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Flugabwehrsysteme für PolenPolens Problem mit den Patriots

Die Regierung in Warschau zeigt sich unentschlossen nach dem Angebot aus Berlin, Flugabwehrsysteme zu liefern. Die PiS pflegt ihr Antideutschtum.

PiS-Chef Jarosław Kaczyński hat in der Patriots-Frage schon die Parlamentswahlen in Polen 2023 im Blick Foto: Str/dpa

I m 15. Jahrhundert fand eine der größten Schlachten des Mittelalters statt: die Schlacht bei Tannenberg zwischen den polnischen und litauischen Armeen unter Władysław Jagiełło auf der einen Seite und dem Heer des Deutschen Ordens unter Ulrich von Jungingen auf der anderen. Chronisten der polnischen Geschichte berichten, dass kurz davor die germanischen Abgesandten dem polnischen König zwei riesige Schwerter brachten.

Umstritten ist, ob dieses Geschenk Ausdruck des Respekts oder eher eine List war, um die polnischen und litauischen Armeen dazu zu bringen, die deutsche Armee anzugreifen und schnell zu verlieren. Der Legende zufolge ließ sich Jagiełło nicht provozieren. Er nahm das Geschenk an und sagte: „Wohl besitzen wir Schwerter im Überflusse, diese beiden nehme ich aber doch auf, da ich sie als ein Zeichen des kommenden Sieges betrachte.“ Gesagt, getan. Polen und Litauen gewannen die Schlacht.

Seither ist viel Wasser die Donau heruntergeflossen. Der Deutsche Orden existiert nicht mehr, Polen, Litauen und Deutschland befinden sich in einem Militärbündnis. Einem Verbündeten Waffen anzubieten, ist Ausdruck einer Freundschaft. So musste die Antwort der polnischen Regierung auf den Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz, Patriot-Luftabwehrsysteme auf polnischem Gebiet zu stationieren, einigermaßen verwundern. Sie war rätselhaft.

Erst hieß es: Ja, bitte, dann wieder: Nein, danke. Dazwischen stand ein Interview von PiS-Chef Jarosław Kaczyński mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Wenn Deutschland wolle, so der frühere Regierungschef, könne es die Patriots am besten gleich an die Ukraine liefern.

Bild: Bartek Mola
Karolina Wigura

ist Vorstandsmitglied der Stiftung Kultura Liberalna in Polen und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich Affective Societies, Freie Universität Berlin. Sie hat zwei Söhne und pendelt zwischen Berlin und Warschau.

Die Assoziation zur Schlacht bei Tannenberg ist keineswegs zu weit hergeholt. Die Anekdote über Ulrich von Jungingen stand lange Jahre für die polnischen Vorurteile gegenüber Deutschen. Hinterhältigkeit, Doppelzüngigkeit und gleichzeitig der zum Sturz führende Stolz sind die wichtigsten Elemente des Stereotyps.

Nur kein Signal der Normalisierung

Bild: privat
Jaroslaw Kuisz

ist Chefredakteur des polnischen Online-Wochenblatts Kultura Liberalna und Pop-Back-Fellow an der Universität Cambridge.

Kaczyńskis Erklärung berührt genau diesen Punkt. Die PiS-Europaabgeordnete Beata Mazurek unterstellte der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht auf Twitter einen PR-Trick. Lambrecht wollte mit dem Luftabwehrsystem das eigene Image aufpolieren sowie der prodeutschen Opposition in Polen unter die Arme greifen.

Polen ist zum Frontland geworden und verfügt über ganze zwei Patriot-Luftabwehrsysteme. Es könnte zusätzliche Raketen gut brauchen. Gleichzeitig wäre das kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Polen in diesem Konflikt nicht zwischen Russland und Deutschland steht, sondern zwischen Russland und den USA, bei denen die EU nun um Hilfe anfragt.

Kaczyński betrachtet die Frage der Patriots jedoch nicht aus einer geopolitischen Perspektive. Es gibt für ihn ein viel wichtigeres Ziel: die Parlamentswahlen 2023. Der antideutsche Treibstoff, der sich bereits an der Reparationsfrage entzündet hat, spricht seine treueste Wählerschaft an. Traumata aus der Vergangenheit wirken bis in die Gegenwart. Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis war leider eines der wichtigsten Elemente zur Legitimierung der kommunistischen und undemokratischen Regime.

