Neues aus den Filmarchiven: Fluchten ins Ferne

Neue und alte Bauten in der Filmgalerie 451, Architekur und Trauma in Linklaters „Bernadette“ und klassisch anarchistische Filme bei Christie Books.

Filmszene aus "Bernadette" von 2019

„Bernadette“ (2019)

Im 28. Film seiner Reihe „Photographie und Jenseits“ bringt der Essay-Dokumentarist (and beyond) Heinz Emigholz einmal mehr die Prinzipen seiner Architekturfilme – starre, unkommentierte Einstellungen und ein unverwechselbares Sounddesign aus O-Tönen – zum Tragen.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

„Zwei Basiliken“ kontrastier zwei in ihrer baulichen Anlage ähnliche, in ihrer jeweiligen Anmutung jedoch völlig unterschiedliche Kirchen miteinander. Den gotischen Dom von Orvieto (spätes 13. Jahrhundert) und die Grundtvigskirche in Kopenhagen, die im 20. Jahrhundert aus Backsteinen erbaut wurde und den Expressionismus ihrer Westfassade mit neogotischen Bauprinzipien verbindet.

Der bilderreiche Katholizismus des Südens begegnet dabei dem asketisch-klaren Protestantismus des Nordens (Stream bei Filmgalerie 451: www.filmgalerie451.de).

Flucht in die Antarktis

Dem amerikanischen Regisseur Richard Linklater gelingt es seit gut dreißig Jahren, in einem sehr weit abgesteckten Feld irgendwo zwischen experimentellen Ideen und eher kommerziell ausgerichteten Projekten erfolgreich interessante Filme zu machen.

In diesem Rahmen könnte man „Bernadette“ (2019) wohl als seine Version einer familienkompatiblen Komödie bezeichnen: die Geschichte der neurotischen ehemaligen Star-Architektin Bernadette Fox (Cate Blanchett), die durch den Abriss eines preisgekrönten Hauses durch einen Kunstbanausen schwer traumatisiert wurde.

Sie kommt mit nichts und niemandem mehr so richtig zurecht: nicht mit den grässlich angepassten Nachbarn, nicht mit ihrem Mann und mit dem eigenen Leben schon gar nicht. Irgendwann bleibt nur die Flucht – in die Antarktis.

Zwar gestaltet sich die Lösung ihrer Probleme eher konventionell (Bernadettes brachliegende Kreativität muss einfach neu befeuert werden), doch den Weg dorthin gestaltet Linklater bei aller Unterhaltsamkeit durchaus nachdenklich und mit sorgfältig charakterisierten Figuren.

Dabei lassen sich viele Themen ausmachen, die den Filmemacher auch in anderen Filmen immer wieder beschäftigen: die Entwicklung von Jugendlichen zu eigenständigen Persönlichkeiten, gesellschaftlicher Nonkonformismus und die Voraussetzungen für kreatives Handeln.

Dass Bernadette zwischenzeitlich mit einer dornigen Brombeere assoziiert wird, ist natürlich kein Zufall: Cate Blanchett in der Rolle dieser sperrigen Frau zuzusehen, macht ausgesprochenes Vergnügen (Stream bei Videobuster: www.videobuster.de).

Anarchistisches Filmarchiv

Sind oder waren Sie jemals Anarchist? Oder möchten Sie es vielleicht gern werden? Dann fangen Sie doch am besten mit der Sichtung einer umfangreichen Online-Sammlung von Filmen zum Thema an. Christie Books beherbergt auf seiner Webseite „Anarchist Film Archive“.

Und was man da alles hineinstecken kann, wird vielleicht deutlich, wenn man dort auch auf „What’s Opera, Doc?“ (1957) stößt, einen brillanten Warner-Cartoon von Chuck Jones, in dem Elmer Fudd und Bugs Bunny sich im Setting und zu Klängen von Wagner-Opern eine klassische Verfolgungsjagd liefern.

Das ist genau die Art von Anarchie, die mir gefällt. Übrigens ist der Film auch von der Library of Congress ins National Film Registry aufgenommen worden, als erhaltenswertes US-Filmerbe (www.christiebooks.co.uk).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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