Flüchtlings-Heim auf Tempelhofer Feld: „Eigentlich irre“
Weil die temporäre Flüchtlingsunterkunft so teuer wird, befürchtet die Initiative 100 Prozent, dass damit das Bebauungsverbot des Feldes umgangen werden soll.
Die Vorbereitungen für den Bau des Containerdorfs auf dem Tempelhofer Feld haben gerade erst begonnen, da flammt erneut eine Diskussion über die temporäre Flüchtlingsunterkunft auf. Angesichts geschätzter Baukosten von rund 16 Millionen Euro „kann man sich schon fragen, ob dieser Aufwand gerechtfertigt ist“, sagte die Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, der taz.
Die Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld meint, dass der „verschwenderische Einsatz von Steuermitteln“ darauf hindeutet, dass es nicht um ein temporäres Vorhaben gehe. „Unter dem Vorwand der Flüchtlingshilfe wird hier eine spätere Bebauung vorbereitet“, befürchtet Initiativensprecherin Mareike Witt. Auch Linken-Chefin Schubert stellt klar: „Es darf keine Aufweichung des Volksentscheids geben.“ Mit der aktuellen rot-rot-grünen Koalition sei das auch nicht zu machen.
Ein Bau für drei Jahre
Auf Initiative der Vorgängerregierung hatte das Abgeordnetenhaus im Februar 2016 das per Volksentscheid verfasste Tempelhofer-Feld-Gesetz geändert, das ursprünglich jede Bebauung des Feldes verboten hat. Seither ist auf ausgewiesenen Flächen östlich und südlich der Hangars eine Bebauung mit Flüchtlingsunterkünften erlaubt, allerdings zeitlich begrenzt bis Dezember 2019 beziehungsweise „längstens drei Jahre“. Der Zeitpunkt Ende 2019 bezieht sich auf bis dahin begrenzte Lockerungen im bundesweit geltenden Gesetz für den Bau von Flüchtlingsunterkünften.
Für Aufregung gesorgt hatte daher die jüngste Aussage der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM), die das Containerdorf baut, in der Berliner Zeitung. Dort wurde das landeseigene Unternehmen dahingehend zitiert, das Ensemble könne bis Februar 2020 genutzt werden, schließlich sei die Baugenehmigung erst im Februar 2017 erteilt worden. Die Sprecherin der Finanzverwaltung, der die BIM untersteht, präzisierte auf taz-Nachfrage: Grundsätzlich könnten die Containerdörfer, auch Tempohomes genannt, zwar drei Jahre genutzt werden. Im Fall Tempelhofer Feld gebe es aber eine „klare Vereinbarung, die Nutzung zum 31. Dezember 2019 zu beenden“.
In einem Volksentscheid im Mai 2014 hatte sich eine Mehrheit der BerlinerInnen für ein unverändertes, also auch unbebautes Tempelhofer Feld ausgesprochen. Zwei Jahre später wurde das Gesetz von der SPD-CDU-Koalition dennoch geändert, um Flüchtlingsunterkünfte dort errichten zu können.
Nach aktuellen Planungen sollen gut 1.100 Menschen in den Wohncontainern am Rand des Tempelhofer Feldes vorübergehend ein Zuhause finden – es ist die größte Unterkunft dieser Art. Neben Wohnungen werden dort auch Verwaltungs- und Seminarräume eingerichtet. Im Juli soll die Siedlung stehen.
Insgesamt sollen in Berlin 23 solcher Containersiedlungen entstehen, die nur für wenige Jahre genutzt werden können, sowie 32 "modulare Unterkünfte für Flüchtlinge" (MUF), die mehrere Jahrzehnte bestehen bleiben sollen. (taz)
Auch Antje Kapek, Grünen-Fraktionschefin, betonte dies gegenüber der taz: „Die Frage ist nicht verhandelbar“, die Befristung der Nutzung bis Ende 2019 sei im Koalitionsvertrag festgelegt. Wichtig sei daher, dass der Senat schon jetzt anfange, Konzepte zu entwickeln, wo die rund 1.000 Menschen im Anschluss wohnen sollten.
Kapek erinnerte an ihren Vorschlag von vor einem Jahr, Flüchtlinge dezentral in Holzmodulbauten unterzubringen. Diese könne man auch an bestehende Häuser anbauen, etwa auf deren Dächern. Das sei wesentlich günstiger als Beton-Container, schneller auf- und abzubauen „und mit lokalen Anbietern machbar“, erklärte sie.
Linkspartei-Chefin Schubert betonte, das Containerdorf sei ein Projekt der Vorgängerregierung und in seiner Größen- und Kostendimension „eigentlich irre“. Für Alternativen sei es nun jedoch zu spät. Kapek ergänzte, immerhin seien die Container „definitiv besser als die Hangars“. Der neue Gebäudekomplex ist für die dortigen BewohnerInnen vorgesehen.
Aktuell plant die BIM auf der Feldwiese östlich des Vorfelds die Aufstellung von 974 Containern für insgesamt 1.120 Menschen. Das entspricht dem Äquivalent von vier Standorten (je 280 Flüchtlinge auf 244 Containern). 150 Container stehen laut Finanzverwaltung bereits, die „richtigen“ Baumaßnahmen sollen im April beginnen und „im Sommer“ abgeschlossen sein. Von den geschätzten 16 Millionen Euro Kosten entfallen 7,2 Millionen auf den Preis für die Container, der Rest seien „weitere Bauleistungen und Baunebenkosten“, ein Großteil dürften wohl Erschließungskosten sein.
Keine Bürgerbeteiligung
Genau dies macht die Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld misstrauisch. „Mit den Containern wird die Erschließung des Bodens vorgenommen“, erklärt Witt. Und damit hätten die Bebauungsbefürworter etwa in der SPD ein wichtiges Argument der Bebauungsgegner durch die Hintertür ausgeräumt: dass nämlich wegen der hohen Erschließungskosten niemals günstiger Wohnraum am Feld entstehen könne. Die Befürchtungen der Initiative werden zudem durch die schlechte Informationspolitik des Senats genährt, beklagt Witt. „Es gibt keine Transparenz, keine Bürgerbeteiligung“ – dabei sei Letztere durch das Tempelhofer-Feld-Gesetz eigentlich verpflichtend.
Merkwürdig findet Witt auch, dass die Container nicht auf das Vorfeld des Flughafengebäudes, sondern auf die Wiese daneben gesetzt werden. Diese Fläche sei laut Gesetz eigentlich nur als Reservefläche vorgesehen, falls der Bedarf an Unterkünften noch weiter steige. „Das wundert uns, wo es inzwischen ja um viel weniger Menschen geht.“
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