Flüchtling gewinnt Literaturpreis: Buch in 5 Jahren per SMS geschrieben
Der höchst dotierte australische Literaturpreis geht an den Asylsuchenden Behrouz Boochani, der das Lager auf Manus beschreibt.
Mit dieser per Video übertragenen Botschaft reagierte der kurdisch-iranische Autor Behrouz Boochani vergangenen Donnerstag auf die Nachricht, dass er der diesjährige Preisträger von Australiens höchstdotiertem Literaturpreis ist, dem Victorian Prize for Literature.
Persönlich konnte der Asylbewerber die Auszeichnung allerdings nicht entgegennehmen. Denn er sitzt seit 2013 auf Papua-Neuguineas Außeninsel Manus fest, wo ihn Australiens Regierung seitdem mit hunderten anderen sogenannten „Boat People“ interniert hat.
Boochani bekommt die Auszeichnung gleich in zwei Kategorien für sein Erstlingswerk „No Friend But the Mountains: Writing from Manus Prison“. Das Preisgeld beträgt zusammen umgerechnet 88.500 Euro.
Das Besondere an dem Buch abgesehen vom Inhalt: Boochani schrieb es nicht nur über fünf Jahre in Farsi in Gefangenschaft, sondern aus Angst vor Beschlagnahmung auch ausschließlich in Form von Kurznachrichten auf seinem Handy.
Schreiben nur per SMS aus Angst vor Beschlagnahmung
Die SMS schickte er dann an einen Freund in Australien, der sie übersetzte. Das Preiskomitee lobte jetzt das speziell Literarische des ungewöhnlichen Werkes. Es reiche von besonderen Erzählungen über kritische Analysen und Poesie bis hin zu „dystopischem Surrealismus“.
Der frühere Journalist Boochani wurde in der Gefangenschaft auch zu einem wichtigen Zeugen der menschenrechtswidrigen Flüchtlingspolitik Australiens und zugleich zum Sprachrohr seiner mehrerer Hundert Mitgefangener.
Per SMS klärte er die Welt über die unhaltbaren Zustände des australischen Internierungssystems auf, das unter rechten Parteien in Europa Anhänger hat.
Auch die taz nutzte Infos aus Boochanis SMS und zitierte ihn anlässlich eines Flüchtlingsprotests im November 2017 in dem Lager, das Journalisten sonst nicht betreten durften.
Schandflecken australischer Politik
Das Lager Manus und ein anderes im südpazifischen Ministaat Nauru sind Schandflecken australischer Politik. Papua-Neuguineas oberstes Gericht ordnete 2017 die Schließung von Manus an.
Doch die Flüchtlinge sind seither auf der kleinen Insel weiter gefangen. Sie dürften sie nur in Richtung ihrer Heimat verlassen, aus der sie geflohen sind.
Ein Abkommen mit der Obama-Regierung der USA kündigte der jetzige Präsident Donald Trump direkt nach seinem Amtsantritt auf. Seitdem ist Boochanis Schicksal wieder völlig unklar. Auch darauf weist jetzt der angesehene Literaturpreis des australischen Bundesstaates Victoria exemplarisch hin.
Als Kurde im Iran unter Druck
Boochari wurde 1983 im westiranischen Ilam geboren, studierte später Politikwissenschaften in Teheran und wurde dann freier Journalist, der als Kurde den Argwohn der Behörden erregte.
2011 wurde er erstmals verhaftet und verhört. 2013 wurde die kurdische Zeitung, für die er schrieb, von den Revolutionsgarden überfallen.
Darauf entschloss sich Boochani zur Flucht. „Ich wollte nicht Jahre in einem Gefängnis leben oder vom System getötet werden“, erklärte er nun. „Unglücklicherweise landete ich in einem anderen Gefängnis, in einem Land, das behauptet, eine liberale Demokratie zu sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW