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Feiern in Zeiten von CoronaKommt runter!

Kommentar von Luisa Kuhn

Der Krankheit gemeinsam trotzen? Sorry, das ist fatal. Besser: Widerstand zeigen, indem wir zu Hause bleiben.

Feiern bis der Arzt kommt- Coronaparty Foto: Illustration: Paula Troxler

W ahrscheinlich sollte in der Überschrift besser kein Ausrufezeichen stehen. Wer beruhigt sich schon, wenn man sie oder ihn dazu zwingt? In Zeiten der Corona-Pandemie braucht es jedoch mehr Ausrufezeichen als sonst, um gutgemeinten und notwendigen Warnungen Nachdruck zu verleihen – denn viele scheinen diese nicht zu verstehen.

Auf Facebook werden Einladungen zu Corona-Partys verschickt: nettes Beisammensein, Unterstützung und Beistand in Zeiten der Pandemie, das klingt verlockend. Der Gedanke daran, einen Anflug von Langeweile oder gar Einsamkeit verspüren zu können, scheint bei vielen mehr Angst auszulösen, als die Gefahr mit entzündeter Lunge im Bett liegen zu müssen und davor noch vierzehn andere, vielleicht viel geschwächtere Menschen angesteckt zu haben.

Am 29. Februar feierte ein Infizierter in einem Berliner Club und gab das Virus an 42 weitere ClubbesucherInnen weiter. Eigentlich sollten alle Berliner Bars und Clubs ab diesem Dienstag für fünf Wochen schließen. Angesichts der sich rasant ausbreitenden Infektion beschloss der Senat dem Nachtleben schon am Samstag das Licht auszuknipsen.

Viele Kneipen- und Club-BesitzerInnen reagierten vorbildlich und schlossen ihre Türen am Samstag freiwillig, forderten bereits in den Tagen zuvor ihre Gäste dazu auf, E-Mail-Adresse und Kontaktdaten an der Theke zu hinterlegen, um bei einem Coronaverdachtsfall sofort alle an diesem Abend anwesenden Gästen zu informieren.

Solidarisch sein mit den Schwächeren

Freitags demonstrieren wir für die Zukunft unserer Generation und ziehen die Älteren zur Verantwortung. Jetzt müssen wir für sie Verantwortung zeigen

Andere BetreiberInnen wollten dem Virus trotzen und den Barbetrieb am Samstag trotz Verbot weiterführen. Mit wenig Erfolg: Die Polizei war mit 100 Beamten extra im Einsatz um etwaige Veranstaltungen, beziehungsweise alternative Feierorte in der Öffentlichkeit aufzulösen.

Raus gehen, zeigen, dass man sich nicht einschüchtern lässt, den Widerstand sichtbar machen – das hilft vielleicht gegen Naziaufmärsche, aber, sorry, bei keiner Pandemie. Sind wir doch einfach mal offen für eine neue Form des Widerstandes: Runter von der Straße und rein in die Wohnung!

Wenn wir sonst auf die Straße gehen, tun wir das, um uns solidarisch zu zeigen: mit den marginalisierten, benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft. Genau das müssen wir gerade jetzt auch: Solidarisch sein mit den Schwächeren. Und deshalb zuhause bleiben. Und nicht vergessen, dass soziale Komponenten – Versicherung, Verdienst und soziale Kontakte – mit der Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und der Genesung korrelieren. „Das Coronavirus wird uns eine schreckliche Lektion erteilen: Ungleichheit tötet“, titelt der Guardian.

Verantwortung zeigen

Und ohnehin: Was ist aus unserem Generationenvertrag geworden? Sollte dieser nicht auf Gegenseitigkeit beruhen? Es geht nicht nur darum, marginalisierte Gruppen zu schützen, sondern eine ganze Generation, für die das Virus lebensbedrohlich sein kann. Freitags demonstrieren wir für die Zukunft „unserer Generation“ und ziehen die Älteren zur Verantwortung.

Jetzt müssen wir Verantwortung zeigen. Abschied vom öffentlichen Leben zu nehmen, mag für Menschen, die konstant unterwegs sind, schwer vorstellbar sein. Wir können in vierzehn Tagen Quarantäne jedoch sehr viel über uns und unsere Beziehungen lernen: Ob dies nun eine erhöhte Scheidungsrate oder zahlreiche Neujahrsbabys 2021 bedeutet, können wir in unseren eigenen vier Wänden mit entscheiden.

Schulschließungen und Ausgangssperren sind wichtige Maßnahmen im Kampf gegen das Virus, die von oben getroffen werden müssen. Letztendlich wird aber das Verhalten des Einzelnen über Länge und Ausgang dieser Pandemie entscheiden. Das sollten wir mittlerweile wissen und uns dementsprechend verhalten: Selbstreflexion und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber können dabei helfen.

Während ich diesen Text schreibe, sitze ich im Zug und gefährde weitaus mehr Menschen, als wenn ich einfach zu Hause geblieben wäre. Ich sollte wohl ein Ausrufezeichen mehr hinter die Überschrift setzen und dafür auf ein „t“ verzichten.

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5 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Intern schon mal mit Anna Lehman diskutiert?

    taz.de/Spielplaetz...na-Krise/!5668799/

  • "Freitags demonstrieren wir für die Zukunft „unserer Generation“ und ziehen die Älteren zur Verantwortung. Jetzt müssen wir für sie Verantwortung zeigen."

    Chapeau für die Autorin, die in der Lage ist, über ihren Schatten zu springen, und in deren Text eine Menschlichkeit anklingt, die in der TAZ von Heute fast schon Seltenheitswert hat.

    Nach der Lektüre eines unsäglichen Artikels über Kinderspielplätze in der heutigen TAZ - Luisa Kuhn setzt dagegen Vernunft und Humanität.

  • Es wird ja wohl möglich sein, sich mal n paar Wochen möglichst von anderen Menschen zurückzuziehen. Aber gut, ich bin allgemein eher froh meine Ruhe von anderen Leuten zu haben, Arbeit usw. Daher verstehe ich die Aufregung wohl nicht.

  • 2G
    2830 (Profil gelöscht)

    Danke für diesen Artikel. Meine Stammkneipe ist nun geschlossen. Einige haben bis zum Schluss durchgehalten und Fotos von ihrem Trotz geschickt. Mich hat das seltsam berührt. Zu Zeiten einer Prohibition könnte ich das verstehen, aber wer ist der Gegner? Der böse Staat, der die Chance nutzt zu reglementieren? Quatsch! Er versucht uns vor uns selbst zu schützen, weil er weiß wie tröge wir sind, wenn es darum geht Verantwortung zu übernehmen. Ich bin niemanden böse, der ein spätes Einsehen hat, nur gar keins ist ein Indiz auf Selbstbezogenheit und sittlichen Verfall. Wir sind alle so sehr gewohnt uns zu vergnügen, dass es schwer fällt es sein zu lassen. Oft sind ganze Lebensmodelle darauf ausgerichtet. Ein Resultat der Wohlstandsgesellschaft, das durch alle Schichten geht und als solches selten wahrgenommen wird. Ob Nazis, Normalos oder Autonome - alle saufen und prosten sich zu auf der richtigen Seite zu stehen. Dem Virus ist das egal. Er nützt jede Gelegenheit.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @2830 (Profil gelöscht):

      Sehr gut ! 👍