piwik no script img

Finanzkrise in EuropaWagenknecht stellt Euro infrage

Die zukünftige Fraktionschefin der Linken kritisiert das Währungssystem. Sie warnt vor einer abnehmenden demokratischen Legitimation in Europa.

Sahra Wagenknecht nach einer Fraktionssitzung der Linken im Bundestag Foto: dpa

Berlin afp | Die designierte Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hat den Euro offen in Frage gestellt. „Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt, und am dramatischsten zeigt sich das eben in Griechenland“, sagte Wagenknecht der Welt. „Darum beginnt in der Linken zu Recht eine Debatte darüber, welchen Spielraum eine Politik jenseits des neoliberalen Mainstreams im Rahmen des Euro überhaupt hat oder ob wir dieses Währungssystem nicht generell infrage stellen müssen.“

Damit setze Wagenknecht sich in einer europaweit unter Linken geführten Debatte an die Spitze jener, die sich vom Euro abwenden, schrieb die Zeitung. Wagenknecht verwies demnach auf ein von den Chefs von fünf EU-Institutionen – EU-Kommission, Europäischer Rat, EU-Parlament, EZB und Euro-Gruppe – vorgelegtes Papier zur „Rettung der Euro-Zone“. An diesem Papier sei deutlich zu erkennen, „wohin die Reise mit dem Euro gehen soll“. „Alles deutet darauf hin, dass es immer mehr Integrationsschritte gibt, die jede nationale Souveränität erledigen“, kritisierte die Linkspolitikerin.

„Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben“, warnte Wagenknecht. Auch Frankreichs Präsident François Hollande sei ja bereits in seinem ersten Amtsjahr mit allen sozialen Wahlversprechen gescheitert und kopiere jetzt die deutsche Agenda 2010, um die fortschreitende Deindustrialisierung seines Landes zu stoppen.

„Das gleiche Trauerspiel in Italien. Die Währungsunion verengt die Spielräume der einzelnen Regierungen bis zur Handlungsunfähigkeit, das ist eine europaweite Abschaffung der Demokratie durch die Hintertür“, sagte Wagenknecht der Welt. Deshalb müsse die Linke die Debatte führen, „ob sie sich dieser Logik weiterhin ausliefern will oder sich lieber für ein anderes Finanz- und Währungssystem stark macht“.

In Griechenland hatte der linksgerichtete Regierungschef Alexis Tsipras am Donnerstag vorgezogene Neuwahlen für den 20. September ausgerufen. Nachdem er sich lange gegen die Spar- und Reformauflagen der internationalen Gläubiger gestemmt hatte, hatte Tsipras schließlich einem dritten Hilfspaket mit strikten Auflagen zugestimmt. Bei der Parlamentsabstimmung über die Programmauflagen am Freitag vergangener Woche verweigerten ihm daraufhin 43 der 149 Syriza-Abgeordneten die Gefolgschaft, so dass die dauerhafte Fortsetzung seiner Regierung unmöglich wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

32 Kommentare

 / 
  • Eine Abschaffung des Euro löst doch keines der von Frau Wagenknecht benannten Probleme. Die Ideologie des Neoliberalismus bestünde auch ohne Euro in der EU-Bürokratie und der Finanzwirtschaft fort.

    Wer mehr Demokratie in Europa will, sollte sich nicht auf den Euro konzentrieren, sondern auf eine Reform der EU - und dabei auch den Reformstau in Deutschland kritisieren.

    Nationale Souveränität ist kein Allheilmittel, sondern im Gegenteil Teil des Problems. Nicht der Euro bedroht die Demokratie, sondern Bürokratie, Lobbyismus und TTIP.

    • @mecker-rv:

      Die Abschaffung des Euro löst die Probleme, die seine Anschaffung verursacht hat.

       

      Der Euro ist ein neoliberales Fehlkonstrukt, das als Werkzeug zur Abschaffung der Demokratie in Europa, wenn nicht gedacht war, so doch zumindest genutzt wird.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Wie bitte soll diese Aussage begründet werden?

