Fehlerhafte Messungen beim 911er: Porsche zeigt sich selbst an
Die VW-Tochter hat falsche Werte beim 911er bemerkt und sich selbst angezeigt. Es geht um den Luftwiderstand und um hohe Strafen.
Während der Messungen für die Typengenehmigung wurde ein falscher Wert für den Luftwiderstand genutzt, meldete das Magazin laut „Spiegel“ unter Berufung auf Kreise des Volkswagen-Managements. Sowohl das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt als auch die amerikanischen Behörden EPA und CARB seien darüber informiert worden.
Sollten bei der Typgenehmigung zu niedrige Verbrauchswerte und somit ein zu niedriger CO2-Ausstoß zugrunde gelegt worden sein, hätte das weitreichende Folgen. Porsche müsste mit Schadensersatzforderungen von Kunden rechnen. Denkbar wären auch Nachforderungen der Steuerbehörden.
Sie könnten bei Verstößen gegen das Zulassungsverfahren Geldstrafen verhängen: In Deutschland können das laut „Spiegel“ bis zu 5.000 Euro sein – pro Fahrzeug. Allein 2016 und 2017, das sind die betroffenen 911-Baujahre, lieferte die VW-Tochter insgesamt rund 64.000 Fahrzeuge seines Sportwagens aus.
Kluft zwischen Testergebnissen und Realität steigt
„Die Selbstanzeige ist kein Zufall“, sagt Autoexperte Axel Friedrich, der unter anderem für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Abgasmessungen vornimmt. Die Kluft zwischen offiziellen Testergebnissen und der Realität beim Spritverbrauch – und damit beim CO2-Ausstoss – sei in den vergangenen Jahren sogar noch angestiegen – auf inzwischen 40 Prozent. Mit gefälschten Luftwiderstandswerten könne man bei den Tests den Wert um bis zu 15 Prozent senken. Normalerweise nutzen die Konzerne legale Schlupflöcher bei den Testvorgaben aus, um die offiziellen Angaben zu drosseln.
Allerdings ist es für ungewöhnlich, dass ein Unternehmen sein Fehlverhalten selbst anzeigt. Ein Insider sagte Reuters, die VW-Tochter habe im Zuge der Aufarbeitung des Dieselskandals damit begonnen, „auch bei den Benzinern jeden Stein umzudrehen“. Man wolle „absolut sicher sein“ und nicht gegen Regeln verstoßen. Deshalb entschied sich Porsche offenbar dazu, die Abweichungen bei den Messdaten zu melden.
Der Luftwiderstand hat Einfluss auf die Einstellung des Rollenprüfstands, an dem die Emissionen der Fahrzeuge standardisiert gemessen werden. Es ist „normal“, dass bei den Tests etwa Seitenspiegel eingeklappt oder Fahrzeugschlitze zugeklebt werden, um den Luftwiderstand zu verringern. Verbraucherschützer halten das für Täuschung.
Das Bundesverkehrsministerium teilte mit, Porsche habe dem Kraftfahrt-Bundesamt bereits am Donnerstag mitgeteilt, „dass es Auffälligkeiten hinsichtlich der CO2-Werte bei Fahrzeugen des Typs Porsche 911 der Baujahre 2016 und 2017 gibt“.
Porsche-Chef Blume telefoniert mit Minister Scheuer
Die Prüfungen durch die Flensburger Zulassungsbehörde seien angelaufen. Noch am gleichen Tag seien auch die US-Behörden informiert worden, sagte der Unternehmenssprecher. Porsche-Chef Oliver Blume habe mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) telefoniert, um die Selbstanzeige zu erläutern.
Der Verdacht fehlerhafter Daten kam Porsche bei internen Nachprüfungen der Messungen für den Luftwiderstand: „Bei wiederholten Untersuchungen sind unterschiedliche Werte aufgetreten“, erläuterte der Sprecher. „Das ist ein Indiz dafür, dass möglicherweise ein Fehler passiert ist.“ Wie groß die Auswirkungen auf die ermittelten CO2-Werte ist, solle in weiteren Messungen festgestellt werden. Unklar ist, wie viele – und ob überhaupt – Fahrzeuge mit falschen Werten zugelassen wurden. Womöglich liegen die Abweichungen am Ende auch innerhalb der Toleranz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen