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"Unnötig" ist eine Frage der Perspektive.
Die Panikmache um Migration/Flüchtende ist ganz und gar nötig, wenn man eine Partei ist,
- die keinerlei konstruktive Lösungen für Probleme hat wie
wachsende soziale Ungleichheit, Überalterung, Fachkräftemangel (ein Effekt von zu niedrigen Löhnen und alternder Bevölkerung) und/oder globale Klimaerwärmung,
- trotz inhaltlichem Bankrott in punkto policies unbedingt an die Macht will und
- deren Wählerschaft relativ einfach durch Ressentiments zu mobilisieren ist.
Dann ist die Panikmache absolut notwendig.
Dafür übersieht man auch gerne, was für antidemokratischen Einstellungen und welcher Partei man damit eigentlich Vorschub leistet und wessen Steigbügelhalter man wird.
Second order thinking wird vom unbedingten Willen zur Macht platt gemacht.
Nichts aus der Geschichte gelernt. Nichts.
Geht es wirklich noch um den Stand von "Zahlen"? Muss man 2023 noch "Bilder instumentalisieren", um migrationskritische Haltungen zu verstärken? Sind "der Elefant im Raum" tatsächlich ukrainische Geflüchtete? Ist die momentane "Belastung deutscher Städte und Kommunen" wirklich nur durch ungenügende logistische Vorbereitung oder unsachgemäß verknappte Geldmittel erklärt? Es scheint, als seien die Argumente des Autors durch ewiges, jahrelanges Wiederholen nicht schlagender geworden. Sie wirken in ihrer Absolutheit inzwischen bockig und hilflos. Aber auch so ist man ein Teil der Auslöser für die Rechtsdrift, die ganz EU-Europa erfasst hat und sich daher irgendwann auch im EU-Parlament und den EU-Institutionen niederschlagen wird. Man kann diesen Zusammenhang übrigens auch in aller Ruhe und ganz ohne "Panikmache" bemerken und kritisch sehen.
@bleakest "Es scheint, als seien die Argumente des Autors durch ewiges, jahrelanges Wiederholen nicht schlagender geworden. Sie wirken in ihrer Absolutheit inzwischen bockig und hilflos"
Der Anschein reicht Ihnen offensichtlich um Ihren Ängsten nachzuhängen, Fakten wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen?
Glauben Sie die Flüchtlinge werden sich an eine "Obergrenze" halten?
Nehmen Sie bitte die Realität zur Kenntnis und hören Sie auf mit der Panikmache!
@bleakest Richtiger und wichtiger Kommentar!
Auch viele Kommentare in der taz demonstrieren die Bereitschft zur volksgemeinschftlichen Barbarei und lassen erahnen, dass im Gegensatz zum Bild des "Vergangenheitsaufbereitungsweltmeisters" nichts gelernt wurde.
Insofern liegen Merz und Söder und der ganze "pragmatische" Rest, der auf den Fascho-Diskurs zur Migration einsteigt nur marginal daneben - aber dafür, dass ihre Hassreden den gewünschten Erfolg zeitigen, ist das Bedürfnis nach ordentlichen, originalen Nazis vor, die wählen dann lieber AfD oder den mittlerweile erwiesen ideologiesicheren Aiwanger.
Rund 179.000 Menschen erreichten zwischen Januar und September 2023 die Grenzen der Europäischen Union über das Mittelmeer (Stand: 19.9.2023). Das sind rund 62 Prozent mehr Ankünfte als im Vorjahreszeitraum. Rund 128.600 Personen kamen nach Italien über die sogenannte zentrale Mittelmeer-Route.
@SeppW Wäre schön, wenn die taz mal irgendwie reagieren würde.
"Die Zahl der übers Mittelmeer Flüchtenden ist viel geringer, als die Zahl derer, die 2022 gekommen sind."
Und warum nennen sie die Zahlen nicht, Fakten können nützlich sein?
@Rudi Hamm Fragen wir die UNHCR:
Bis Ende September 2023:
191.224
Im Jahr 2022:
159,410
Und im Jahr 2015, dessen Wiederkehr gerade ideologisch behauptet wird:
1.032.408
@Rudi Hamm Und das Jahr ´23 ist ja auch noch gar nicht rum.
@Suchender und falls in den nächsten 3 Monaten noch mal 60.000 flüchtende dazu kämen,
wir wären trotzdem noch sehr weit von zahlen wie in 2015 entfernt.
dann wäre in 2023 nur 1/4 an flüchtenden in die EU gekommen im vergleich zu 2015.
ein viertel.
@pika Es geht hier aber konkret um den Vergleich mit 2022 und nicht mit 2015.
Die militärische Lage ist bitterernst für die Ukraine. Das geschundene Land braucht weiter Hilfe aus dem Westen – wie einst versprochen.
Flucht und Migration: Unnötige Panikmache
Die Bilder aus Lampedusa sind irreführend. Die Zahl der übers Mittelmeer Flüchtenden ist viel geringer, als die Zahl derer, die 2022 gekommen sind.
