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Finanzskandale in DeutschlandDas Kuscheln muss ein Ende haben

Gastkommentar von gerhard Schick und Gerhard Schick

FinCEN, Wirecard, Cum-Ex – trotz großer Schäden behandelt die Finanzpolitik solche Skandale immer noch wie Kavaliersdelikte.

Diese Bank ist harmlos Foto: dpa / Philipp von Ditfurth

D eutschland hat ein Problem mit Finanzkriminalität. Dies ist nicht erst seit den neuen Veröffentlichungen zu Geldwäsche, den FinCEN-Files, bekannt: Bei der Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes stapeln sich die Hinweise, wichtige Meldungen rutschen durch. Unter den Augen der Finanzaufsicht geht mit Wirecard ein DAX-Konzern wegen Betrugs in die Insolvenz. Der Staat bekommt das Cum-Ex-Problem bis heute nicht in den Griff, der Schaden: ein zweistelliger Milliardenbetrag.

Doch trotz dieser massiven Missstände und enormer Schadenssummen behandeln große Teile unserer politischen Spitze solche Themen immer noch wie Kavaliersdelikte. Drei besonders prägnante Beispiele: Finanzminister Olaf Scholz traf sich als Hamburger Bürgermeister mehrmals mit einem tatverdächtigen Cum-Ex-Banker. Eine millionenschwere Steuerrückforderung vom Hamburger Finanzamt an seine Bank unterblieb anschließend zunächst, angeblich ohne politische Einflussnahme.

Bei Cum-Ex hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die dem Bundesfinanzministerium untersteht, jahrelang geschlafen und ihren Job nicht gemacht. Doch statt daraus umfassende Konsequenzen zu ziehen, wurde eine Person zur Vizepräsidentin bestellt, die Cum-Ex bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber noch rechtfertigte. Dass diese Person dann in ihrer Aufsichtstätigkeit auch noch Berührungspunkte zu den Cum-Ex-Geschäften hat, setzt dem Ganzen die Krone auf.

Und es ist nicht lange her, dass die Kanzlerin für Wirecard in China warb, als längst massive, glaubwürdige und unwiderlegte Vorwürfe gegen den Zahlungsdienstleister im Raum standen.

Gerhard Schick

Gerhard Schick saß für die Grünen bis 2018 im Bundestag und war deren Finanzexperte. Heute ist er Vorstandsmitglied der Bürgerbewegung Finanzwende e.V.

Das sind verheerende Signale an die Bürgerinnen, an die zuständigen Behördenmitarbeiter, aber auch die potenziellen Täter von morgen. Fälle von Finanzkriminalität dürfen nicht mehr als Kavaliersdelikte abgetan und die Täter nicht noch umschmeichelt werden. Das Kuscheln muss an der Stelle enden, sonst wird Deutschland immer ein massives Problem mit Finanzkriminalität haben.

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10 Kommentare

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  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Ich erlebe nichts von Kuscheln. Als wenig erfolgreich Selbständiger verfolgen mich Finanzamt und Krankenkasse (trotz steiger Zahlung aus meiner Rente) bis zum Ausbluten.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @82286 (Profil gelöscht):

      ... trotz stetiger ..

  • Das geht noch deutlicher.

    Die 50 Millionen, die nach persönlichem Treffen der Warburg-Bank geschenkt wurden, die letztes Jahr eilig verabschiedete Steuergesetzgebung, untergebracht in einem anderen unscheinbaren Paket, die Cum-Ex aus der Schusslinie bringen sollte. Sowas läuft doch nicht zufällig oder unabsichtlich.

    Da ist gar kein Interesse vorhanden, einem Rechtsstaat zu genügen. Wer hat, dem wird gegeben.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @uvw:

      Ich glaube diese saubere Bank hat das Geld zurückgezahlt - unter Protest und Vorbehalt.



      Aber wer Olaf noch traut, ist ein hoffnungsloser Fall!

  • Interessant ist die Behauptung von Herrn Scholz, dass er auf die Entscheidung des Finanzamtes keinen Einfluss genommen hat. Nun ja, erwartet man von einem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten nicht, dass er sich aktiv für das Gemeinwohl einsetzt, indem er rechtswidrig dem Fiskus entgangene Gelder wieder dem Gemeinwesen zuführt, auch auf die Gefahr hin, in juristischen Zweifelsfällen einen Gerichtsprozess durchfechten zu müssen?

  • Wie ist noch dieser Fachbegriff, wenn staatliche Stukturen an kriminellen Machenschaften beteiligt sind ... ähhm ... heißt das nicht "Mafia" oder im Amtsdeutsch "organisierte Kriminalität" ?

  • Vielen Dank für diesen kurzen, aber wichtigen Artikel!



    Das Verhalten der Politiker untergräbt alles, was wir in unserem angeblichen Rechtsstaat als gegeben erwarten sollten: die tatsächliche Anwendung der Gesetze - und zwar auf alle gleich!



    Ist schon lange nicht gegeben, ich weiß, aber immer wenn ein Politiker von Rechtsstaat redet bricht er wieder das Vertrauen der Bundesbürger.



    Denn es ist ja klar: wer sich an die Gesetze hält, ist selber Schuld. Zumindest mit dem nötigen Kleingeld...

  • Danke.

    Deutschland hinkt mit seinem strukturellen Problem bei Gewaltenteilung nach, weil Kanzleramt, Ministerien Finanzen, Innen, Justiz, Sicherheit, Verteidigung, Wirtschaft politisch weisungsgebunden nachgeordnete Behörden in Bund, Ländern wie BaFin, BKA, BND, MAD, Staatsanwaltschaften, Verfassungsschutzämter als Dienstherren an der Leine halten. Was 2018 dazu führte, dass Interpol nach jahrelang vergeblichem Anmahnen, das Konstrukt politischer Weisungsbindung aus dem 19 Jahrhundert gegenüber Justiz, Staatsanwaltschaften, Nachrichtendiensten durch Kanzleramt, Ministerien endlich in Deutschland zu suspendieren, dazu überging, Deutschland von internationalen Interpol Netzwerken auszuschließen, zu internen Konferenzen nicht mehr einzuladen. Damit fängt sich Deutschland ohne Gefahrenanalyse durch verantwortungsloses Regierungshandeln in Bund, Ländern, untätigen Bundestag unnötig zusätzliche Sicherheitsrisiken ein zum Nachteil der Bevölkerung eben auch bei Finanzen, Steuerbehörden, weil damit deutsche Behörden zwangsläufig im Blindflug unterwegs, von wichtigen Nachrichten ausgeschlossen bleiben

    • @Joachim Petrick:

      Krass. Haben Sie da einen guten Link zu?

      • @Karl Kraus:

        Anwaltsverein wird politisches Weisungsrecht verteidigen, solange wir in Deutschland das Weisungsrecht nicht durch das Legalitätsprinzip in allen Bereichen, Diensten, Ämtern, BKA, Verfassungsschutzämter in Bund, Ländern, MAD, BND, Verfolgungspflicht Generalbundesanwalts, Staatsanwaltschaften wie in der Schweiz ablösen, legitimiert von Verwaltungsgerichtsbarkeit, Klageerzwingungsrecht, Referenden, Volksentscheidinitiativen, statt auf Opportunitätsprinzip zu setzen.



        Richter sind insofern in Deutschland nicht ganz unabhängig, weil sie, anders als in den USA, nicht selber ermitteln dürfen, nur jene Fälle verhandeln, die Klagebehörden zur Klageerhebung zulassen



        Polizeischüler werden während ihrer Ausbildung über Legalitätsprinzip belehrt, um dann in polizeilicher Praxis zu erfahren, dass dies durch politisches Weisungsrecht untergraben wird, nach Opprotunitätdssprinzip Straftat Verfolgungspflicht auszusetzen. Nicht wenige landen dann womöglich aus Frust, Trotz, Wut in Hass Chatrooms ihren Zorn abzukacken.



        Zwischen Generalbundesanwalt Harald Range Justizminister Heiko Maas brach 2015 Konflikt über abwesendes Legalitätsprinzip auf, weil ansonsten vorauseielender Gehorsam nachgeordneter Ämter, Behörden gilt, Bundeskanzleramt, Ministerien nicht in missliche Lage zu bringen, vom Weisungsrecht Gebrauch zu machen. Ohnehin wird in Medien kolportiert, was nach Weisungsrecht geschieht, geschieht legal, sei keine politische Einflussnahme. Gilt fehlendes Unternehmensstrafrecht bei uns deshalb als No Go?



        www.juwiss.de/59-2016/



        www.juwiss.de/58-2016/



        weact.campact.de/p...frecht-einzufuhren



        www.spiegel.de/pol...pol-a-1144256.html



        www.bundestag.de/r...protokoll-data.pdf



        taz.de/Unabhaengig...9&s=Weisungsrecht/