Flüchtlinge in Deutschland: 437 Mal Geld für Rückkehr nach Syrien
Deutschland unterstützt syrische Geflüchtete finanziell, damit sie in ihr Heimatland zurückkehren. Dabei ist das nicht sicher.
„Syrische Staatsangehörige werden zudem durch Bundesbehörden in keiner Weise zur freiwilligen Ausreise ermutigt. Die Refinanzierung der freiwilligen Ausreise erfolgt gleichwohl“, heißt es weiter. An dieser Praxis wolle die Regierung festhalten.
Die US-Fachzeitschrift „Foreign Policy“ hatte vor zwei Wochen über einen Palästinenser aus Syrien berichtet, der mit finanzieller Unterstützung Deutschlands nach Syrien zurückgekehrt sei, weil er seine Verlobte aus Syrien nicht zu sich nach Deutschland habe holen können. Voraussetzung für die sogenannte Familienzusammenführung ist, dass die Ehe vor der Flucht geschlossen wurde.
Dem auf Angaben von Angehörigen basierenden Bericht zufolge wurde er in Damaskus vom Geheimdienst einbestellt und tauchte nicht mehr auf. Ein zweiter Palästinenser sei an der libanesisch-syrischen Grenze verschwunden. Er sei auf dem Weg zu seiner Frau in Syrien gewesen. In diesem Fall sei die Familienzusammenführung an fehlenden Dokumenten gescheitert.
Entweder Trennung oder Krieg
Mit ihrer kaltherzigen Politik bringe die Regierung Flüchtlinge in eine verzweifelte Lage, sagte Jelpke. „Viele von ihnen stehen vor der Wahl, entweder auf weitere Jahre von ihren engsten Angehörigen getrennt zu bleiben oder zu ihren Familien in Krieg und Verfolgung zurückzukehren und dabei ihr Leben aufs Spiel zu setzen.“
Die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner forderte eine „ernsthafte Rückkehrberatung“ für jeden Flüchtling, der eine freiwillige Rückkehr nach Syrien plane. „Stellt sich heraus, dass jemand nur deshalb ein hohes Risiko eingeht, weil ein Verfahren zur Familienzusammenführung nicht vorangeht, sollte man sich das genauer ansehen“.
Der deutsche Staat habe hier eine gewisse „Fürsorgepflicht“. Die Bundesregierung müsse sich zudem dafür einsetzen, dass die Verfolgung von in Syrien begangenen Gräueltaten zum Schwerpunkt der nächsten Syrien-Zukunftskonferenz wird, die am 12. März in Brüssel beginnt.
Geld für Ausreise
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) unterstützt eine freiwillige Rückkehr nach Syrien nicht. „Die derzeitige Lage in Syrien ist für eine Rückkehr in Sicherheit und Würde nicht förderlich“, teilte die Organisation auf Anfrage mit. Für die Zivilbevölkerung bestünden weiterhin erhebliche Risiken.
Seit Anfang 2019 ist eine finanzielle Förderung der freiwilligen Rückkehr auch für Menschen aus Eritrea, Libyen und dem Jemen möglich. Bislang sind nach offiziellen Angaben jedoch noch keine Anträge von Ausreisewilligen aus diesen Staaten eingegangen.
Aus Tunesien, Algerien und Marokko waren im vergangenen Jahr 367 Menschen freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt. Im Gegensatz zu Asylbewerbern aus Syrien erhalten Antragsteller aus den Maghreb-Staaten nur selten einen Schutzstatus in Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen