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Feministinnen besprühen SkulpturFrauenskulptur als Propagandacoup

Kommentar von Petra Schellen

Aktivistinnen haben Hannovers Königinnendenkmal von 1910 besprüht. Es würdige nicht die Frauen, sondern nur deren Funktion im Politik-Geschäft.

Das Original: Gottfried Schadows „Prinzessinnengruppe“ mit Luise (l.) und Friederike in Berlin Foto: Jens Kalaene/dpa

J a, es war fast schon Frauenhandel: Wie selbstverständlich wurden in vergangenen Jahrhunderten Kaiser-, Königs-, Adelstöchter zwangsverheiratet. Männer oft auch, aber die hatten mehr Macht, konnten auch mal eine verstoßen, wenn sie keinen männlichen Thronfolger gebar. Weit öfter aber waren die Frauen Verhandlungsmasse, politisches Pfand, geopolitischer Kitt. Ihre vorrangige Funktion: Reiche vergrößern, Kriege verhindern, Erbfolge, teils auch Grenzen irgendwo im Outback sichern. Bis an den äußersten Zipfel des einstigen Großreichs wurden etwa chinesische Prinzessinnen verheiratet, ausgeliefert der oft feindseligen Schwiegerfamilie, den ­Intrigen des berechnend kalten Hofs.

Ganz so weit mussten Luise und Friederike von Mecklenburg-Strelitz nicht wegziehen, als sie 1793 die preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm und Friedrich Ludwig heirateten und als Prinzessinnen von Preußen zunächst in Berlin wohnten. Luise wurde später preußische Königin, Friederike – nach ihrer dritten Heirat – Königin von Hannover.

Das klingt nach einem sorglosen Leben. Aber auch diese beiden Schwestern fungierten – wie jahrtausendelang Frauen aller Schichten – vor allem als Gebärmaschinen. Luise­ bekam zehn, Friederike zwölf Kinder, von denen jeweils einige jung starben. Wobei nicht ganz klar ist, ob Luise in ihrer Ehe wirklich unglücklich war. Friederike dagegen schon: Notorisch untreu soll ihr früh verstorbener erster Mann gewesen sein. Danach heirate sie noch zweimal – einmal nachweislich auf Druck des Hofs, um eine uneheliche Schwangerschaft zu vertuschen. Das Paar wurden anschließend von Berlin in die bayerische Provinz verbannt, und Friederike durfte nur eins ihrer Kinder aus erster Ehe mitnehmen – das Mädchen.

Schwestern-Idyll als Polit-Statement

Wenn man das bedenkt, ist es folgerichtig, dass Aktivistinnen am Frauentag Hannovers „Königinnendenkmal“, das die Schwestern zeigt und eins der wenigen dortigen Frauendenkmäler ist, mit folgendem Spruch versahen: „Bei dem Königinnendenkmal geht es aber nicht einmal um die Frauen selbst, sondern nur darum, dass sie aus politischer Strategie verheiratet wurden und damit für eine politische Botschaft herhalten konnten.“ Da die überlebensgroße Marmorskulptur im Winter eingerüstet wird, wurde der Satz auf die Holzverschalung gesprüht.

In der Tat hatte der spätere Kaiser Wilhelm II. diese Skulptur 1910, zum 100. Todestag Luises von Preußen, aus rein politischen Gründen der Stadt Hannover geschenkt. Das zartweiße Schwestern-Idyll – eine Kopie von Gottfried Schadows Berliner „Prinzessinnengruppe“ – sollte die Versöhnung zwischen den (preußischen) Hohenzollern und den (hannoverschen) Welfen beschwören. Denn 1866 war Hannover von Preußen annektiert worden und die Skulptur nun ein Vehikel staatlicher Propaganda. Was übrigens eine nachträglich implementierte Bedeutung war: Das unpolitischere Original hatte Schadow 1795 bis 1797 geschaffen, kurz nach der Doppelhochzeit der Schwestern. Damals waren sie beide noch Prinzessinnen von Preußen.

Aus feministischer Sicht bedenklich ist auch das typisch verniedlichende Frauenbild der klassizistischen Skulptur: große, ausdrucksvolle Augen, geschmeidig lockige, züchtig zusammengebundene Haare und das betonte Dekolleté spiegeln eher den männlich-überlegenen Blick als Respekt auf Augenhöhe.

Luise war wohl nicht nur Opfer

Dennoch scheint zumindest Luise nicht nur Opfer gewesen zu sein: Obwohl kaum beschult, eignete sie sich einige Bildung an, sympathisierte mit den Reformideen Karls vom Stein und Karl Augusts von Hardenberg. Anders als ihr lange zögerlicher Ehemann plädierte sie für preußischen Widerstand gegen Napoleon – der dennoch siegte, Luise aber als „schwertfuchtelnde Amazone“ bezeichnete. 1807 verhandelte sie mit ihm den Frieden von Tilsit.

Auch daheim muss Luise beliebt gewesen sein und wurde nach ihrem frühen Tod als 34-Jährige zur„Königin der Herzen“ idealisiert. Auf derlei Qualitäten zielte Kaiser Wilhelms Denkmals-Schenkung von 1910 deutlich nicht. Er setzte vielmehr ein politisches Statement, basierend auf der jahrhundertelangen Verdinglichung von Frauen.

Trotzdem: Die Skulptur selbst erinnert auch an zwei Frauenschicksale, die zu ergründen sich lohnt. Auch in dieser Hinsicht hat die Sprüh-Aktion der Hannoverschen Feministinnen ihr Ziel erreicht: Sie generiert Neugier und Reflexion. Petra Schellen

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Redakteurin
Seit 2000 Redakteurin der taz am Standort Hamburg. Schwerpunkte: Kultur und -politik, Drittes Reich, Judentum, Religion allgemein.
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5 Kommentare

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  • Wie soll sich eigentlich Fortschritt definieren, wenn nicht aus der Kenntnis der Geschichte? Mir fällt zu solch verblödeten Aktionen nur noch ein "Brösel"-Zitat ein...

  • Propagandacoup? Ich muss eher feststellen dass die sicherlich nicht Teil einer Lösung, sondern ein Teil von irgendeinem Problem sind. Das mag man als Propagandaerfolg betrachten, aber sicherlich nicht für den Feminismus.

  • Verdammen und zerstören erspart Auseinandersetzung mit und Erklärung von Zeitgeist und historischem Hintergrund. Armselig, dumm und gefährlich.

    • @Trabantus:

      Der Spruch wurde auf die hölzerne Winterverpackung der Statuen gesprüht. Was wurde denn da zerstört?



      Und zumindest in dem Kommentar, den sie hier kommentieren gab es durchaus eine Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist.

  • "Aus feministischer Sicht bedenklich ist auch das typisch verniedlichende Frauenbild der klassizistischen Skulptur"



    Die Wichtigkeit, ein künstlerisches Frauenbild anzuprangern, das mehr als hundert Jahre zurückliegt, erschließt sich mir allerdings nicht.



    Erinnert mich an die barbarischen Bilderstürmer und Kunstschänder aus diversen Religionskriegen, seien es christliche Reformatoren oder Taliban.



    Diese moralische Bedürfnis, die Zeugnisse der Vergangenheit auszulöschen, befremdet mich.