Die Männer warten auf Lampedusa vor einem Aufnahmezentrum für Migranten Foto: Cecilia Fabiano/dpa
Bilder der voll gepferchten Boote und des überfüllten Auffanglagers auf Lampedusa gingen Mitte September um die Welt. Italiens rechter Regierungschefin Giorgia Meloni kamen sie ungelegen, hatte sie im Wahlkampf doch noch versprochen, mit ihr werde es so etwas in Zukunft nicht mehr geben. Anderen Rechtspopulisten kamen die Bilder aber wie gerufen. Marine Le Pen in Frankreich warnte in Angstlust vor einer „Überschwemmung mit Migranten“.
Und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki orakelte, „ganz Europa“ werde bald wie Lampedusa aussehen, wenn man dem nicht einen Riegel vorschiebe. Solche Angstszenarien sind das Geschäftsmodell von Rechtspopulisten. Sie sprechen von „Flut“, „Invasion“ und „Völkerwanderung“, um sich als vermeintliche Retter des angeblich bedrohten Abendlands gerieren zu können.
Seriöse deutsche Medien ließen sich von der Panikmache anstecken: Ob „maybritt illner“, ARD-„Presseclub“ oder Spiegel – wann immer es letzthin um Flüchtlinge ging, mussten Bilder aus Lampedusa dafür herhalten, einen völlig falschen Eindruck von der aktuellen Problemlage zu vermitteln.
Die Belastung deutscher Städte und Kommunen hat andere Gründe. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erinnerte daran, dass man die Bundesregierung schon vor Monaten auf die Probleme der Unterbringung von Geflüchteten hingewiesen habe. Damals sprach seine Partei aber noch nicht von einer „Migrationskrise“. Inzwischen übernehmen viele Medien dieses fragwürdige und alarmistische Framing, und die Panikmache zeigt Wirkung:
Der Widerstand wächst
Fast zwei Drittel der deutschen Bevölkerung geben sich laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend unzufrieden mit der deutschen Migrationspolitik und finden, Deutschland solle weniger Flüchtlinge aufnehmen. Der Elefant im Raum sind die vier Millionen Menschen, die Europa im vergangenen Jahr aufgenommen hat, weil sie aus der Ukraine geflohen sind. Sie müssen kein Asylverfahren durchlaufen, dürfen sich frei in Europa niederlassen und arbeiten, ihre Kinder zur Schule schicken und sind krankenversichert.
Ihren besonderen Schutzstatus haben die EU-Innenminister an diesem Donnerstag um ein weiteres Jahr bis 2025 verlängert. Doch auch sie brauchen Wohnraum und Kinderbetreuung, beanspruchen Behörden und Sozialsysteme. Die Debatte konzentriert sich aber ausschließlich auf die Menschen, die aus anderen Ländern nach Europa fliehen. Für diese wird die Europäische Union das Asylrecht verschärfen, dafür hat Deutschland in dieser Woche den Weg frei gemacht.
Auch im Inland verschärft die Ampelkoalition unter dem Druck von FDP und Opposition ihre Gangart. Dabei fliehen auch aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, der Türkei und Iran viele Menschen vor Krieg und Verfolgung – aus diesen fünf Ländern stammen die meisten Menschen, die derzeit in Deutschland Asyl beantragen. Afrikaner aus frankophonen Ländern wie Guinea, Burkina Faso oder Elfenbeinküste, die in Italien landen, zieht es eher in Staaten, in denen man auch Französisch spricht.
Warum kürzlich überhaupt so viele Menschen innerhalb von wenigen Tagen auf Lampedusa strandeten ist unklar. War es Torschlusspanik, weil die EU-Kommission im Juli einen Deal mit Tunesiens neuem De-facto-Diktator Kais Saied vereinbart hatte, die sie in die kaum seetüchtigen Boote trieb? Ließ Tunesien sie ziehen, weil das von der EU versprochene Geld noch nicht angekommen war?
Lampedusa wird instrumentalisiert
Fest steht, dass jetzt mehr Flüchtlinge die nahe vor Tunesien gelegene Insel ansteuerten, weil der Weg zu anderen Häfen gefährlicher geworden war, seit Italiens Regierung die Arbeit der Seenotretter im Mittelmeer erschwert und den Weg aus Libyen über Abkommen mit libyschen Milizen verschlossen hat. Die Routen haben sich schlicht verlagert. Die Bilder aus Lampedusa haben der Asyldebatte in Europa neuen Auftrieb gegeben, sie werden dafür instrumentalisiert.
Dabei ist dort längst wieder Ruhe eingekehrt, die meisten Bootsflüchtlinge wurden aufs Festland verteilt. Es wäre gut, wenn auch Europa zu dem nüchternen Pragmatismus zurückkehren würde, der vor einem Jahr herrschte, als Millionen von Ukrainern in den Westen flohen. Die Situation heute ist nicht annähernd so dramatisch wie 2022, auch nicht wie 2015. Es kommen viel weniger Menschen zu uns als in diesen beiden Krisenjahren.
Ja, viele Helfer sind erschöpft und ernüchtert, denn die Aufgaben sind groß. Ja, manche Kommunen – längst nicht alle – sind überlastet und brauchen mehr Geld. Aber die Situation ist nicht außer Kontrolle, wie Ex-Bundespräsident Joachim Gauck schwadronierte. Es ist zu schaffen, immer noch.
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kommentar von
Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt zu bundespolitischen Themen und interessiert sich speziell für die Themen Migration, Integration und Religion, aber auch für Popkultur und globale Musik. 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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