Flüchtlinge in Bangladesch: Rohingya sollen auf Insel leben

Bangladesch will einen neuen Versuch starten, Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar zu verfrachten. Die dafür vorgesehene Insel ist flutgefährdet.

Protestierende Menschen

Rohingya im Lager Kutupalong bei Cox's Bazar gedenken am 25. August ihrer Vertreibung aus Myanmar Foto: Rafiqur Rahman/reuters

DELHI taz | Die Idee ist nicht neu: Seit einigen Monaten schon möchte Bangladesch einen Teil der rund eine Million aus Myanmar stammenden Rohingya auf einer abgelegenen Insel im Golf von Bengalen ansiedeln. Jetzt wurde für Anfang November ein neuer Versuch angekündigt, eine erste Gruppe von mehreren tausend Flüchtlingen umzusiedeln.

„Wir wollen gut vorbereitet sein und werden deshalb ab dem 1. November Personal auf die Insel schicken“, sagte Shah Kamal vom bangladeschischen Ministerium für Katastrophenschutz gegenüber lokalen Medien.

Es handelt sich nicht um den ersten Umsiedlungsversuch. Aber zum ersten Mal könnte es tatsächlich klappen. Denn im überfüllten Camp wächst der Druck auf die Rohingya. Die Behörden haben das mobile Internet im Camp gekappt und angekündigt, Überwachungskameras zu installieren sowie einen Stacheldrahtzaun um die Lager zu errichten.

Flüchtlinge berichteten der tazim Juni, dass sie sich anders als zu Beginn im Camp immer mehr vernachlässigt fühlten. „Wir können hier von unserem eigenen Haus erschlagen werden“, berichtete ein 28-jähriger Rohingya, der seinen Namen nicht nennen wollte, über den schlechten Zustand der Hütten aus Bambus und Plastikplanen.

Freiwillige vor

Medienberichten zufolge sind zumindest vereinzelte Flüchtlinge jetzt bereit tatsächlich auf die Insel Bhasan Char umzuziehen. „Ich habe mich bereit erklärt zu gehen. Das Camp hier ist so überfüllt“, sagte der 50-jährige Nur Hossain der Nachrichtenagentur AFP.

Doch Menschenrechtsgruppen sind besorgt. „Die traumatisierten Rohingya auf einer Insel abzustellen, wo sie erneut um ihre Sicherheit fürchten müssen, ist keine Lösung“, sagt Brad Adams, Asien-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Bhasan Char liegt rund 30 Kilometer von der Hafenstadt Chittagong entfernt und damit etwa sechs Autostunden nördlich der bisherigen Lager. Die noch weitgehend unbewohnte Insel ist erst vor rund 20 Jahren aus Schlickablagerungen entstanden.

Aufnahmen von der Insel zeigen mehrstöckige Betonbauten mit roten Dächern. Die Regierung gibt an, einen Damm gebaut zu haben. Die Insel ist Einheimischen zufolge in der Regenzeit regelmäßig überflutet und liegt in einem Gebiet, das häufig von Zyklonen heimgesucht wird.

UN-Sondergesandte äußert Zweifel

Die UN-Sondergesandte für Menschenrechte in Myanmar äußerte nach einem Besuch der Insel im Januar 2019 Zweifel, ob sie „tatsächlich bewohnbar“ sei. Bangladeschs Behörden entgegnen, die Gebäudestrukturen und Zyklon-Schutzunterkünfte, die man für rund 100.000 Rohingya gebaut habe, seien besser als das, was den eigenen Landsleuten zur Verfügung stehe.

Bangladeschs Außenminister A.K. Abdul Momen bezichtigte Hilfsorganisationen in einem Interview der Deutschen Welle, Flüchtlingen einzureden, nicht auf die Insel zu gehen. „Manche NGOs haben einfach keine Lust auf der Insel zu arbeiten“, erklärte er.

Dennoch versprach er, Flüchtlinge nicht gegen ihren Willen umzusiedeln. „Wir zwingen niemanden. Sonst könnten wir sie ja auch einfach zwingen, zurück nach Myanmar zu gehen.“

Vor inzwischen fast zwei Jahren sind nahezu eine Million muslimische Rohingya vor dem myanmarischen Militär nach Bangladesch geflohen. Dort sind die Camps zur größten Flüchtlingssiedlung der Welt geworden.

Längst handelt es sich nicht mehr um eine humanitäre Krise, sondern um ein festgefahrenes Flüchtlingsproblem. In ihrer früheren mehrheitlich buddhistischen Heimat will man die staatenlose Minderheit nach wie vor nicht haben. Und Bangladesch fühlt sich zu Unrecht von der internationalen Gemeinschaft unter Druck gesetzt, sich um die Flüchtlinge zu kümmern.

Keine Sicherheitsgarantien, keine Rückkehr

Dabei schien zumindest auf dem Papier alles klar: Kurz nach der Massenflucht 2017 unterzeichneten Myanmar und Bangladesch ein Rückführungsabkommen. Mehrere Versuche, Rohingya zurück nach Myanmar zu bringen, scheiterten allerdings kläglich.

Diejenigen, die auf angeblichen Rückführungs-Listen gelandet waren, versteckten sich tagelang im Wald. Manche versuchten sogar sich umzubringen. Im Camp brachen Proteste aus.

Die Rohingya wollen zurück nach Myanmar. Aber nicht unter allen Umständen. Sie fordern, die myanmarische Staatsbürgerschaft zurückzubekommen, die man ihnen über Jahre hinweg nach und nach weggenommen hat. Und vor allem wollen sie eine Garantie für ihre Sicherheit.

Doch wer die geben soll, ist unklar. Die Verfolgung der Minderheit gipfelte vor zwei Jahren nach einem Angriff von Rohingya-Rebellen in einer Militäroperation, die von der UN als Völkermord bezeichnet wird.

Seitdem hat sich die Situation in Myanmars westlichem Rakhine-Staat nicht gebessert, im Gegenteil. Seit Januar tobt dort auch ein bewaffneter Konflikt zwischen Militär und der buddhistischen Rakhine-Bevölkerung des Staates. Amnesty International wirft dem Militär vor, erneut Kriegsverbrechen zu begehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.