        Nur weil es eine statistische Korrelation zwischen der Anzahl der Störche und der Geburtenzahl gibt, beweist das noch lange nicht, das Störche die Babys bringen. Auf etwa der gleichen Ebene bewegt sich die Charakterisierung des Euro als Werkzeug zur Abschaffung der Demokratie. Mit wesentlich mehr Berechtigung könnte man der professionellen Demoskopie diesen Vorwurf machen, und erst recht der selbst ernannten "Vierten Gewalt" im Staate (die taz mal ausgenommen).

  • Stimmt mich ein wenig traurig das Ganze. Reiht sich ein unter anderem passend zu dem Artikel "Das Europa, dass wir nicht mehr wollen" des LMD-Direktors Serge Halimi in der neuen Le Monde Diplomatique ein. Langsam gibt die Linke offensichtlich die Hoffnung auf, in diesem Europa noch was reißen zu können. Mir ist aber, obwohl Wagenknechts Argumente in der Sache nicht von der Hand zu weisen sind, nicht ganz klar, was bei einer Renationalisierung der Währungen und damit auch der Politik besser wird. Ich plädiere, da es keinen Stillstand gibt, eher für einen Schritt vorwärts zu Vereinigten Staaten von Europa mit einer Europäischen Regierung und einem starken, diese kontrollierenden Parlament, als für Desintegrationsschritte. Die Aufgabe, die neoliberale austeritätsfixierte Mehrheit zu knacken bleibt natürlich, so schwierig sie ist. Dafür brauchen wir eine europäisch gesonnene LINKE

    • @Markus Maria Strobl:

      Bei einer Renationalisierung der Währungen hätte die EZB nicht mehr die Macht die Banken einzelner Nationalstaaten von der Geldversorgung abzuschneiden. Das hat die EZB gemacht, nachdem Tsipras den Volksentscheid über das Sparprogramm bekannt gegeben hat. Damit wurde Tsipras in die Knie gezwungen.

  • Sie hat natürlich recht.

     

    Nicht nur damit, dass der Euro offenkundig nicht funktioniert (das merkt langsam der doofste Schäuble und Merkelanhänger),

     

    er untergräbt durch die dauernden sog. "Sachzwänge" auch die Demokratie in Europa

     

    (auch dafür gibt es ja hinlänglich Belege. Der letzte war die Abstimmung in Griechenland über die sog. "Rettung", die dann eine Woche später null und nichtig war. Es musste ja der Euro gerettet werden. Bei solchen Zielen hat die Demokratie "marktkonform" zu sein.)

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Schwer nachvollziehbar sind für mich hier jene Kommentare, die nach der Methode 'Von hinten durch die Brust ins Auge' argumentieren. Was der neoliberale mainstream mit Wagenknechts Äußerungen macht, kann für mich ebenso wenig der Maßstab sein wie die Frage, ob sich AFD und Gesinnungsfreunde über Äußerungen Wagenknechts die Hände reiben.

  • Auf einmal fällt es Frau Wagenknecht ein, dass "mehr" Europa weniger nationale Eigenständigkeit und damit Mitbestimmung bedeutet.

     

    Ist das nicht der Kern von allem was die AFD seit Beginn bis zu Luckes Abgang gesagt hat - war das vielleicht doch nicht so falsch?

  • Eine Populistin, die viele verschiedene Lager ansprechen will.

    • @nzuli sana:

      Ja, das ist Frau Merkel ganz gewiss!

  • Die Debatte ist sicher nötig und richtig. Ich vermute jedoch, dass sich ohne den Euro auch kein gerechteres Bild in Europa ergibt. Welche eindeutigen Hinweise sollte es dafür derzeit schon geben?

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Ach, eine Vermögensabgabe und angemessene Besteuerung der Vermögenden ist mit dem Euro in Griechenland nicht möglich? Ich dachte immer, das liegt am Klientelismus, also dass die, die ganz oben sitzen, seit 1830 keine Steuern zahlen – bis heute nicht. Gegenwärtig sind das rund 800 Familien. Sie besitzen oder kontrollieren mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. http://www.bpb.de/apuz/142833/politische-kultur-in-griechenland?p=all http://www.heute.de/interview-mit-heinz-richter-zur-griechenland-krise-eu-geld-fuer-hemmungslosen-konsum-ausgegeben-38939238.html

