Flüchtlingslager in Griechenland: Offener Brief an Europa

38.500 Geflüchtete leben derzeit auf griechischen Inseln. BewohnerInnen und Hilfsorganisationen fordern, die überfüllten Lager zu schließen.

4 Frauen an Nähmaschinen produzieren maSKEN

Im Lager Moria nähen Frauen Schutzmasken mithilfe der NGO „Team Humanity“ Foto: Elias Marcou/reuters

BERLIN taz | Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) müssen die Geflüchteten auf Moria nicht mehr überzeugen: „Ich empfinde es als Schande, welche Zustände mitten in Europa akzeptiert werden“, sagte Müller am vergangenen Dienstag der Rheinischen Post. Die Zustände, auf die er anspielte, waren jene in den griechischen Flüchtlingslagern.

Das sehen auch die BewohnerInnen des Lagers Moria auf der Insel Lesbos so. Bereits im April hatten sie deshalb einen Aufruf veröffentlicht. Das Virus im Lager wäre „wie ein Todesurteil für alte, kranke und andere schutzbedürftige Personen“, hieß es darin. Den Aufruf schickten sie auch an das Bundeskanzleramt – und bekamen lediglich eine automatisierte Antwort mit Verweis auf das „umfangreiche Informationsangebot“ auf der Webseite des Auswärtigen Amtes.

Aktuell halten sich rund 38.500 Migranten und Flüchtlinge auf den griechischen Ägäis-Inseln auf. In den vergangenen drei Monaten hatten die Behörden bereits rund 11.000 Menschen aus den völlig überbelegten Lagern auf das Festland gebracht – vor allem Kranke und Menschen, die gute Chancen auf Asyl in der EU haben.

In Deutschland waren Mitte April die ersten 47 Kinder und Jugendlichen aus mehreren Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln eingetroffen. Weitere sollen folgen – wann, ist aber unklar. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte der Rheinischen Post, Berlin erwarte, „dass auch die anderen europäischen Staaten ihre Zusagen einlösen. Vorher wird Deutschland keine weiteren Aufnahmen aus Griechenland durchführen.“

Lagereingang blockiert

Ohnehin sei die Aufnahme einiger Flüchtlingskinder nicht ausreichend, sagte Minister Müller. Er habe das Lager Moria besucht und selbst gesehen, „wie 20.000 Menschen zusammengepfercht in einem Lager leben, das für 3.000 geplant war“. Es brauche Hilfe für „alle Menschen“ dort.

Aus Angst vor einem Ausbruch von Coronavirus-Infektionen hatten Hunderte BewohnerInnen Ende April den Eingang des berüchtigten Lagers von Moria auf der griechischen Insel Lesbos blockiert. Sie trugen Transparente mit dem Spruch: „Freiheit für alle. Wir sind Covid-19 ausgesetzt“. In den Tagen zuvor waren in drei Camps auf dem griechischen Festland zahlreiche Coronavirus-Infektionen festgestellt worden. Diese Lager wurden in Quarantäne gestellt.

Bis heute sind in den Flüchtlingslagern auf den Inseln keine Corona-Infektionen registriert worden. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, befürchten Ärzte. Athen hat die Gesundheitskontrollen rund um die Lager auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos mit zusätzlichem Personal und Container-Isolierstationen verstärkt. Zudem dürfen Migranten die Lager nur begrenzt und mit Genehmigung der Polizei verlassen.

„Sind wir es nicht wert, eine Antwort zu bekommen?“

Deshalb haben sich die Flüchtlinge am Mittwoch erneut mit einem Aufruf an die europäische Öffentlichkeit gewandt. „Sind wir es nicht wert, eine Antwort zu bekommen, während so viele Menschen über Moria sprechen und ein deutscher Minister es sogar ‚Europas Schande‘ nannte?“, steht darin. Offenbar nicht.

Am Dienstag hatten erneut auch mehrere Hilfsorganisationen vor einer Ausbreitung des Coronavirus in Flüchtlingsunterkünften gewarnt. Die Pandemie zeige, dass „eine menschenwürdige Unterbringung“ überfällig und überlebensnotwendig sei, erklärten Landesflüchtlingsräte, die Organisation Pro Asyl und die Seebrücken-Bewegung. Die Bundesländer dürften nicht weiter auf „Massenunterkünfte“ setzen. Es gelte gerade jetzt, „Lager zu schließen – ob in Moria oder Halberstadt“.

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