Finanzkrise in Griechenland: Neue Grausamkeiten
Alexis Tsipras legt dem Parlament eine neue Sparrunde vor – und beschwichtigt die Wähler mit „ausgleichenden Sozialmaßnahmen“.
Noch sind nicht alle Details des Sparprogramms bekannt, das 950 Seiten umfasst. Aber eins scheint festzustehen: Bis zu 4,94 Milliarden Euro will Griechenlands Regierung in den nächsten Jahren einsparen – deutlich mehr als die ursprünglich geplanten 3,6 Milliarden. Vorgesehen sind Einschnitte bei der ohnehin bescheidenen Sozialhilfe, neue Rentenkürzungen, höhere Versicherungsbeiträge für Freiberufler, eine höhere Besteuerung von Hotelübernachtungen sowie eine Senkung des jährlichen Steuerfreibetrags von derzeit 8.630 auf 5.700 Euro (für Alleinstehende).
Dabei drohte Finanzminister Euklid Tsakalotos noch vor wenigen Wochen mit Rücktritt, falls der Steuerfreibetrag tatsächlich gesenkt würde. Zudem erklärte Regierungschef Tsipras mit aller Entschlossenheit, er akzeptiere keine weiteren Kürzungen. Seine Zusicherung gilt anscheinend nicht mehr. Nicht zuletzt deshalb laufen Gewerkschaften Sturm gegen die neue Sparwelle und rufen zum Generalstreik am Mittwoch auf. Einzelne Berufsgruppen wollen sogar früher in den Ausstand treten. Allein die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) will „Zehntausende Menschen“ auf die Straße schicken.
Die Regierung hat eine andere, viel kreativere Wahrnehmung: Unter dem Strich gebe es überhaupt keine Kürzungen, da die Sparauflagen durch gezielte Sozialmaßnahmen ausgeglichen würden, heißt es in Athen. Dazu gehörten staatliche Zuschüsse für Mieter, Steuererleichterungen für Landwirte und ein höheres Kindergeld.
Ein Ass hat Tsipras noch im Ärmel
Auch diese Wohltaten stehen am Donnerstag zur Abstimmung, zeitgleich zum Sparprogramm. „Diesen politischen Betrug werden wir nicht unterstützen“, donnerte am Sonntag ein Sprecher der konservativen Opposition. Auch der Fraktionschef der Sozialisten, Andreas Loverdos, will sich nicht auf eine lange Debatte einlassen und fordert sogar, dass seine Partei das Parlament verlässt und die links geführte Regierung „ihre Sparpolitik allein feiern lässt“.
Ein Ass im Ärmel hat Tsipras noch: Aus seiner Sicht gelten die neuen Sparmaßnahmen nur unter der Bedingung, dass die Geldgeber im Gegenzug einer „Gesamtregelung“ der griechischen Schuldenfrage zustimmen. Sollte diese Regelung nicht zustande kommen, würde er die Sparauflagen einfach zurücknehmen, lässt der Premier verlauten. Mehrere Abgeordnete seiner Linkspartei Syriza wollten das schriftlich haben und im umstrittenen Sparentwurf ausdrücklich festlegen. Daraus ist nichts geworden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett