Finale der Frauen-WM 2019: Willenstriumph der USA
Das US-Team hat diese WM dominiert – spielerisch, personell, diskursiv. Am Ende reckt es völlig zu Recht den Pokal in die Höhe.
Ausgerechnet Megan Rapinoe. Oder auch: natürlich Megan Rapinoe. In einer Phase, als die USA an der wehrhaften niederländischen Abwehr zunehmend verzweifelten, ein ums andere Mal eher fantasielos anrannten, brachte Megan Rapinoe per berechtigtem Elfmeter das Team in Führung. Sie schoss kühl, präzise und entschied faktisch die Partie (61.). Und als diese Rapinoe wenig später ausgewechselt wurde, da sah man inmitten von tosendem Applaus sogar einige Niederländer klatschen. Megan Rapinoe ist zur Ikone geworden bei diesem Turnier, man wird sich an sie erinnern, und sicherlich mehr als an dieses Finale.
Es war keines von den legendären Finals, dramatisch, umstritten oder ein offener Schlagabtausch. Sondern vor allem ein Abnutzungskampf zwischen einem Underdog und den Favoritinnen, bei dem die USA lange kein Mittel gegen die stark organisierte niederländische Abwehr fanden. Irgendwann, mit Rapinoes Treffer, war das Bollwerk gebrochen, und sie brachten die Nummer recht humorlos nach Hause. Die USA sind hochverdient Weltmeisterinnen. Und das Spiel ließ noch ein paar Schlüsse zu.
Zunächst: Rapinoe. Unweigerlich fällt einem da der Name Ada Hegerberg ein. Hegerberg boykottierte die WM, um für bessere Bedingungen für den Frauenfußball zu demonstrieren. Rapinoe fuhr hin und redete vor Ort. Und es war spannend, wie irrelevant doch Hegerberg im Laufe dieser letzten Wochen wurde und welche Wirkung Rapinoe entfaltete. „Je stärker das Rampenlicht, umso mehr leuchtet sie“, metaphorisierte US-Trainerin Jill Ellis. „Kein Rampenlicht ist zu stark für sie.“ So war es. Und gleichzeitig wurde dieser Rapinoe-Protest doch immer bloß reduziert: Es ging wenig um ihre sozialen Forderungen, schon gar nicht wurden diese Inhalte kritisch diskutiert. Es ging um Rapinoe vs. Trump. Eine Marvel-Konstellation. Auch das sagt einiges aus über den soften, oberflächlichen Feminismus rund um die WM.
Manchmal aber, lernt man also, ist eine Teilnahme effektiver als ein Boykott. Am Ende des Finals skandierten die US-Fans „Equal Pay, Equal Pay“. Gianni Infantino, der mit diabolischem Grinsen Medaillen überreichte, schenkte dem keine Beachtung. Aber Megan Rapinoe war schon wieder angriffslustig: „Equal Pay ist klar, lass uns zum nächsten Punkt kommen“, verlangte sie. „Was kann die Fifa tun, um die Verbände, die heimischen Ligen zu unterstützen?“ Eine, die auch nach fünf Minuten als Weltmeisterin nicht ruht.
Ein Sieg für den Defensivfußball
Dann, zweitens, bleibt spielerisch vor allem das hängen, was nicht zu sehen war. Es war kein offenes Duell wie die vorherigen US-Spiele, es war kein wildes Hin und Her. Die Niederländerinnen hatten aus den Fehlern ihrer Vorgängerinnen gelernt. Sie stutzen ihre offensiven Talente auf kürzeste Ausflüge zusammen und verlegten sich auf kompakte Verteidigung. Vor allem damit gelang es ihnen, die Partie eine Stunde lang offenzuhalten.
Die USA, die ja diese etwas verfeinerte Variante des französischen Langer-Pass-Powerfußballs spielen, fanden bei solch konsequenter Defensivarbeit kaum Wege. Es war sogar erstaunlich, wie ratlos sie sich abmühten. Das Konzept hätte durchaus bis zum Ende funktionieren können, hätten die Niederländerinnen ihre Konter über die starken Lieke Martens und Lineth Beerensteyn besser ausgespielt. Beinahe wäre diese Weltmeisterschaft nach dem Schweden-Spiel also ein kolossaler Sieg für den Defensivfußball geworden. Auch mit dem 2:0-Willenstriumph der USA zeigte sich: Die Verteidigungen haben sich verbessert, das Spiel mit dem Ball wird nachziehen müssen. Ob der US-Fußball, dieses technisch edle Kick and Rush, beim nächsten Turnier noch so funktioniert?
Das Team, das diese WM dominiert hatte – spielerisch, personell, diskursiv – reckte am Ende völlig zu Recht den Pokal in die Höhe. Selbst der bislang oft katastrophale Videobeweis kam ausnahmsweise einmal sinnig zum Einsatz; kurz und effizient wies er auf den fälligen Elfmeter hin, nachdem Stefanie van der Gragt das Bein gegen Alex Morgan ein paar Meilen hoch gereckt hatte. Mit Rapinoes 1:0 waren die Niederländerinnen gezwungen, ihre Ordnung zugunsten einiger hübscher Offensivaktionen aufzugeben, und natürlich war dies das Spiel, das die USA sich ersehnt hatten. Es taten sich riesige Freiflächen auf, fix sorgte Rose Lavelle über einen Konter für die 2:0-Entscheidung (69.). Die wackeren Niederländerinnen wurden von den zahlreichen Oranje-Fans trotzdem gefeiert. Und sahen, wie absehbar, gegen die USA besser aus als beim Rest-Turnier.
Es war dann, letztens, auch zum ersten Mal seit 2003 ein Finale zweier Trainerinnen. Ein Zeichen von Ausbildungsfortschritten mithin. Und eine späte Genugtuung für Jill Ellis, die sich in den USA ständiger und nicht immer informierter Kritik ausgesetzt sieht. Auf dem Platz brach sie in Tränen aus; sie ist jetzt die einzige Frau, die als Trainerin zwei WM-Titel holte. „Mir sind die Gedanken der Leute egal. Sie wissen nur ein Zehntel von dem, was wir tun.“ Es soll auch für die USA weitergehen mit der Entwicklung, Ellis forderte wie üblich mehr Investitionen. Der Frauenfußball hat finanzielle Dynamik aufgenommen. Die Eigenheiten zu behalten, das wird, man kann es ahnen, ein heikler Balanceakt.
Noch ist ein bisschen davon da. Auf der Pressekonferenz mit Jill Ellis klingelte plötzlich deren Handy. „Das ist wahrscheinlich meine Mutter.“ Ein kurzer Blick aufs Handy, dann bestätigte sie trocken: „Ja, sie ist es.“ Die begeisterte Mama musste dann warten. „Sie ist wahrscheinlich jetzt sauer. Sie ist Schottin.“ Das Finale war kein Spektakel, die Protagonistinnen waren es sicherlich.
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