Finanzexperte über die Bankenfusion: „Scholz begeht Analysefehler“
Der unabhängige Bankanalyst Dieter Hein ist sich sicher: Eine Übernahme der Commerzbank durch die Deutsche Bank würde keines der beiden Institute retten.
taz: Herr Hein, am Donnerstag hatten die Aufsichtsräte von Deutscher Bank und Commerzbank bei ihren Sitzungen das gleiche Thema: Finanzminister Olaf Scholz will beide Institute fusionieren. Eine gute Idee?
Dieter Hein: Ich kann Scholz verstehen. Beide Banken sind seit Jahren Sanierungsfälle und machen noch immer viel zu geringe Gewinne – trotz Hochkonjunktur.
Was bringt da eine Fusion?
Es wäre keine Fusion von Gleichen, sondern eine Übernahme. Die Deutsche Bank würde die Commerzbank schlucken, denn sie ist mehr als dreimal so groß.
Okay. Was erhofft sich Scholz?
Scholz sieht mit Angst und Bangen, dass beide Banken in die Pleite rutschen könnten, wenn sich die Konjunktur eintrübt. Denn in einer Wirtschaftskrise gibt es immer Firmen und private Kunden, die ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Die beiden Banken haben aber gar nicht die nötigen Verlustpuffer, um diese Ausfälle aufzufangen. Scholz hofft, dass die Banken gemeinsam stabiler wären. Er will vermeiden, sie mit Steuergeldern retten zu müssen.
Deutsche und Commerzbank verhandeln über eine Fusion. Dazu soll Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing gedrängt haben. Der Bund ist mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt. Die mögliche Fusion sollte auch Thema der turnusmäßigen Aufsichtsratssitzungen am Donnerstag sein. Bei der Deutschen Bank ging es zudem um die Frage, wie interne Informationen aus dem Gremium an die Öffentlichkeit gelangten.
Also wäre eine Übernahme tatsächlich die Rettung?
Nein. Scholz begeht aus meiner Sicht mehrere Analysefehler: Er stellt sich Synergieeffekte vor, indem man Filialen schließt und die Hauptverwaltungen zusammenlegt. Dabei übersieht er, dass die Commerzbank zu klein ist, um die Deutsche Bank zu retten.
Das müssen Sie erklären.
Momentan hat die Commerzbank noch 50.000 Mitarbeiter und etwa 1.000 Filialen. Würde sie von der Deutschen Bank übernommen, könnte man 800 Filialen schließen und 40.000 Mitarbeiter entlassen. Dieser Kahlschlag würde zwar das Ende der Commerzbank bedeuten – aber die Deutsche Bank wäre trotzdem nicht saniert. Denn ihr eigentlicher Verlustbringer ist das Investmentbanking in New York und in London. Dieses globale Handelsgeschäft ist zu riskant, zu teuer und zu wenig profitabel. Daran würde sich überhaupt nichts ändern, wenn man in Deutschland Filialen zusammenlegt.
56, ist Bankanalyst beim unabhängigen Analysehaus Fairesearch.
Die Deutsche Bank scheint das Investmentbanking nicht als Verlustbringer zu sehen: Sie zahlt hohe Boni.
Das ist absolut widersinnig: Die Deutsche Bank belohnt hauptsächlich ihre Investmentbanker dafür, dass sie Verluste produzieren. Von 2015 bis 2018 belief sich der Gesamtverlust für Aktionäre auf 9,7 Milliarden Euro – aber gleichzeitig erhielten die Investmentbanker Boni von geschätzt 7,3 Milliarden. Die Deutsche Bank betreibt eine Art pervertierten Kapitalismus: Dort profitieren die Topangestellten, aber nicht die Eigentümer. Die Aktionäre haben seit 2008 etwa 33 Milliarden Euro an frischem Kapital nachgeschossen – aber an der Börse ist die Deutsche Bank nur noch 16,5 Milliarden Euro wert. Für die Aktionäre ist das eine riesige Fehlinvestition.
Wenn Sie Finanzminister wären, was würden Sie machen?
Ich würde als Erstes dafür sorgen, dass bei der Deutschen Bank Aufsichtsratschef Paul Achleitner gehen muss. Er ist Investmentbanker, war früher Chef von Goldman Sachs in Deutschland. Und solange Achleitner das Sagen hat, wird sich die Deutsche Bank wohl nicht vom Investmentbanking trennen.
Aber die Deutsche Bank ist eine private Firma. Da kann der Staat nicht einfach den Aufsichtsrat austauschen?
Sie könnte über die Bankenaufsicht Bafin Druck machen.
Und was soll aus der Commerzbank werden?
Die Commerzbank verfügt eigentlich über das tragfähigere Geschäftsmodell. Sie hat viele private Kunden und betreut Mittelständler. Aber um eine harte Sanierung kommt man nicht herum. Wenn die Commerzbank überleben soll, muss die Zahl der Mitarbeiter von derzeit 50.000 weiter reduziert werden. Aber das wäre für die Betroffenen immer noch viel besser als eine Übernahme durch die Deutsche Bank, bei der vielleicht nur 10.000 Mitarbeiter übrig blieben.
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