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Fluchtroute über den BalkanPushbacks von Ampel mi­t­finanziert

Die Regierung unterstützt Grenzpolizeien der Balkanstaaten mit viel Geld. Deswegen fordert die Linke Offenlegung durch die Bundesinnenministerin.

Ein bosnischer Grenzpolizist bewacht einen Abschnitt der Drina zu Serbien Foto: Armin Durgut/Pixsell/imago

Berlin taz | An fast allen Grenzen der Balkanroute müssen Flüchtlinge mittlerweile damit rechnen, gewaltsam zurückgewiesen zu werden. Die Ampel hält diese Pushbacks offiziell für rechtswidrig und kritisiert sie. Gleichzeitig unterstützt sie die Grenzpolizeien der Balkanstaaten mit Millionensummen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Victor Perli hervor, die der taz vorliegt.

Demnach bekommen die Grenzpolizeien der südosteuropäischen Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Moldau, Nordmazedonien und Serbien in den Haushaltsjahren 2021 und 2022 insgesamt rund 6,6 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt für sogenannte polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe. Kroatien, das für seine besonders exzessive und gewalttätige Pushback-Praxis bekannt ist, erhält rund 200.000 Euro. Für welche konkreten Anschaffungen oder Projekte die Gelder verwendet werden sollen und welche Gegenleistungen gegebenenfalls dafür erwartet werden, teilte das Bundesinnenministerium Perli auf Anfrage nicht mit.

„Die Bundesregierung finanziert die Grenzschutzbehörden der Balkanstaaten mit Millionensummen, obwohl Presseberichte über illegale Pushbacks zunehmen“, sagt Perli. Er fordert, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die entsprechenden Vereinbarungen mit den Staaten offenlegt. Es werde immer deutlicher, dass die Balkanländer zu Türstehern der EU gegen flüchtende Menschen aufgerüstet werden, so Perli. „Es ist mehr als irritierend, dass auch ein SPD-geführtes Innenministerium die Polizeikräfte in zahlreichen Diktaturen in Asien und Afrika unterstützt.“ Faeser setze damit den Kurs ihres Vorgängers Horst Seehofer fort.

Die direkten Zuwendungen aus Berlin kommen neben den teils erheblich höheren Unterstützungszahlungen aus verschiedenen EU-Fonds, die seit Jahren fließen. Kürzlich wurde bekannt, dass die Balkanstaaten weitere 39 Millionen Euro aus Brüssel zur Abwehr von Flüchtlingen erhalten sollen. Neben den Balkanstaaten bekommen auch Länder wie Algerien, Ägypten, Katar, Saudi-Arabien, Sudan, Vereinigte Arabische Emirate und aktuell aus Deutschland Geld für ihre Polizeibehörden. An Katar etwa flossen 2021 und 2022 rund 56.000 Euro, an Saudi-Arabien rund 63.000 Euro für Grenzschutz.

Schwerpunkt bleibt der Balkan

Ein Schwerpunkt der grenzpolizeilichen Zusammenarbeit wird aber weiter der Balkan bleiben. In der vergangenen Woche hatte Faeser dazu die Innenminister der Westbalkanstaaten in Berlin zu einem Treffen empfangen. Zu den vereinbarten Maßnahmen, um die irreguläre Migration über die sogenannte Balkanroute zu begrenzen, gehören unter anderem eine „Angleichung der Visa-Politik an die Regeln der Europäischen Union“ sowie eine „effektive Sicherung der EU-Außengrenzen, mit Unterstützung der Grenzschutzagentur Frontex“. Um zu verhindern, dass die Maßnahmen im Sande verlaufen, sollen die Treffen ab sofort alle sechs Monate statt wie bisher einmal im Jahr stattfinden.

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9 Kommentare

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  • 3G
    39538 (Profil gelöscht)

    Ihre rhetorische Frage, wohin das angesichts all der Flüchtenden noch führen soll, wäre genauso rhetorisch beantwortet, wenn frau sägte, keinerlei Gelder mehr an Staaten, die keine reine Weste haben; die in Not geratenen Menschen würden dann sicher viel besser behandelt.

    Im Ernst: Ich verstehe die hohe moralische Warte, dass Deutschland sich auf keinen Fall kompromittieren soll, wenn es aber nur bei der Empörung bleibt, dass Gelder mal wieder in zweifelhafte Kanäle geflossen sind, haben wir uns der Sache nicht wirklich angenommen.

  • Wir sind halt maximal verlogen. Einerseits haben wir das große Verlangen endlich mal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und signalisieren Aufnahmebereitschaft. Wenn Geflüchtete dann aber in nennenswerter Anzahl kommen, merken wir, dass eine Machtübernahme der AfD vielleicht doch nicht so erstrebenswert wäre. Weil wir aber unser Gesicht nicht verlieren wollen, ändern wir unsere Politik nicht aber finanzieren hintenrum die Abschreckung durch andere Staaten, auf die wir dann noch öffentlichkeitswirksam mit dem Finger zeigen können. Die ganzen Probleme die wir Ländern auf der Route nach Deutschland aufhalsen und die dort zum Erstarken der Rechtspopulisten führen, könnten durch eine ehrliche Ansage der deutschen Politik behoben werden. Richten wir endlich sichere Flugverbindungen nach Deutschland ein oder schwenken wir endgültig auf den Kurs all unser Nachbarstaaten um. Es wird Zeit hier mal eine Entscheidung zu fällen. Die deutsche Politik in dem Bereich ist sonst der Todesstoß für das Projekt EU.

    • @Šarru-kīnu:

      Sehr guter Kommentar. Dieses ja, aber, wir sind ja alle sooooo korrekt, nervt alle Grenzstaaten Deutschlands und die Staaten auf dem Balkan ungemein. Die deutsche Rumlavier-Politik schafft ausschließlich Rechtspopulismus-Regierungen. Nichts weiter.

  • Wir reden hier von systematischen Menschenrechtsverletzungen von Staaten - und dies in Erwartung einer Vervielfachung der Geflüchteten-Anzahl durch den Klimawandel. .

    Wohin soll und wird dies führen?

  • Nun ja, die betroffenen Länder sind souveräne Staaten, mit demokratisch legitimierten Regierungen -das gilt besonders für den Kosovo -also ...



  • Weiß die Ampel überhaupt noch was sie tut ?

    Wie wäre denn in diesem Fall das passende Pendant für



    "Wasser predigen und Wein saufen"

    Ich muss sagen: Bei der nächsten Wahl bekommen die Linken meine Stimme.



    Das sind ja die einzigen, die wirklich Oppositionsarbeit leisten und es wagen kritische Fragen zu stellen !!!

    • @Bolzkopf:

      Ich schließe mich dem Handeln an!!

    • @Bolzkopf:

      So lange Teile der Linken die Demokratie abschaffen wollen und hier gefährlichen Aufruhr anstiften- wie die AFD auch, sind sie für mich niemals wählbar. Mögen sie in diesem Punkt auch tatsächlich wirklich Recht haben - wählbar sind sie für mich noch lange deshalb nicht.

    • @Bolzkopf:

      @Bolzkopf: in der Opposition ist das alles auch immer ganz einfach!