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Femizide in BerlinTäter lassen sich nicht wegfesseln

Martha Blumenthaler
Kommentar von Martha Blumenthaler

Nach erneuten Femiziden in Berlin plädiert die Justiz­senatorin für Fußfesseln. Die Diskussion offenbart das staatliche Versagen beim Gewaltschutz.

Erinnerung an einen Femizid vor einem Hauseingang in Friedrichsfelde Foto: dpa

J eden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau aufgrund ihres Frauseins ermordet. Die Täter sind der Lebensgefährte, der Ex-Partner, der Bruder, der Vater oder der Arbeitskollege. In Berlin wurden zuletzt zwei Frauen innerhalb einer Woche von ihren Ex-Partnern getötet. Ein weiterer Femizidversuch in Reinickendorf konnte gerade noch abgewendet werden. Drei Fälle in einer Woche, allein in Berlin.

In Reaktion auf die jüngsten Femizide hat Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) nun den Einsatz von elektronischen Fußfesseln bei Männern gefordert, die bereits wegen häuslicher Gewaltdelikte angezeigt sind. Eine Maßnahme, die in Europa in Spanien schon erfolgreich Anwendung findet und für die sich auch die Opferschutzorganisation Weißer Ring ausspricht. In Deutschland wird der Einsatz von Fußfesseln bisher von den Ländern selbst geregelt. Im Hinblick auf die steigenden Fallzahlen im Bereich der häuslichen Gewalt wird seitens des Bundesinnenministeriums eine bundesweite Regelung angestrebt.

Denn Näherungs- und Kontaktverbote können die Täter leicht umgehen. Sie werden schlichtweg ignoriert. Und Täter finden Strategien, um den Betroffenen trotzdem aufzulauern. Geschützt sind die betroffenen Frauen dadurch also keineswegs: Hier würde die Fußfessel greifen. Sie soll Frauen rechtzeitig alarmieren, wenn der Gefährder sich nähert und den vorgegebenen Abstand nicht einhält. Das klingt in der Theorie zunächst effektiv. In der Praxis stößt die Maßnahme schnell an ihre Grenzen.

Bei Sexualstraftätern können Fußfesseln als Auflage zwar bereits nach Absitzen einer Haftstrafe verordnet werden. Das passiert jedoch relativ selten. Zudem ist die Maßnahme nur auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Wie Frauen danach geschützt werden, ist unklar. Auch dauert es, bis die von der Fußfessel ausgesandten Signale bei Betroffenen in Berlin ankommen – sie gehen erst mal nach Hessen, wo sie zentral erfasst werden.

Staatliches Versagen

Die Diskussion um die Fußfessel offenbart ein tiefer liegendes Problem: das staatliche Versagen beim Gewaltschutz von Frauen und der Prävention von Femiziden, denen häufig häusliche Gewalt vorausgeht. Die Gewalt findet in den eigenen vier Wänden statt, aus denen die Betroffenen zum Teil nicht fliehen können, weil sie beispielsweise ökonomisch vom Täter abhängig sind.

Die Frauenhäuser wiederum, die eigentlich sowohl Schutz- als auch Unterstützung bieten sollten, sind überlastet und unterbesetzt. Das illustrieren Zahlen der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG), die bei häuslicher Gewalt berät. Im Jahr 2022 riefen über 3.000 Frauen an, die an Frauenhäuser vermittelt werden wollten. 2.000 mussten von der Initiative zurückgewiesen werden. Die Häuser waren schlicht voll.

Parallel zu den nicht vorhandenen Plätzen nimmt die Zahl der von häuslicher Gewalt Betroffenen zu. Das alles ist bekannt. Ebenso die Gründe: Die Institution Frauenhaus scheitert viel zu häufig an der Unterfinanzierung, zudem sind die Finanzierungsregeln bundesweit uneinheitlich geregelt. Hinzu kommt die räumliche Verteilung von Frauenhäusern. Insbesondere im ländlichen Raum gibt es kaum Anlaufstellen.

All das hindert die Verantwortlichen nicht daran, weiter bei Gewaltprävention und Schutzmaßnahmen zu sparen. Auch in Berlin, wo mit Blick auf den Gewaltschutz in diesem Jahr 1,7 Millionen von 8 Millionen aus dem Haushaltsetat gestrichen worden sind.

Angesichts fehlender Frauenhausplätze und der irren Rotstiftpolitik bei der Gewaltprävention wirkt die Fußfessel wie eine vorgeschobene Lösung für ein Problem, das sich nicht einfach wegfesseln lässt. Zumindest nicht längerfristig. Maßnahmen gegen Femizide müssen an der Wurzel ansetzen. Das bedeutet, es muss Geld in die Hand genommen werden, um Frauen den bestmöglichen Schutz zu bieten. Gleichzeitig ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Femizide immer und immer wieder zu skandalisieren, um einer Normalisierung patriarchaler Gewalt entgegenzuwirken. Anleinen allein reicht nicht.