    Nun ist also der Euro Schuld, dass die Vermögenden seit 1830 nicht angemessen besteuert werden in Griechenland, kein Steuerabkommen mit der Schweiz forciert wird und die Lagarde Liste mit den Steuerschuldnern nicht angemessen verfolgt werden. Klar doch, die anderen sind immer Schuld und nicht die eigene Inkompetenz. Auch die Ablehnung der Institutionen hinsichtlich Unternehmensgewinne über 500.000 € jährlich mit einer Abgabe von 12% zu besteuern, kann nicht als Legitimation der linken Regierung dienen, hier nun überhaupt nichts mehr einzufordern oder umzusetzen. Ich würde es daher begrüßen, wenn Frau Wagenknecht mal anfragt bei der angeblich linken Regierung in Griechenland, wann denn endlich mit einer Vermögensabgabe und angemessenen Besteuerung der Vermögenden zu rechnen ist?

    Soziale Gerechtigkeit wird nicht erreicht, indem mit den Steuern der mittleren & unteren Einkommensschichten aus Deutschland die Vermögen der 800 Reichsten in Griechenland weiterhin geschont werden.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Sie scheinen immer noch nicht mitbekommen zu haben, dass Frau Wagenknecht nicht die Ministerpräsidentin von Griechenland ist.

       

      Überhaupt scheint Ihnen an Griechenland mehr gelegen zu sein als an einer Selbstbestimmung der einzelnen Souveränen.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Doch, ich habe mitbekommen, dass Frau Wagenknecht nicht die Ministerpräsidentin von Griechenland ist, oder was ist an diesem Satz von mir hinsichtlich einer Anfrage nicht zu verstehen: "Ich würde es daher begrüßen, wenn Frau Wagenknecht mal anfragt bei der angeblich linken Regierung in Griechenland, wann denn endlich mit einer Vermögensabgabe und angemessenen Besteuerung der Vermögenden zu rechnen ist?"

        Weder der Euro, noch die EU, noch die Institutionen oder eine angeblich nicht mehr vorhandene Souveränität hindern Syriza daran, eine Vermögensabgabe vorzunehmen oder die Steuerschuldner von der Lagarde Liste angemessen zu verfolgen, also die Steuerschulden der Vermögenden einzufordern.

        Diese internationale Solidarität der Linken in Deutschland, auch von Frau Wagenknecht, mit der angeblich linken Partei Syriza ist mir daher zu unkritisch. Die angeblich linke Regierung in Griechenland hätte längst hinsichtlich Vermögensabgabe und angemessener Besteuerung liefern müssen! Nur dem Euro und den Institutionen die Schuld zu geben, ist mir doch zu viel Volksverdummung! Für wie blöd hält die Linke in Deutschland eigentlich ihre Wähler. Na ja, in Berlin hat sich die Linke ja auch während ihrer Regierungsbeteiligung hinsichtlich Volksentscheid Berliner Wassertisch, Privatisierung GSW, Mietspiegel und sozialer Wohnungsbau nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Linke sollte endlich aufhören so unkritisch mit der angeblich linken Partei „Syriza“ umzugehen. So verspielt diese Partei auch noch den Rest an Glaubwürdigkeit bei mir, den sie noch z.T. hatte.

  • Erfrischender Zwischenruf!

     

    Sarah Wagenknecht konterkariert den verheerenden Spruch des immer noch nicht schweigen wollenden Ökonomie-Erklärers Helmut Schmidt:

     

    "Wer Visionen hat sollte zum Arzt gehen!"

     

    Eben nicht, der Herr!

    • @Gion :

      Ich verstehe, was Sie meinen, einzig vermisse ich jegliche Spur einer greifbaren Vision in dem, was Frau Wagenknecht sagt. Visionen sollten meines Erachtens vornehmlich aus positiv definierten Elementen bestehen und nicht aus beliebig langen Listen von Dingen, die man - wie auch immer - in seiner Wunschwelt NICHT haben will.

       

      Das letzte Wahlprogramm der Syriza war auch so eineVision Marke "Wagenknecht": KEINE weiteren Sparmaßnahmen, KEIN Abdrehen des Geldhahns und auch KEIN Ausstieg aus dem Euro. Klingt super, krankt aber daran, dass die äußeren Umstände erfordern, mindestens(!) eines von den Dreien zu akzeptieren...

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Heh Frau Wagenknecht, wir leben in einem System von manipulativ-schwankender "Werte", da ist so eine Währungsfrage auch nur stumpf- wie blödsinnige Schuld- und Sündenbocksuche!!!

  • sie bemängelt nur zu Recht die fehlende demokratische Legitimation der letztlich entscheidenden Gremiem und Personen. Von denen haben tatsächlich die wenigsten je eine Wählerstimme erhalten sondern ein Gehalt von Goldman Sachs!

  • Ach Gottchen , werte Frau Wagenknecht , ... Demokratie Demokratie ! Es geht um Existenzielles : Es geht um die Rettung des Kapitalismus ! ;-)

    „Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich k..." , dann ist das letztlich auch nur ein untauglicher Rettungsversuch der Großen Fünf der EU-Institutionen . Abgesehen davon , dass das nicht kommen wird , würde es , wenn es denn käme , nichts an den wirtschaftlichen Basalfakten ändern .

    Und richtig : Der Euro ist nicht zu retten .

    No way out .

  • "Vieles deutet darauf hin, dass in der Linken eine Debatte losgebrochen ist, die sie so schnell nicht wieder loswird." die "Welt" .

    Schade Frau Wagenknecht, denn "Weg mit dem Euro" und Betonung der "nationalen" Souveränität sind das, was von den kritischen Überlegungen zur Macht der Eurobürokratie und deren gegenwärtigen Institutionen in der Öffentlichkeit hängenbleibt. AFD, Le Pen, etc werden sich die Hände reiben, und der neoliberare Mainstrem der Presse auch, um diese Nähe zu den Rechtspopulisten heraus zu posaunen und die "Nicht-Regierungsfähigkeit" der LINKEN.

  • Ach so:

    Jetzt doch wieder "national" ...

     

    ... warum denke ich an Erika? Seltsame Sache - oder doch folgerichtig? Die Nationale Eigenmacht stärken, und dann ... was einführen? Irgendwas mit "Sozialismus", unbehindert von den Nachbarn?

     

    Echt mal ...

  • Liebe Linke,

     

    was wollt ihr eigentlich? Sahra Wagenknecht kritisiert das immer mehr Macht nach Brüssel geht. Aber war das nicht genau die linke Idee der EU? Das Europa zusammenwächst und das wir europäische Parlamente wählen statt Nationale?

     

    Jetzt alles wieder abschaffen und alle Macht den Ländern? Wow...

    • @lord lord:

      Ja, so haben sich die linksradikalen EU-Menschen Adenauer und Kohl Europa immer vorgestellt.

       

      Ganz böse Kommunisten waren das.

    • @lord lord:

      Die EU als neoliberales Fehlkonstrukt hat mit linken Ideen nicht das geringste zu tun.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Die Überwindung des Nationalstaats ist natürlich auch ein linkes Projekt.

        • @Ron Jeremy:

          Die Überwindung des Nationalstaats hat mit der EU nix zu tun. Die Überwindung des Nationalstaats muß in den Köpfen der Menschen wachsen. Die EU ist ein rein ökonomisches Konstrukt, noch dazu ein neoliberales.

    • @lord lord:

      Man muß es traurigerweise immer wieder feststellen :

      Der Geist weht links !

      Nur links .

      lol

    • @lord lord:

      Dear Sir Lord Lord,

      Das kleine Problem hierbei ist : es gab nie eine "Linke Idee der EU".

    • @lord lord:

      Jo, das war der linke Traum - nur haben sie die Umsetzung halt der Rechten überlassen...

    • @lord lord:

      Verstehe die Kritik an Fr. Wagenknecht nicht.

      Fr. Wagenknecht erklärt doch wieso.

      Man kann doch eine Idee gut finden, jedoch deren Umsetzung und/oder Entwicklung kritisch betrachten. Und was bitte, ist denn am Sozialismus schlimm?

      • @DeadPoetic:

        Nüscht. Nur wenn er in national-monetäre verfällt sollte man hellhörig werden.

    • @lord lord:

      Vielleicht geht es ja darum, dass das Zusammenwachsen Europas derzeit keines ist, dass sich auf Partnerschaft, Solidarität und Gerechtigkeit stützt, sondern auf die alleinige Schaffung wirtschaftlicher Freiräume zu Lasten von Sozialstaat, Demokratie und Bürgerrechten?!