Flüchtlingspolitik in Großbritannien: Asylsuchende auf Schiff gepfercht
Die britische Regierung möchte bei Geflüchteten Geld sparen. Das versucht sie nun mit der „Bibby Stockholm“.

2022 gab es im Vereinigten Königreich 74.751 Asylanträge für 89.398 Personen, die höchste Zahl in zwei Jahrzehnten. Die Behörden kommen nicht hinterher. Zum Jahresende bestand ein Rückstau von 132.000 unbearbeiteten Anträgen. Solange werden die Asylsuchenden auf Staatskosten untergebracht – und dieses Jahr steigt die Zahl der Bootsflüchtlinge, die die britische Küste erreichen, weiter.
Ausgediente Militärkasernen waren schnell übervoll. Laut Immigrationsminister Robert Jenrick befinden sich weiterhin 51.000 Asylbewerber:innen in Hotels, was den Staat umgerechnet 6 Millionen Euro pro Tag koste. Umgebaute Kreuzfahrtschiffe oder Lastkähne sollen nun Abhilfe bieten.
Doch der Plan ist umstritten. Vertreter:innen von Flüchtlingen halten die Schiffe für eng, inhuman, gefängnisähnlich und für traumatisierte Menschen ungeeignet. Flüchtlingsgegner wehren sich gegen Hunderte fremder Menschen vor ihrer Gemeinde auf Anker.
Die kleine Insel Portland
Richard Drax, der konservative Unterhausabgeordnete für South Dorset, vergleicht das Schiff in Portland mit einem Gefängnis. Auch die örtliche Gemeinde ist besorgt und stellt Fragen zur Sicherheit auf dem Schiff und in der Umgebung. Am Dienstag und Mittwoch kam es in Portland zu Protesten von verschiedenen Gruppen.
Größere Städte, etwa Edinburgh und London, haben sich von Anfang an aus ideologischen Gründen gegen Schiffe zur Unterbringung von Asylbewerber:innen in ihren Häfen gewehrt, weshalb das Schiff nun in Portland liegt. Die ersten 50 Bewohner sollen kommende Woche einziehen.
Die Personen, die auf dem Schiff wohnen sollen, haben freien Ausgang, solange sie mit der Unterkunft im Kontakt bleiben, aber nur ein sehr kleines Taschengeld. Die kleine felsige Insel Portland, für ihre Steinbrüche berühmt und nur durch einen Damm mit dem britischen Festland verbunden, gehört zu den ärmeren Gemeinden Südenglands. Sie beherbergt seit dem 19. Jahrhundert eine große festungsähnliche Haftanstalt direkt über dem Hafen, früher für jugendliche Intensivtäter, aktuell für Sexualverbrecher.
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