Flüchtlingsgipfel in Berlin: Faesers zwei Botschaften
Die Innenministerin kündigt mehr Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten an. Zugleich verlängert sie die Grenzkontrollen zu Österreich.
Rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine haben deutsche Behörden seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar bislang registriert. Etwa 700.000 von ihnen haben bislang vorübergehenden Schutz beantragt – ein Mechanismus, der Ukrainer*innen ohne langwieriges Asylverfahren Schutz für bis zu drei Jahre bietet.
Faeser hatte sich am Dienstagmorgen mit den kommunalen Spitzenverbänden und Vertretern der Länder getroffen. Bereits im April hatte der Bund diesen zwei Milliarden Euro an Unterstützung zugesagt. Inzwischen aber warnen immer mehr Länder und Kommunen, ihre Kapazitäten seien ausgeschöpft. Städtetagsvizepräsident Burkhard Jung berichtete bei der Pressekonferenz, in Dresden müsse inzwischen eine Messehalle zur Unterbringung genutzt werden, in Leipzig, wo er Oberbürgermeister ist, seien Zeltstädte errichtet worden. Mehrere Bundesländer haben Aufnahmestopps verhängt.
Verstärkter Einsatz von Frontex im Gespräch
„Dieser humanitäre Kraftakt ist immer schwieriger zu bewältigen, je länger dieser furchtbare Krieg anhält“, sagte Faeser. Der Bund habe schon mehr als 64.000 Unterbringungsplätze in Bundesimmobilien bereitgestellt, diese seien noch nicht ganz ausgeschöpft. Sie habe nun weitere 56 Immobilien mit insgesamt 4.000 Plätzen angeboten. Inwiefern der Bund sich an den Flüchtlingskosten beteiligen wird, blieb am Dienstag unbeantwortet – dafür werde es im November ein Treffen der Ministerpräsident*innen mit Bundeskanzler Olaf Scholz geben, so Faeser.
Empfohlener externer Inhalt
Auch über das Mittelmeer und die Balkanroute kämen inzwischen wieder „deutlich mehr Menschen“ nach Europa, sagte Faeser. „Und das macht mir Sorge.“ Die Zahl der Asylanträge sei ebenso gestiegen wie die der unerlaubten Einreisen. Auch an den EU-Außengrenzen steige der Druck an. „Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, illegale Einreisen zu stoppen, damit wir weiter den Menschen helfen können, die dringend unsere Unterstützung brauchen“, so Faeser.
Sie kündigte an, die Grenzkontrollen zu Österreich um ein weiteres halbes Jahr zu verlängern. Die letzte Verlängerung im April erfolgte nur einen Tag, nachdem der Europäische Gerichtshof ganz ähnlich gelagerte Kontrollen Österreichs zu Slowenien für rechtswidrig erklärt hatte. An der Grenze zu Tschechien kontrolliere die Bundespolizei „deutlich verstärkt im Rahmen der Schleierfahndung“, Österreich und Tschechien würden ihrerseits an der Grenze zur Slowakei kontrollieren. Beim Rat der EU-Innenminister*innen am Freitag werde man zudem über einen verstärkten Einsatz von Frontex sprechen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich, Obmann im Innenausschuss, kritisierte die Verlängerung der Grenzkontrollen. „Ich hätte mir von der Ministerin klügere Antworten gewünscht, als die Dauerkontrollen von Seehofer einfach erneut zu verlängern“, sagte er der taz. Stattdessen brauche es eine „rechtssichere Alternative“ – beispielsweise durch gezielte Schwerpunktkontrollen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz, begrüßte Faesers Ankündigungen – mahnte aber an, bei der Bereitstellung weiterer Immobilien sei statt langwieriger Prüfungen Eile geboten. Die vorhandenen Plätze reichten höchstens noch bis Ende des Jahres. Städtetagsvizepräsident Burkhard Jung bekräftigte die Bereitschaft der Kommunen, trotz aller Schwierigkeiten Geflüchtete zu unterstützen. Anfeindungen gegenüber Ukrainer*innen, wie es sie etwa am Montagabend am Rande einer rechten Demonstration in Leipzig gegeben hat, nannte er „unerträglich“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe