Flirt-Tipps nach Bravo: Das Satiremagazin
„Bravo“ hat sich noch nie als sonderlich politisch korrekt präsentiert. Doch wie gut, dass Mädchen und Jungen in der Regel selber denken können.
Vor gut zehn Jahren gab es Tinder noch nicht, diese Fick-Mich-Börse fürs Smartphone. Aber es gab Bravo, das Zentralorgan für Jugendkultur. Etwa in der Mitte des Heftes präsentierten sich jeweils ein Mädchen und ein Junge, auf der Suche nach einem Partner beziehungsweise einer Partnerin.
Die beiden erzählten ein bisschen von sich: Alter, Berufswunsch, was sie jetzt machen und wie sie sich den Sommer vorstellen, was sie abtörnt, was sie total sexy finden. So was halt. Man konnte sie auch angucken, auf einem Bild, das fast die gesamte Seite einnahm. Das war schlau, wer sich nicht zeigt, kriegt keine Matchingpoints.
Der Aufreger war nur: Die beiden waren nackt. Nun ist gegen Nacktheit nichts zu sagen, wir sind schließlich nicht das prüde Amerika. Ein weiteres Problem war: Sowohl das Mädchen als auch der Junge waren bis auf Haupthaar komplett rasiert. Auch gegen Ganzkörperrasuren ist nichts einzuwenden. Auch nicht, dass Menschen sie gern anderen Menschen zeigen. Die Frage ist nur: Muss das unbedingt in einem Medium sein, dass von vorpubertären Mädchen und Jungen gelesen wird, bei denen gerade die Intimhaare anfangen zu sprießen? Die einen Blick in den Spiegel und einen nächsten in ihr temporäres Leitmedium werfen und feststellen: Hoppla, mit mir stimmt was nicht. Ich habe Haare, wo gar keine hingehören. Und schon droht der erste Identitätskonflikt.
Bravo wollte mit der sehr individuellen Kontaktbörse ganz sicher ganz cool und unverklemmt daherkommen. War am Ende aber genau das Gegenteil: völlig überzogen und unauthentisch.
Wimpern klimpern
So ähnlich verhält es sich jetzt mit den „100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung“. Den Kopf zur Seite neigen, mit den Wimpern klimpern, am Daumen lutschen. So voll süß, voll sexy. Solche Tipps bedienen schlichte Geschlechterklischees und gehören dorthin, wo sie schließlich auch gelandet sind: in den Löschordner.
Die Aufregung in den sozialen Netzwerken, die bewirkt hat, dass die Seite aus dem Netz entfernt wurde, hat sich also gelohnt. Ebenso die Art und Weise, wie die KritikerInnen den Bravo-Plattitüden begegnet sind: mit Ironie und zusätzlicher Überhöhung. Das zeigt aber auch, wie Bravo gemeinhin gelesen wird: als Satiremagazin. Von Medien mit diesem Anspruch erwartet man gar nicht erst, dass sie politisch korrekt sind.
Bravo hat sich noch nie als sonderlich genderaffines Magazin präsentiert. Erwarten darf man das allerdings schon. Von einer Zeitschrift, die von vielen Mädchen und Jungen in einem bestimmten Alter regelrecht verschlungen wird, ist mehr politisches Bewusstsein gefordert.
Doch wie gut, dass Mädchen und Jungen in der Regel selber denken können. Die meisten begreifen recht schnell, was ihnen da geboten wird. Und schmeißen das Heft dann zackig in die Ecke.
101. Tipp: Nimm das Heft in die Hand und stell dich vor den Papierkorb. Und dann: Zielen, werfen, jubeln. So voll süß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden