Finanzierung des ÖPNV: U-Bahn-Abgabe für Arbeitgeber
Der ÖPNV wird durch Ticketeinnahmen und öffentliche Zuschüsse finanziert. Dabei gibt es viel mehr Möglichkeiten, zeigt eine Studie.
Anderswo ist man weiter als in Deutschland. In Luxemburg etwa ist der öffentliche Verkehr kostenlos. Der Staat finanziert das über Steuern. In Frankreich bieten mehr als 30 Städte ganz oder teilweise kostenlose Busse und Bahnen an. Dort gibt es seit Jahrzehnten eine Nahverkehrsabgabe, die Kommunen von Unternehmen erheben können. Tallin hat 2013 beschlossen, für die rund 435.000 Einwohner:innen den ÖPNV kostenlos zu machen. Die Stadt finanziert das, indem sie mehr Bürger:innen dazu brachte, sich dort anzumelden – was zu höheren Steuermitteln führte.
Auch in Deutschland gibt es Beispiele: In Pfaffenhofen bei München kostet die Nutzung der Stadtbusse seit 2018 nichts. Auch im rheinischen Monheim ist das der Fall. Im brandenburgischen Templin wurde der 1997 eingeführte Nulltarif wieder kassiert, seit 2002 müssen die Bürger:innen aber eine Jahreskarte kaufen. In etlichen deutschen Städten gibt es Initiativen, die sich für einen kostenlosen ÖPNV einsetzen.
Vor der Coronakrise nahmen die Verkehrsunternehmen in Deutschland im Jahr aus Ticketverkäufen rund 13 Milliarden Euro ein, hinzu kamen staatliche Zuschüsse von Bund, Ländern und Kommunen von insgesamt 11 Milliarden Euro. Der Bund gibt unter anderem Einnahmen aus der Mineralölsteuer weiter. Dass der Staat einfach die 13 Milliarden Euro aus Ticketeinnahmen übernimmt und der ÖPNV damit bundesweit kostenlos wird, ist nicht durchsetzbar, glaubt Sander. Und reichen würde es auch nicht.
Vorreiter Portland und Wien
Der Nahverkehr ist in den vergangenen Jahren finanziell ausgetrocknet worden, der Investitionsbedarf ist enorm hoch. Bis 2030 soll sich die Zahl der Fahrgäste verdoppeln, das ist das erklärte Ziel der Verkehrspolitik von Bund und Ländern. „Um das zu erreichen, müssten jährlich 8 Milliarden Euro in den Ausbau der Infrastruktur fließen, hinzu kommen 4 Milliarden jährlich für das zusätzliche nötige Personal“, sagt Sander unter Verweis auf Berechnungen der Gewerkschaft Verdi.
Sollen die Ticketpreise nicht weiter steigen, sondern sinken, müssen neue Finanzierungsquellen her. „Es gibt nicht den einen Hebel, mit dem man den gesamten Finanzierungsbedarf decken kann“, sagt er. „Am besten ist ein Mix aus verschiedenen Instrumenten.“ Eine Möglichkeit: sogenannte Nutznießerbeiträge. Sie kommen von denjenigen, die einen Vorteil davon haben, dass andere Busse und Bahnen nutzen, etwa Unternehmen, Immobilienbesitzer:innen oder touristische Veranstalter. „Durch den Anschluss an den ÖPNV steigt der Wert eines Grundstücks“, sagt Sander. „Diesen Vorteil sollte man abschöpfen. Rechtlich ist das möglich. Und es könnte einer Stadt wie Berlin Hunderte Millionen Euro bringen. Die Politik muss es nur anpacken.“ Vorbilder dafür gibt es.
Im US-amerikanischen Portland finanzieren Unternehmen und Selbstständige über eine Steuer mehr als die Hälfte der Kosten für den ÖPNV der Stadt. In Wien wurde 1970 eine Abgabe für Arbeitgeber zur Finanzierung der U-Bahn eingeführt, die 2 Euro pro Beschäftigtem und Woche beträgt. Die österreichische Hauptstadt hat außerdem die Parkgebühren erheblich ausgeweitet und konnte sie bereits 2012 das 365-Euro-Jahresticket für den Nahverkehr einführen. Gebühren für Autofahrer:innen, die in den ÖPNV fließen, sind eine weitere Finanzierungsquelle.
ÖPNV reicht nicht als Grund für Parkgebühren
Allerdings sind die Möglichkeiten der Kommunen hier begrenzt. Nach einem Urteil der Bundesverfassungsgerichts kann eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung nicht einfach mit der Stärkung des ÖPNV begründet werden, sondern nur mit der Sicherheit und Ordnung im Verkehr. Eine Citymaut, wie es sie etwa in London oder in Stockholm gibt, könnte auch in deutschen Städten eingeführt werden.
Eine weitere Möglichkeit: das sogenannte Bürger:innenticket. Dabei müssen alle Einwohner:innen einen Beitrag für den ÖPNV zahlen – ob sie ihn nutzen oder nicht. Über eine Kurtaxe können auch Besucher:innen einbezogen werden. Allerdings gibt es für das Bürger:innenticket bislang kein Beispiel – aber in etlichen Städten Initiativen, die sich dafür einsetzen.
Wirklichkeit werden könnte ein Bürger:innenticket als Erstes im rot-rot-grün regierten Bremen. Dort hat die Initiative „einfach einsteigen“ viel Druck für einen ticketlosen Nahverkehr gemacht. Anders als die autofixierte Berliner SPD sind die Bremer Sozialdemokrat:innen dafür aufgeschlossen. Sie wollen einen Mobilitätszuschlag einführen, der über die Grundsteuer für Eigentümer:innen von Gewerbegebäuden und Privathäusern abgewickelt wird. Dieser Zuschlag soll die wegfallenden Ticketeinnahmen kompensieren. Die Belastung für Bürger:innen würde diesem Modell zufolge unter 20 Euro im Monat liegen und bei Beziehenden von Sozialleistungen vom Amt übernommen werden.
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