Feuerwehr-Ausfall auf Social Media: „Braucht uns möglichst nicht“
Wegen eines Großbrands warnt Hamburgs Feuerwehr vor einer „extremen Gefahr“ – aber nicht über Social Media. Da gibt es eher PR in eigener Sache.
E s ist Ostersonntag, kurz nach sieben Uhr morgens. Durch die Wohnung schrillt dieser blecherne Ton, als hätten in einem dystopischen Film die Guten bei ihrer Flucht aus dem Internierungslager die Lichtschranke passiert und so die Wachmannschaft in Alarm versetzt.
Doch es ist nur das Kind, das schlaftrunken und verängstigt über den Flur wankt. „Großbrand in Rothenburgsort“, lautet die Entwarnung nach einem Blick aufs Smartphone. „Kannst wieder schlafen gehen.“ Stimmt, den Ton kennen wir vom Testlauf im Dezember. Warum auch diesmal, im offensichtlichen Ernstfall, wieder nur ein Handy schrillt und die anderen beiden, vom selben kalifornischen Hersteller und neueren Datums, schweigen – das ist eine Frage, die erst viel später aufkommen wird.
Dass die Nachricht vom bundesweiten Warnsystem Cell Broadcast vor „extremer Gefahr“ warnt, dass wir die Fenster geschlossen halten sollen, wegen möglicher giftiger Gase – das alles hat Zeit bis später. Und erst Recht der Hinweis, man solle sich über die üblichen Nachrichtenkanäle informieren, denn sonst wäre es mit der Nachtruhe endgültig vorbei.
Nur noch schnell auf den Link … die Warnung sei nicht vorhanden, heißt es da. Hmm – vielleicht auf Twitter? Der Account der Hamburger Feuerwehr wünscht nur „frohe, bunte, gesunde und sonnige Ostern. Lasst es Euch gut gehen und braucht uns möglichst nicht“. Gesendet um Punkt 5 Uhr früh.
Empfohlener externer Inhalt
Da waren die Kollegen des ersten Löschzugs schon unterwegs zum Firmengelände des Autoverwerters, auf dem zahlreiche alte Kühlschränke brannten und später Container mit unbekannter chemischer Ladung explodierten. Doch die Social-Media-Schicht hatte offensichtlich Osterurlaub und nur einen zeitgezündeten Tweet hinterlassen. Auf Facebook sah es nicht besser aus. Und auch hamburg.de schlief den Schlaf der Gerechten.
Im Lauf des Vormittags berichtete zwar das Hamburger Abendblatt – allerdings hinter seiner Paywall, also nur für Abonnent:innen. Der NDR immerhin hatte in seinen Radionachrichten um 8 einen kurzen Schnipsel. Wenig später tweetete zumindest die Hamburger Polizei eine Warnmeldung. Da brannte es seit vier Stunden.
Die Feuerwehr selbst brauchte fast doppelt so lange, bis sie eine eigene Gefahrenmeldung auf Twitter veröffentlicht hatte – gerade noch rechtzeitig vor der Entwarnung, dass doch keine giftigen Gase gemessen worden seien. Da waren schon Busse und S-Bahnen ausgefallen, auch Fernzüge verspätet – und die meisten Anwohner:innen wegen beißenden Geruchs und sichtbaren Feuerscheins vermutlich von selbst einen halben Tag lang drinnen geblieben.
Empfohlener externer Inhalt
Ob man etwas daraus lernen kann? Vielleicht, dass die Social-Teams bei Polizei und Feuerwehr nicht hinreichend ausgestattet sind. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Prioritäten nicht stimmen: Soziale Medien sind für die Sicherheitskräfte offensichtlich vor allem ein Mittel der Imagewerbung. Und da reicht es, wenn sie nur „nine to five“ bespielt werden. Ihre Sicherheitsrelevanz, ihr Wert als echter Informationskanal wird dagegen unterschätzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles