Flüchtlinge in Bihać: Menschenrechte zählen nicht

Die kleine Stadt weigert sich zu Recht, rund 7.000 Migranten zu beherbergen. Sowohl die Stadt als auch die Flüchtlinge werden alleingelassen.

Männliche Flüchtlinge vor einem Zelt

Im Stich gelassen: Geflüchtete im Lager Vučjak bei Bihać Foto: Marko Djurica/reuters

Alle fordern nun, das Lager Vučjak in Bihać zu schließen. Das ist ja auch richtig so. Sogar der EU-Delegationschef in Bosnien und Herzegowina fordert die Auflösung. Das Lager wurde auf einer Müllhalde errichtet; ohne Sanitäranlagen, Strom und Wasser müssen 800 Migranten Wind, Regen und Kälte trotzen. Krankheiten und Unterernährung sind die Folge, das ist nicht nur eine Gefahr für die Gestrandeten, Seuchen können sich auch über das Lager hinaus schnell verbreiten.

Aber wohin mit ihnen? Die kleine Stadt weigert sich zu Recht, weiterhin zusammengenommen 7.000 Migranten zu beherbergen. Die „Regierung“ von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo ist angesichts der komplizierten und zersplitterten politischen Struktur nicht in der Lage, eine befriedigende Ini­tiative zu ergreifen. Dabei warnten die Hilfsorganisationen schon vor Monaten vor der Katastrophe, die jetzt eingetreten ist.

Und Europa? Das EU-Land Kroatien, das zur Jahreswende die Führerschaft in der EU übernimmt, tut nichts anderes, als Migranten mit teilweise brutaler Gewalt daran zu hindern, weiter nach Norden zu kommen. Zeitgleich lässt die Türkei zunehmend Migranten nach Griechenland ziehen. Von dort aus versuchen immer mehr Menschen, die neue Balkanroute über Serbien und Montenegro nach Bosnien zu nutzen. Und werden hier, nicht nur wegen des Winters, hängen bleiben. Das Europa der EU schließt davor die Augen.

Und was macht Serbien? Niemand will dort die Migranten haben. Die Grenzen nach Bosnien werden von serbischer Seite nur lax bewacht. Im serbischen Teilstaat Bosnien und Herzegowinas, der Republika Srpska, geht die Polizei hart gegen muslimische Migranten vor, wenn sie nicht sofort in die bosnia­kischen Gebiete ausweichen. Ähnlich verfahren die bosnischen Kroaten.

Die Migranten sitzen im Gestrüpp der balkanischen Verhältnisse fest. Nur die, die Geld haben, können Schlepper bezahlen. Das ist ein gutes Geschäft für manche in Serbien, Bosnien und Kroatien. Menschenrechte zählen vor allem für die Männer von Vučjak nicht mehr. Aber nicht nur für die.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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