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Martha Blumenthaler
Studiert Soziologie und lernt Journalismus am ifp in München. Schreibt im Berlin Ressort Texte über alles.
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8 Kommentare

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  • Ich wundere mich auch, warum diese Maßnahmen hier so schlecht geredet werden. Selbstverständlich sind die schlimmen patriarchalen Zustände ursächlich für das Problem und müssten seit jahren anders angegangen werden. Aber: in einer konkreten Bedrohungssituation muss doch alles versucht werden, die Frauen zu schützen und zu warnen, zur Not auch mit Fussfesseln. Es geht immerhin um Lebensgefahr. ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass die theoretischen Debatten die zu der Thematik geführt werden den Frauen, die in der Gewaltsituation stecken nicht helfen.

    • @PanKudra:

      Wie ich unten schreibe: typisch deutsche Herangehensweise.

      Bevor nicht das GANZ GROSSE GRUNDPROBLEM gelöst wurde, braucht man sich um dessen Aspekte im wahren Leben gar nicht erst zu kümmern. Fußfesseln? Sinnlos, solange es noch Gewalt gegen Frauen an sich gibt. Also unter keinen Umständen überhaupt sinnvoll.

      Es ist oft auch gerade auf linker Seite eine Art rhetorischer Trick: weil man - so mein Verdacht - Fußfesseln für irgendwie gemein-autoritär-"rechts" hält und ablehnt, das aber nicht so richtig stichfest begründen kann, wird das Problem ins Abstrakte verschoben.

  • „ Auch dauert es, bis die von der Fußfessel ausgesandten Signale bei Betroffenen in Berlin ankommen – sie gehen erst mal nach Hessen, wo sie zentral erfasst werden.“

    Hier könnte man ja schon mal ansetzen.

    Warum nicht erstmal die praktischen Seiten betrachten und die praktischen Probleme lösen, bevor man sich an das ganz große, abstrakte, Problem an sich wagt? Diese Herangehensweise ist typisch deutsch. Man sieht es auch zB beim Görli, wo argumentiert wird, dass ein Zaun das Problem der Drogensucht an sich doch nicht löse. Ja und? Warum darf man nicht erstmal konkrete Probleme vor Ort lösen? Die sind nämlich nicht unwichtig, nur, weil sie Symptome eines sehr schwierig zu bewältigenden Gesamtproblems sind.

  • Es muss was passieren! Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus.



    Mehr Frauenhäuser!!!!!!!



    Härtere Strafen!

  • Es muss ja nicht so bleiben, dass Signale der Fußfessel erst nach Hessen gehen, es sollte doch wohl technisch machbar sein, dass Annäherungen des Signals der Fußfessel in einem bestimmten Radius der betroffenen Person unmittelbar in einer App angezeigt werden ?

    • @Kajakia:

      Da höre ich schon die Möchtegern-Datenschützer brüllen.



      (Möchtegern, weil es diejenigen sind, die den Datenschutz mit übertriebenen und unsinnigen Forderungen kaputt machen)



      Es dürfte für die Frauen leider extrem schwierig sein, nachzuweisen, dass sie diese direkt erhaltenen Daten nicht missbrauchen werden.



      Täter-Opfer-Umkehr par excellence.

    • @Kajakia:

      So etwas gibt es in Spanien im Routineeinsatz. In Deutschland aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht machbar (angeblich weil das Opfer verdeckt dem Täter folgen und ihn so tracken kann). Die Meldung darf nur an Behörden gehen, die dann (wenn sie denn Zeit haben) entscheiden dürfen, ob sie etwas unternehmen müssen.

    • @Kajakia:

      technisch völlig problemlos eine Warnung zu bekommen wenn der Täter 3ooMeter entfernt ist, oder wie groß auch sein Mindestabstand sein mag.



      Das Umsetzungsproblem steckt eher im Beamtentum.



      Nur was sind schon 3ooMeter :((



      So eine Fußfessel die das Opfer vor dem Täter schützen soll funktioniert mur wenn ein Elektroschocker in der Fessel integriert ist falls die Distanz auf 5Meter schrumpft. Also das Opfer müsste dann auch einen Signalgeber zum Schutz mit sich führen.



      Ist natürlich nur ein Gedankenspiel, da sowas natürlich nicht umsetzbar ist. Ist aber ein lustiger Gedanke.