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Flüchtlingspolitik in BerlinLauter leere Versprechen

Hundert Flüchtlinge werden aus Heimen geschmissen. Trotz anderer Zusagen. Sie müssen dorthin zurück, wo sie hergekommen sind.

Flüchtlinge kann man abschieben – ihre Forderungen nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Vor der Flüchtlingsunterkunft in der Haarlemer Straße im südlichen Neukölln stehen fünf Männer im Regen. Sie haben kleine Rucksäcke dabei und diskutieren darüber, wo sie am Mittwoch übernachten sollen. „Ich habe keine Freunde in Berlin, bei denen ich unterkommen könnte“, sagt Awad. Er und die anderen vier gehören zu den 99 Oranienplatz-Flüchtlingen, die an diesem Mittwoch ihre Heime verlassen müssen. Die meisten von ihnen gehen freiwillig. Am Mittwochvormittag hatte es an der Haarlemer Straße aber auch einen Polizeieinsatz gegeben, bei dem ein Flüchtling kurzfristig festgenommen wurde. 53 der Betroffenen lebten bisher hier in der Haarlemer Straße, 19 in der Gürtelstraße in Friedrichshain, 24 in der Marienfelder Allee in Marienfelde und vier am Askanierring in Spandau.

„Bei diesen 99 Personen sind die Prüfungen abgeschlossen, damit haben sie hier keinen Anspruch auf Leistungen mehr“, sagt Constance Frey, Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales. Die Leute seien aufgefordert worden, entweder in die für sie zuständigen Bundesländer oder – falls über dieses Land eingereist – nach Italien zu gehen.

Laut Senatsverwaltung hatten die Heimleitungen bereits am Donnerstag die Liste mit den Namen der betroffenen Flüchtlinge erhalten. Offenbar wurden diese aber trotzdem erst kurzfristig informiert: Er selbst habe am Dienstag mitgeteilt bekommen, dass er gehen muss, sagt Awad, andere Betroffene hätten das erst am Mittwochmorgen erfahren. „Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich rausgeschmissen werde“, sagt Awad und zeigt seine Papiere: Er hat eine Bescheinigung der Ausländerbehörde Berlin darüber, dass sein Status geprüft werde und für die Dauer dieser Prüfung die Abschiebung ausgesetzt sei. Dieses „vorläufige Aufenthaltsrecht“ gilt laut Bescheinigung bis zum 12. November. Eine Benachrichtigung darüber, dass sein Antrag inzwischen abgelehnt wurde, habe er nie erhalten, sagt Awad.

Nachdem die Flüchtlinge im April den Oranienplatz geräumt hatten, waren sie auf verschiedene Heime in Berlin verteilt worden. Flüchtlingsorganisationen und AnwältInnen hatten bereits in der Vergangenheit kritisiert, die im „Einigungspapier Oranienplatz“ vereinbarte Einzelfallprüfung erfolge in vielen Fällen nur sehr oberflächlich. Nach Angaben des Flüchtlingsrat sind die Prüfungen außerdem in mindestens 20 Prozent der Fälle nicht abgeschlossen. Der flüchtlingspolitische Sprecher der Linken, Hakan Tas, nannte das Vorgehen am Mittwoch „menschenunwürdig und beschämend“.

Als im August das letzte Mal eine größere Gruppe von Oranienplatz-Flüchtlingen vor die Tür gesetzt wurde, hatten Flüchtlinge tagelang auf dem Dach der Unterkunft in der Gürtelstraße protestiert. Am Mittwoch blieb es hingegen ruhig, auch die UnterstützerInnenszene war vor den Heimen nur wenig präsent. Allerdings wurde von UnterstützerInnen erneut eine Schlafplatzvermittlung für die Flüchtlinge eingerichtet (Telefon: 0176/3732549). Laut Auskunft der Gruppe, die das Schlafplatztelefon betreut, hatten sich dort am späten Nachmittag bereits 47 Betroffene gemeldet, für einen Teil seien zumindest kurzfristige Lösungen gefunden worden.

