Flensburger Abtreibungs-Debatte: Selbst gemachte Versorgungskrise

Wenn Ärzte-Vertreter*innen wollen, dass mehr ihrer Kolleg*innen Schwangerschaftsabbrüche machen, müssen sie die Debatte versachlichen.

Menschen halten auf einer Demonstration ein Schild mit der Aufschrift "It's a child, not a choice"

Mediziner*innen argumentieren oft wie religiöse Fanatiker*innen emotional Foto: Paul Zinken / dpa

Flensburg ist einer von vielen Orten, in denen die Kommunalpolitik vor einer unlösbaren Aufgabe steht. Sie soll die Lücken schließen, die vor 25 Jahren der Bundestag mit dem Abtreibungsparagrafen 218 geschaffen hat: Es gibt zu wenig Ärzt*innen, die Schwangerschaften abbrechen, und es werden immer weniger.

Der Hauptgrund: Abtreibungen gelten nach dem Paragrafen 218 als Straftaten gegen das Leben, niemand beteiligt sich gern an etwas gesellschaftlich so Geächtetem.

Darauf haben Kommunal- und Landespolitik keinen direkten Einfluss. Sie können nur wie jetzt in Flensburg den Wenigen die Arbeit erleichtern, die Schwangerschaftsabbrüche als Bestandteil ihres Berufs begreifen. Anders als es die Landeschefin des Gynäkolog*innen-Verbands Doris Scharrel glaubt, gibt es sogar Ärzt*innen, die bereit sind, fast nichts anderes zu machen.

Das berühmteste Beispiel ist die Gießenerin Kristina Hänel. Hinzu kommen Ärzt*innen in den vier medizinischen Zentren von Pro Familia. Sie tun es, weil sich so viele ihrer Kolleg*innen „nicht die Finger schmutzig machen“ wollen, wie es der letzte Münsteraner Abtreibungsarzt der taz gesagt hatte.

Emotionale statt sachliche Argumente

Scharrel hat recht, wenn sie fordert, die Aufgabe auf mehrere Schultern zu verteilen. Aber dann müssen sie und andere Ärzte-Vertreter*innen die Debatte versachlichen und Abtreibungen entdämonisieren.

Dazu gehört, sich von Positionen wie der des Bundesverbands und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie zu distanzieren. Diese hatten im Juli betont, wie belastend ein Abbruch für alle Beteiligten sei. Immer, grundsätzlich.

Er sei eine von „mehreren schlechten Optionen“, für die Frauen „oft lebenslang einen hohen psychischen und in Einzelfällen auch physischen Preis“ zahlen würden, steht darin. Solche Prosa trägt dazu bei, dass der Diskurs über Abtreibungen nicht von medizinischen, sondern emotionalen Argumenten bestimmt wird.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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