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Fischerei-Kommission macht VorschlagFischen in Offshore-Windparks soll aus der Krise helfen

Für Fischerei ist wegen der vielen Nutzungsansprüche im Meer immer weniger Platz. Nun soll geprüft werden, ob in Offshore-Windparks gefischt werden kann.

Sind in den letzten Jahren immer weniger geworden: Fischkutter auf der Nordsee Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Die deutsche Küstenfischerei steckt in der Krise: Schwindende Bestände, steigende Betriebskosten und die Flächenkonkurrenz mit anderen Meeresnutzern machen ihr das Leben schwer. Eine vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) einberufene Zukunftskommission hat jetzt unter anderem vorgeschlagen, das Fischen in Offshore-Windparks zu ermöglichen. Die Industrie ist davon nicht begeistert.

Dass besonders die Küstenfischerei unter Druck ist, lässt sich an den Zahlen der Zukunftskommission ablesen: Gab es 2020 noch 1.275 Küstenfischereibetriebe in Deutschland, waren es im vergangenen Jahr nur noch 600. Von insgesamt 2.247 aktiven deutschen Fischereifahrzeugen 2002 waren nach Angaben des Thünen-Instituts für Seefischerei 2023 noch 1.138 übrig. Und auch solche Zahlen sind aus Sicht der Kommission noch zu hoch, obwohl und gerade weil das politische Ziel war, die Fischerei als solche zu erhalten.

Das wird auch deshalb immer schwerer, weil das scheinbar unendliche Meer zunehmend parzelliert und für unterschiedliche, teilweise sich überschneidende Nutzungen aufgeteilt wird. So sind in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee, in der Deutschland besondere Rechte hat, 50 Prozent der Fläche für die Schifffahrt vorgesehen.

Kaum Platz zum Fischen

Nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie, das sich um die Flächenplanung kümmert, stehen 38 Prozent unter Naturschutz, auf 25 Prozent darf die Bundeswehr üben; der Rest ist für die Windindustrie, Leitungen, Fischerei, Forschung und Rohstoffgewinnung vorgesehen.

Sehr viel mehr Fläche beansprucht in Zukunft die Offshore-Windenergie. Ihre installierte Leistung soll von zurzeit neun Gigawatt auf 70 in 2045 ausgebaut werden. 18 Prozent der AWZ hat das BSH dafür vorgesehen.

Damit die Fischerei nicht unter die Räder kommt, sieht das Windenergie-auf-See-Gesetz Kompensationszahlungen für die Fischerei ebenso wie für den Naturschutz vor. Investoren, die den Zuschlag für ein Offshore-Windpark-Projekt bekommen, müssen fünf Prozent der gebotenen Summen für „Maßnahmen zur umweltschonenden Fischerei einschließlich Fischereistrukturmaßnahmen möglichst in dem betroffenen Naturraum“ überweisen.

Windparks sind attraktive Lebensräume

Die Zukunftskommission Fischerei schlägt vor, dieses Geld dazu zu verwenden, aus Fischern „Meeresförster“ zu machen, wie Mecklenburg-Vorpommern das bereits für die Ostsee anbietet. Fischer sollen eine Zusatzqualifikation zum Fachwirt „Fischerei und Meeresumwelt“ erwerben können, die ihnen ein zusätzliches Auskommen verschafft.

Es sollen emissionsarme, auf die unterschiedlichen Gegebenheiten im Küstenmeer angepasste Fischereifahrzeuge entwickelt und die Flotte verkleinert werden. Darüber hinaus empfiehlt die Kommission zu erforschen, inwiefern sich in den Windparks fischen ließe oder ob darin Aquakulturen betrieben werden könnten.

Erste Forschungsergebnisse des Thünen-Instituts weisen darauf hin, dass die Fundamente von Windkraftanlagen die von Steinschüttungen geschützt werden, ein attraktiver Lebensraum für Meeresgetier sind. In einer 2020 veröffentlichten Untersuchung stellen Forscher des Thünen- und des Alfred-Wegener-Instituts fest, dass sich an den Steinschüttungen vermehrt Muscheln und Austern festgesetzt haben. Die künstlichen Riffe seien auch eine gute Kinderstube für Taschenkrebse, die das Gebiet dann verließen, wenn sie älter würden.

Mehr und größere Fische im Windpark

In der Umgebung der Windparks sei der Kabeljau gehäuft zu finden. In den Mägen der Fische sei eine vielfältigere Nahrung gefunden worden als bei Fischen im übrigen Gebiet der Deutschen Bucht, was auf eine größere biologische Vielfalt im Bereich der Windparks hinweist.

In einer weiteren Studie verglich das Thünen-Institut Kabeljaue, die innerhalb und außerhalb des Offshore-Windparks Meerwind Süd/Ost gefangen wurden: Die Fische im Windpark waren größer, zahlreicher und vielfältiger ernährt. Überdies hatte jedes zehnte Fisch-Ei seinen Ursprung im Windpark.

„Sollten weitere Studien die positiven Effekte von Windparks mit künstlichem Riffeffekt bestätigen, müsste der Schutzfaktor dieser Gebiete in die Managementkonzepte zur maritimen Raumplanung einfließen“, schreiben die Studienautoren. Langfristig könnte sich dies positiv auf den Kabeljaubestand und damit auf die Fischerei auswirken.

Rückzugsort für bedrohte Arten

Kontrovers diskutiert wird allerdings, welche Schlussfolgerungen aus solchen Ergebnissen zu ziehen wären. Die Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer hofft, dass das Fischen anderer Arten in Windparks eine Alternative sein könnte für den zurückgehenden Krabbenfang. Ärgerlich finden die Fischer, „dass der Flächenentwicklungsplan das Fischen im Windpark derzeit weiterhin ausschließt“ – anders als etwa im Vereinigten Königreich, wo das Fischen in Windparks grundsätzlich erlaubt ist.

Der Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) rät davon ab. „Je mehr Verkehr da stattfindet, desto gefährlicher ist es“, sagt dessen Pressereferent Lukas Zeth. Offshore-Windparks gälten als kritische Infrastruktur – mit ihren vielen Betriebsstunden und hohen Verlässlichkeit sollen sie ja das Stromnetz mit erneuerbarer Energie stabilisieren.

Der BWO wolle sich nicht komplett einer Fischerei etwa mit Reusen innerhalb der Windparks verschließen. Der Verband bekennt sich zu weiteren diesbezüglichen Untersuchungen. Keinesfalls infrage komme aber, dort mit bodenberührenden Netzen zu fischen.

Im Übrigen verweist der BWO darauf, dass sich Windparks ja offenbar zu Rückzugsräumen für bedrohte Arten entwickeln könnten. Deshalb gebe es gute Gründe, die Fischerei gerade hier auszuschließen.

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1 Kommentar

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  • Da gibt es offensichtlich Sperrzonen, in denen sich die Fischbestände erholen können. Und diese sollen jetzt auch freigegeben werden?



    Was glauben die Fischer eigentlich, wo ihre Beute herkommt? Die fällt nicht vom Himmel!