag mein altes Bike aus der Tiefgarage holen und schön auf die der Straße abstellen. Morgens und Abends einmal umstellen und ich kann vom Bürofensten schön zusehen, wie sich alle drüber aufregen. Übrigens, genau dieser rechte Rand wird derzeit von den Radfahrern genutzt um sich auf der Straße an den PKW vorbeizuquälen.

         

        Das dieses alte Ding endlich mal wieder einen Nutzen bekommt ist doch erfreulich.

         

        Übrigens, die Räder müssen längs am Rand geparkt werden. Das ist bei den in der beschriebenen Aktion abgestellten Rädern nicht der Fall: https://twitter.com/hashtag/fl%C3%A4chengerechtigkeit.