Pushbacks an der kroatischen Grenze: Fatales Wegschauen

Videos über eine prügelnde Grenzpolizei in Kroatien haben jüngst die Öffentlichkeit aufgerüttelt. Dabei ist das Problem seit Jahren bekannt. Konsequenzen? Fehlanzeige.

Ein junger Geflüchteter hält ein Pappschild mit der Aufschrift "SEARCHING FOR A SAFE HOME" hoch

Selbstorganisierte Proteste von Flüchtenden Anfang Oktober Foto: theborderstartshere.com

Die Videos von prügelnden Po­li­zis­t:in­nen an der EU-Außengrenze verbreiteten sich schnell in den sozialen Medien. Das mediale Echo ist angemessen. Dass es erst jetzt kommt, zeigt jedoch Leerstellen in der Berichterstattung auf. Seit Jahren berichten Flüchtende und Ak­ti­vis­t:in­nen von Gewalt an den EU-Außengrenzen – ohne Reaktionen der breiten Öffentlichkeit.

Die große Mehrheit der Schutzsuchenden im bosnisch-kroatischen Grenzgebiet hat eine zweistellige Anzahl an versuchten Grenzübertritten hinter sich, die alle mit illegalen Rückführungen endeten. Zugegeben, die neuen Aufnahmen sind wichtig für die Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen. Aber Neues berichten sie nicht.

Dass systematische Gewalt erst nach Veröffentlichung der Videos in den Medien breiter diskutiert wird, zeugt von einer Gesellschaft, in der die Lebensrealitäten von Flüchtenden keinen Platz haben. Das kollektive Wegschauen ist so fatal, weil die Gewalt tief im Zentrum der EU verankert ist. Die Grenzpolizei und Frontex werden mit EU-Geldern finanziert. Europäische Unternehmen sind Teil der Militarisierung und Technologisierung des Grenzregimes.

Auch vermeintlich humanitäre Hilfsorganisationen tragen aktiv zur Abschottungspolitik bei, indem sie Schutzsuchende in Camps fernab der Grenzen unterbringen. Die International Organisation for Migration (IOM) unterstützt bei gewaltsamen Räumungen selbst organisierter Camps die bosnische Spezialpolizei. EU-Gelder an die Organisation fließen in Drohnen, Wärmebildkameras und Spezialfahrzeuge.

Diese Informationen sind frei zugänglich, und die Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen hinter dieser Politik werden oftmals wiedergewählt. Wir als Steu­er­zah­le­r:in­nen tragen diese Grenze mit. Die Schuld auf das kroatische Innenministerium abzuwälzen, ignoriert die eigene Verantwortung und blendet Möglichkeiten politischen Handelns aus. Wir dürfen unsere Bestürzung nicht auf die kroatische Polizei beschränken: Die Gewalt wird durch unser Wegschauen und unsere Steuergelder ermöglicht.

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26, ist politischer Geograf. Er schreibt als Teil des Netzwerks „The border starts here“, das die Perspektiven von Flüchtenden an der EU-Außen­grenze sichtbar machen will.

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