piwik no script img

Favoritin des Eurovision Song ContestJetzt schon ein Star

Netta Barzilai liefert Israels heißesten Beitrag zu #metoo. Sie performt in Lissabon „Toy“ – eine vernichtende Kritik am Männlichkeits- und Schönheitswahn.

Netta Barzilai bei einem ihrer Auftritte Foto: ESC/Netta Barzilai

Am Wochenende wurde ihr Lied geleakt – Tage vor der offiziellen Veröffentlichung: Auf Anhieb wurde „Toy“ in den internationalen Wettbüros als heißester Kandidat für den Sieg beim Eurovision Song Contest in Lissabon gehandelt. Netta Barzilai, 25 Jahre alt, ist in Israels Popszene keine große Nummer gewesen, sie sang in Clubs und auf Hochzeiten – nun ist sie zum Star geworden. Ihre performative Güte unterstrich sie in der Castingshow „Rising Star“ mit Liedern wie „What Is Love?“ oder „Sing Hallelujah“ – Publikum samt Juroren waren entzückt.

Barzilai sieht nicht aus wie eine Frau, die sich an einem weiblichen Schönheitsideal aus der Schule Heide Klums orientiert. Die junge Frau sieht aus wie eine warmherzige und absolut selbstbewusste Mischung aus Tracy Turnblad (die göttliche Hauptrolle in John Waters' „Hairspray“ aus dem Jahre 1988), Alison Moyet in einer cool-entgrenzten Variante und Beth Ditto. Sie ist eine junge, alle Stylesheets mit dünnkörprigen Vorschriften ignorierende Israelin, die mit größter Selbstverständlichkeit auf der Bühne ihre Frau steht.

In den Wettbüros Europas ist Netta Barzilai auf Platz eins, seit Tagen thront ihre Nummer dort: Ihre Kritik am Männlichkeits- wie Schönheitswahn unter dem Titel „Toy“ ist eingebettet in eine absolut zeitgenössische Wall of Sound. Die Nummer klingt wie eine Mischung aus Gangnam-Style und Elektroentgrenzung. Ihre sehr präzise eingesetzten scratchartig gerappten Stimmpartien machen den Song zu einem optimistisch-zupackenden Ding in Sachen Selbstbestimmung.

Barzilai sagte einem israelischen ESC-Onlineforum, sie wünsche sich nun nichts sehnlicher als zu gewinnen. Zunächste muss sie sich am 8. Mai in der ersten Qualifikationsrunde in Lissabon für das Finale am 12. Mai qualifizieren – das gilt als mehr als nur höchstwahrscheinlich. Im Falle des Sieges möchte sie, wie Dana International es 1998 bei ihrem ESC-Sieg auch tat, diesen ihrem Land widmen, zu dessen 70. Geburtstag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Muss in einem Artikel über eine scheinbar talentierte Sängerin mit einer Message (ich kenne sie nicht, aber das scheint der Artikel ja aussagen zu wollen) wirklich einer von vier (!) Absätzen ihrem Aussehen gewidmet sein? Warum bei einer Sängerin Vergleiche zu anderen Sängerinnen über das Aussehen ziehen ("Sie sieht aus wie Beth Ditto") statt über die Musik? Sorry, im besten Fall ist das fauler Journalismus, im schlimmsten hat der Autor nichts von der besagten "Kritik am Männlichkeits- und Schönheitswahn" verstanden. (Ist es eine Kritik am Schönheitswahn, wenn man einfach aussieht, wie man aussieht?)

    • @hmmmmm:

      +1

  • Merkwürdig! Eine Frau, die angeblich etwas dagegen hat, das „Toy“ (Spielzeug) größen- und schönheitswahnsinniger Männer zu sein, erklärt öffentlich, "sie wünsche sich nichts sehnlicher als [den ESC] zu gewinnen“. Als wäre sie auf der ESC-Bühne mehr als ein Toy (Spielzeug) der Juroren und des votenden Publikums. Und dann will sie zu allem Überfluss einen eventuellen Sieg auch noch einem „Land […] zu dessen 70. Geburtstag [widmen]“. Als würde dieses Land nicht von größen-(wenn auch nicht unbedingt schönheits-)wahnsinnigen Männern regiert, für die ihre „Landeskinder“ kaum mehr sind als ein Spielzeug, das man nicht unbedingt sorgfältig behandeln muss, und die dieses Geschenk gewiss zu nutzen wissen für sich.

     

    Nun ja. Des Menschen Wille soll ja angeblich sein Himmelreich sein. Was tun Menschen nicht alles, wenn man ihnen die Chance gibt, ein echter "Star" zu werden. Ich wünsche Netta Barzilai, dass ihr Traum sich erfüllt. Wahrscheinlich kann sie ihn ja erst dann "zu den Akten legen", wenn sie ausprobiert hat, wie es sich anfühlt, als Toy (Spielzeug) begehrt zu sein vom Rest der Welt (oder doch wenigstens von wichtigen Personen, die angeblich Geschmack haben. Wenn es dann so weit ist, kann sie im Anschluss womöglich auch halbwegs konsequent reden bzw. handeln.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Ach Madame Sauertopf, gönnen Sie doch dieser großartigen jungen Frau ihren Erfolg. Sie sind doch auch nicht mit 40 auf die Welt gekommen.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        MOWGLI hat vollkommen recht. Da macht sich jemand zum Spielball von Interessen, die sie vordergründig ablehnt. Zudem ist die "Musik" reine Retorte. Mein Tip: sie gewinnt nicht.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @849 (Profil gelöscht):

          Schon verstanden: Der Club der miesepetrigen "Israelkritiker".

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @88181 (Profil gelöscht):

            Wer von der Israelischen Politik nicht reden will, muss von Menschenrechten schweigen.