Filmarchive und Diversität: Verstaubte Verschlagwortung
Filmearchive funktionieren oft nach veralteten Standards und Stereotypen. Was es zu erneuern gilt, diskutierte ein Panel am Rande der Berlinale.
Gleich drei Veranstaltungen – zusätzlich zu jenen in der Kinemathek – verhandeln auf der Berlinale das Archiv. Darunter auch ein Panel des Internationalen Frauenfilmfestivals IFFF Dortmund+Köln, das schon vor dem neuen Hype um das Thema 2016 mit „No Future without a Past – Save your place in film history!“ die Bedeutung der Archive für die konzeptuelle Arbeit behauptet hatte.
Dieses Jahr befragten für „Framing the Archive“ auf einem von IFFF-Leiterin Maxa Zoller moderierten vierköpfigen Panel Filmgeschichts-Praktikerinnen aus unterschiedlichsten Bereichen das materialisierte Erbe auf Diversität.
Dabei, so Zoller, solle es diesmal darum gehen, sich die Archive mit innovativen Zugriffen anzueignen und zu Quellen einer „Herstory“ zu machen: „A Past that Leads to Us“. Seit vielen Jahren tut dies vorbildlich die 1999 gegründete Frankfurter „Kinemathek Asta Nielsen“ mit dem Festival „Remake“, deren Leiterin Gaby Babić auf dem Podium saß. Elif Rongen-Kaynakçi vom Amsterdamer Eye Filmmuseum arbeitet als Kuratorin für Stummfilm schon lange „jenseits des Kanons“ – und hat unter anderem eine DVD-Box zu „Cinema’s First Nasty Women“ mit frühen Stummfilmen editiert.
Elisa Jochum hat vor zwei Jahren Martin Koerber im Filmarchiv der Deutschen Kinemathek beerbt und steht mit der Berlinale-Retrospektive und „Film Restored“ in der Öffentlichkeit. Entfernt von solchen Institutionen steht die Künstlerin Jihan El-Tahri, die in ihren Filmen seit den frühen 1980ern auch mit Archivmaterial arbeitet.
Das Archiv will wissen, was sie sucht
El-Tahri beschrieb einen Interessenkonflikt im Ansatz: Sie wolle bei einem Archiv auf Entdeckungstour gehen, um zu sehen, was sie findet. Das Archiv dagegen will wissen, was sie sucht. Schon sind wir bei Fragen von Verschlagwortung und Metadaten. Doch es gehe auf keinen Fall darum, nun einen Kanon durch einen neuen zu ersetzen oder die Archive zu „bereinigen“, so Rongen-Kaynakçi, diese seien sowieso in permanenter Bewegung. Das Archiv dürfe nicht in Schachteln ersticken und müsse atmen.
Babić sprach von notwendigen „guerilla strategies“ und betonte, wie viel Grundlagenforschung noch gemacht werden müsse. Gerade kämen viele Filmemacherinnen der Aufbruchs-Generation mit ihren Nachlässen zu ihr. El-Tahri wiederum bestand im Archivwesen – gerade aus Sicht des globalen Südens – auf ein Recht auf „bad quality images“, die permanente Hochsetzung der technischen Standards sei auch ein Grund für Ausschlüsse.
Die Frage des Umgangs mit Stereotypen und Rassismen ist auch in filmhistorischen Praktiken virulent, obwohl sich hier nicht so leicht ein paar Wörter tauschen lassen. Einigkeit bestand darin, dass auch explizit sexistische oder rassistische Filme aufbewahrt werden müssen, um nicht geschichtsvergessen zu werden.
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