Die Forderung nach Reparationen wird von nahezu 70 Prozent der PiS-Wählerschaft für machbar gehalten. Wenn die PiS-Regierung die Patriot-Raketen annähme, würde sie damit signalisieren, dass Deutschland ein ganz normaler Nachbar, Partner und Verbündeter ist. Stattdessen braucht Kaczyński vor den Wahlen einen bequemen äußeren Feind. Rationalität und strategische Politik unterliegen dem Ad-hoc-Interesse der Parteien.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Man muss schon seltsamen Narrativen folgen, um hier in Deutschland auf Gefallen zu hoffen. Und dafür sind sie dann gut genug, man hätte es sich wahrscheinlich selbst zurechtlegen müssen. Fakt ist, Polen ist in der NATO, die Ukraine nicht. In Polen stehen US-Truppen, in der Ukraine nicht, und die könnten sich sehr gut verteidigen, als dass sie und um die geht es jetzt dafür Hilfe aus Deutschland bräuchten, eher lachen ja die Hühner und zwar in beiden Ländern. Ein NATO-Mitglied ist in Fragen der Verteidigung per Definition nie auf sich allein gestellt - einige verfügen nicht mal über eigene Luftstreitkräfte od. -verteidigung - tatsächlich würde eine Aggression gegen eines das gesamte Bündnis auf den Plan rufen. Und das weiß man in Deutschland noch etwas besser weil länger als im Nachbarland und nur deshalb dieses akademische Angebot, das eine Finte ist, wenn nicht einmal mehr gezielter Affront gegen Kyjiw. Oder auch Folge einer Art schrägen, egoistischen Torschlusspanik, da nicht entgangen ist, dass Polen Rüstung wenn nicht in den USA inzw. lieber noch in Korea bestellt als bei europ. Partnern, die wie Deutschland nicht mal ihre eigene Munition herstellen können. Aber Patriots, die will man üppig auf Lager haben. Warum dann nicht für die, die sie dringend brauchen? Und von sich aus flehen? Die nicht sowieso schon unter dem Schutzschirm Washingtons stehen, das die Lieferung auch solcher Mittel, wie auch westlicher Kampfpanzer von Beginn an, unmissverständlich allen gestattet. Und als ob sie in Berlin sonst viel auf Washingtons Bitten (oder Warnungen) geben. Ich würde mich dann nicht über Skepsis bis hin zu antideutschen Befindlichkeiten in diesem Zusammenhang wundern, ich teile sie und das hat mit PiS echt wenig zu tun noch sind sie exklusiv polnisch, das wissen die Autoren. Polen ist nicht Frontland! Auch ist nicht Polen zu schwach, Europa ist es, und daran wird sich wenig ändern, wenn wir uns Waffen, krampfhaft um die Front herum - bloß untereinander zuschieben.

  • Welche Innenpolitischen Ziele Kaczyński mit der Ablehnung verfolgt ist völlig klar. Allerdings hat er es auch nicht sehr schwer. Wenn in Polen die Anwesenheit deutscher Truppen ein mulmiges Gefühl erzeugt, ist das durchaus nachvollziehbar. Mit der Schlacht von Grunwald hat das sehr wenig zu tun.

  • Davon ausgehend, dass die beiden AutorInnen polnische Wurzeln haben, danke ich besonders für diesen Kommentar.



    Hier ist zu erkennen, dass es offenbar doch oppositionelle Polen und Polinnen gibt.



    Ich bin mit Hoffnung für Polen aufgewachsen.



    In den 80ern schnürten wir um diese Jahreszeit Weihnachtspakete für das und die unbekannte Polen, um so die Solidarnosc zu unterstützen.



    Polen war unser Hoffnungsträger im kalten Krieg.



    Leider hat sich mein Bild Polens seitdem gewandelt.



    Ein Zusammenwachsen innerhalb der EU blieb aus.



    Ich hoffe, Menschen wie die Schreibenden sorgen in Zukunft für ein demokratischeres, liebenswerteres Polen, mein derzeitiges Bild ist eher abschreckend.

  • Wer nicht will, der hat wohl schon. Also behalten wir die Dinger.

  • Warum sollten wir Polen Waffen liefern, die die PiS offensichtlich nicht haben will. Es gibt genug Waffen auf dem Weltmarkt, die sich die Polen aussuchen können.