Laut Senatsverwaltung sind nun nur noch gut 50 der ehemals 550 Flüchtlinge, für die das Oranienplatz-Papier galt, in Berliner Heimen untergebracht.

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9 Kommentare

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  • Wer hilft eigentlich den Flüchtlingen oder sagt etwas dagegen, wenn eine Ungerechtigkeit passiert, oder zumindest hat Mitgefühl?

     

    Doch wohl die Art von Menschen, die zu DDR Zeiten die Mauer nicht akzeptierten und halfen unseren Brüdern und Schwestern, die fliehend über die Mauer oder hindurch gingen.

  • Berlin hat eine einmalige Chance, beim internationalen Flüchtlingszentrum eine Art Gewerkschaft für Flüchtlinge zu errichten, die es weltweit in so einer Form wohl noch nie gab. Die Flüchtlinge sollten selber daran beteiligt sein, also dort arbeiten.

     

    Sie könnten dann für die Belange der Flüchtlinge sich weltweit einsetzen.

     

    Es wird nicht allzu schwer sein, die Fördergelder aus dem EU-Budget später zu bekommen. Auch die Einrichtung einer Repräsentanz in Brüssel wäre möglich.

     

    Diese Flüchtlinge haben es geschafft, zu Fuß nach Berlin zu kommen. Sie haben es geschafft, auch die EU-Hauptstadt, zu Fuß zu erreichen. Gelernt aus unserer Geschichte, könnten Sie dann diese Mauer, die in der EU gegen die Einwanderung jetzt eingerichtet wird, zu durchbrechen.

  • atemberaubend, wie Henkel den rechtsstaat vor die wand fährt!

    seit wann ist denn die listenmäßige mitteilung an eine heimleitung, die prüfung bei so und so sei abgeschlossen, ein rechtsmittelfähiger bescheid?

    ne ne ne.

    davon, was mir zu listen sonst noch so einfällt, will ich erst garnicht anfangen.

    • @christine rölke-sommer:

      Na ja rein rechtlich hat Herr Henkel Recht. Die Asylverfahren laufen halt in den anderen Bundesländern, in Italien oder in anderen europäischen Staaten. Das die Leute nun Berlin verlassen müssen, heißt ja nicht das sich auch ihr Asylantrag erledigt hat. Mal von denen abgesehen, bei denen der Asylantrag schon vor Berlin abgelehnt gewesen ist.

       

      Das Recht wurde vom Kreuzberger Bezirksamt an die Wand gefahren indem man denn Flüchtlingen unerfüllbare Hoffnungen gemacht hat.

      • @mrf:

        rein rechtlich baut nicht nur Henkel sondern auch senSoz - und der senat, der zuguckt - verfahrensrechtliche schei**e!

        verfassungsrechtlich nennt sich das gehörsverletzung. und die mögen die hüter unserer verfassung garnicht gerne.

        • @christine rölke-sommer:

          Ihre rechtlichen Kenntnisse in allen Ehren, aber die Senatsvereinbarung mit den Flüchtlingen beinhaltet eine Einzelfallprüfung und keine automatische Anerkennung. Wie sie da Gründe sehen, dem Senat Rechtsverletzung vorzuwerfen und sogar eine Gehörsverletzung erkennen wollen haben sie wahrscheinlich unique.

          • @hans hansen:

            wenn Sie noch mal nachlesen wollen...

            ich schrieb: verfahrensrechtlich!

            zum materiell-rechtlichen habe ich mich noch garnicht geäußert.

  • Und wer zahlt die Tickets für die Fahrt in das "zuständige Bundesland" oder nach Italien? Oder erwarten die hier, daß die so weggehn wie sie gekommen sind, nämlich zu Fuß? - schöne neue Welt.

    • @MussManNichtWissen:

      "Und wer zahlt die Tickets für die Fahrt in das "zuständige Bundesland" oder nach Italien?"

       

      Ist das ernsthaft Ihre Sorge bei diesem Thema?