Finanzkrise und Bankenreform: Too big, also fail
Die EU-Kommission beerdigt eine radikale Idee nach der Finanzkrise. Banken sollten aufgetrennt werden, damit der Staat sie nicht retten muss.
Im Jahr 2011 schlug deshalb eine von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe vor, dass sogenannte systemrelevante Banken ihre Geschäfte auftrennen müssen. Nicht automatisch, aber wenn nötig. Das Erste ist das klassische Geschäft – etwa Kredite an Unternehmen oder Otto Normalverbraucher. Das Zweite des Handelsgeschäft, bei dem es bisweilen gehörig ans Zocken geht.
Falls die Zockerabteilung einer Bank pleiteginge, wäre das Kreditgeschäft, also echte Unternehmen und damit Jobs, nicht betroffen. Es wäre deutlich schwerer, Staaten um Rettungsgelder zu erpressen. Die Grundidee nennt sich Trennbankensystem. Die USA, Deutschland und andere EU-Staaten haben Regeln dazu erst abgeschafft und dann, nach der Krise von 2008, auf nationaler Ebene teilweise wieder implementiert. Das sei aber alles „zu lasch“ und würden die Risiken bei Großbanken kaum reduzieren, kritisiert die in Brüssel ansässige Nichtregierungsorganisation Finance Watch.
Der umfangreiche, EU-weite Vorschlag ist jetzt also endgültig vom Tisch. „Eine gute Nachricht für die Großbanken – für jene, die seit zehn Jahren für mehr Finanzstabilität arbeiten, dagegen eher ein schwarzer Tag“, sagt Christian Stiefmüller, Finanzmarktexperte bei Finance Watch. Die EU-Kommission sagt, am Scheitern der Reform sei das EU-Parlament schuld. Da habe man sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können.
Was richtig ist. Das wiederum liege, so der zuständige SPD-Berichterstatter, Jakob von Weizsäcker, maßgeblich an der konservativen EVP-Fraktion, der auch die CDU angehört. Grob fahrlässig gegenüber dem Allgemeinwohl sei das. Weizsäcker strebte eine Beweislastumkehr an: Großbanken hätten nachweisen müssen, dass sie ihre Zocker-Risiken im Griff haben. Klappt das nicht, hätte die Bankenaufsicht als letztes Mittel das Recht bekommen, eine Bank aufzuspalten. Das wollte die EVP nicht mittragen.
Ein Gerücht könnte eine Bank ruinieren
Eigentlich aber, sagt die Kommission, sei die Reform ohnehin nicht mehr nötig. Banken müssten heute deutlich mehr Kapital für Notzeiten vorhalten. Außerdem würden die 120 Großbanken in der EU heute einheitlich von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt. Dazu komme, dass es mittlerweile Regeln gebe, wie Großbanken pleitegehen und eine Behörde, die das steuert – genannt einheitlicher Bankenabwicklungsmechanismus.
Doch das funktioniere noch nicht richtig, sagt Jan Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt. Deshalb sei das Scheitern der Reform jetzt bedauerlich. Krahnen saß 2011 in der Expertenkommission, die die jetzt geknickte Richtlinie angestoßen hat. Das Grundproblem ist nach Ansicht von Krahnen der sogenannte Bail-in: Demnach kann die Bankenaufsicht entscheiden, dass Schuldner einer Bank auf Forderungen verzichten müssen, falls der Bank die Insolvenz droht. Das soll der Bank bereits vor der Zahlungsunfähigkeit wieder auf die Beine helfen.
Das Problem ist allerdings, dass momentan bereits das Gerücht ausreichen könnte, dass eine Bank Probleme hat – und schon würden die Schuldner ihr Geld verlangen, um nicht haften zu müssen, befürchtet der Experte. „Momentan ist nicht gesichert, dass die Schuldner nicht ihrerseits eine Krise auslösen. Zudem ist unklar, was mit Großeinlegern wie Unternehmen in einem Krisenfall geschieht; hier könnte es zu einem unnötigen Run kommen“, sagt Krahnen. Dann wäre die Bank erst recht pleite.
Nach gegenwärtigem Stand der Dinge könnte also genau das Instrument, das eine Panik auf den Märkten verhindern sollte, eine solche auslösen. „Offensichtlich lässt die Erinnerung an die Finanzkrise nach und damit auch die Regulierungsbereitschaft“, sagt Jakob von Weizsäcker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!